Mehr als ein Viertel der Versicherer ist angezählt

 

Die Lage der deutschen Lebensversicherer ist dramatisch. Fast die Hälfte von ihnen erreicht die erforderliche Mindestsolvenz nur mithilfe von Übergangsmaßnahmen oder dem Griff in die Tasche der Kund*innen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Solvenzanalyse, die der Bund der Versicherten e. V. (BdV) gemeinsam mit der Zielke Research Consult GmbH veröffentlicht hat. Was sich bereits in den Untersuchungen der letzten Jahre offenbart hat, wird nun immer mehr zu einer massiven Verwerfung, die die Branche strukturell verändern dürfte. Fasst man die Unternehmen zusammen, die eine zu geringe reine Solvenz oder eine negative Gewinnerwartung haben, dann zeigt sich: 23 der 80 untersuchten Versicherer haben ernste Probleme (im Vorjahr 22). Ein Viertel der Versicherer ist angezählt.

Erstmals wurde in der Analyse auch die reine Solvenz ohne Kundengelder ermittelt. Das Ergebnis ist besorgniserregend: „42 der 80 untersuchten Lebensversicherungsunternehmen reißen diese Solvenzhürde. Das heißt, 53 % aller Unternehmen können nur unter Zuhilfenahme von Übergangsmaßnahmen, Volatilitätsanpassungen und/oder Kundengeldern die geforderte Solvenz nachweisen“, so BdV-Vorstand Axel Kleinlein. „Würden die Versicherten tatsächlich alle die ihnen gehörenden Überschüsse ausgezahlt bekommen, dann ist mehr als die Hälfte der Versicherer angezählt.“

Bei der Diversifizierung der Kapitalanlagen ist ein Drittel der Lebensversicherungsunternehmen gut aufgestellt, gut die Hälfte kann hier noch besser werden. Bei 6 Unternehmen sieht der BdV Handlungsbedarf. Denn eine niedrige Diversifikation birgt die Gefahr, dass der Versicherer die Kapitalanlage zu einseitig fährt. Wenn dann zum Beispiel gerade diese Kapitalanlage schlecht läuft, kann das nur schwer ausgeglichen werden. Das mindert die Überschüsse und u.U. kann das Unternehmen in eine Schieflage geraten.

Vorbildlich ist dagegen die Transparenz der Berichte. Nachdem der BdV diese in den vergangenen Jahren vielfach moniert hatte, haben sich die Unternehmen hier weiterentwickelt und diszipliniert. Die meisten sind mittlerweile gut aufgestellt. „Unsere Analyse hat hier offensichtlich als Katalysator gewirkt“, freut sich Kleinlein.

„Einige Versicherer werden die nächsten Jahre nicht überleben, das ist dramatisch. Die Branche hat die Warnsignale der letzten Jahre offenbar geflissentlich ignoriert, den Preis dafür zahlen die Kundinnen und Kunden“, so Kleinlein. Doch auch die Politik ist gefordert. Denn nach der Berechnungsmethode für Solvency II müssen Versicherer aktuell hohe Solvenzmittel vorhalten und damit hohe Risiken eingehen, um das Langlebigkeitsrisiko bei Rentenverträgen abzubilden. Die Lösung wäre der Verzicht auf den Verrentungszwang in der geförderten Altersvorsorge. „Wir fordern, dass der bestehende Verrentungszwang bei Riester- und Rürup-Renten endlich aufgehoben wird“, so Kleinlein.

Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführender Gesellschafter der Zielke Research GmbH, kommentiert die Ergebnisse wie folgt: „Ein Ende der Verrentungspflicht mit einhergehender Änderung der steuerlichen Regeln auch für existierendes Geschäft könnte die Solvenzquoten um den Faktor 1,6 erhöhen und die Situation der deutschen Lebensversicherer erheblich entspannen. Damit bekämen die Versicherer Luft, um endlich ihre Kapitalanlagen langfristig renditeträchtig und im Nachhaltigkeitsgedanken auszurichten anstatt nur den sinkenden Zinsen hinterherzulaufen. Damit können sie ohne weiteres mit Banken oder Assetmanagern in Konkurrenz um die Altersvorsorge treten. Trotzdem denke ich, dass nun auch das Thema Demutualisierung angegangen werden muss, wie bereits vor fünfzehn Jahren in Großbritannien. Die Branche benötigt einfach mehr Eigenkapital und ich denke, der Markt wäre bereit, es ihr zu geben.”

Die vollständige Analyse steht auf der Website des BdV zum Download bereit. Zur leichteren Verständlichkeit sind die Ergebnisse nach einem Ampelsystem gegliedert. So ist mit einem Blick erkennbar, ob bei einem Versicherungsunternehmen aus Verbrauchersicht Handlungsbedarf besteht (rot), Verbesserungspotenzial vorhanden ist (gelb) oder Entwarnung gegeben wird (grün).

 

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