Ben Ritchie, Head of European Equities, und Jamie Mills O’Brien, Investment Manager bei Aberdeen Standard Investments haben sich einmal Gedanken gemacht, inwiefern sich wichtige Erfolgsfaktoren im Fußball auch auf das Asset Management übertragen lassen – mit einem besonderen Augenmerk auf die europäischen Player am Aktienmarkt:

 

„Fußball spielen ist sehr simpel, aber simplen Fußball zu spielen, ist das Schwierigste überhaupt.“ Johan Cruyff

„Investieren ist simpel, aber nicht einfach.“ Warren Buffett

Auch wenn dies nicht auf den ersten Blick ersichtlich sein mag, haben die Investorenlegende und die Trainerlegende vieles gemeinsam – Integrität, Authentizität und eine lange Liste von Erfolgen. Warren Buffetts Aussprüche werden den meisten Anlegern geläufig sein, doch kurz vor der Fußball-Europameisterschaft soll es hier um Johan Cruyffs Worte gehen. Schließlich genoss er nicht nur als Aktiver auf dem Platz den Ruf eines Fußballgotts. Sein Verdienst war es auch, dass er Barcelona zu einer der Top-Adressen im europäischen Vereinsfußball machte. Was können wir daraus lernen?

Grundlagen für den Erfolg

Jeder erfolgreiche Trainer muss die richtigen Grundlagen schaffen. Eine von Cruyffs größten Leistungen in Barcelona war, dass er die Trainingsakademie und die Nachwuchsarbeit des Vereins radikal erneuerte. Unter seiner Leitung änderte der Verein seinen Ansatz: Anstatt Spieler aufgrund ihrer Größe und Physis auszuwählen, standen fortan die technischen Fähigkeiten im Vordergrund. Lionel Messi ist ein Produkt dieses Wandels, und dies legte den Grundstein für den flexiblen, variablen Offensivfußball, der die folgenden 30 Jahre prägte.

Auch Vermögensverwalter schaffen Grundlagen, die es ihnen ermöglichen, bei unterschiedlichsten Marktzyklen gute Ergebnisse zu erzielen. Für uns bedeutet dies robuste Anlageprozesse und wirksame Risikorahmen. Um erfolgreich zu investieren, brauchen wir Ideen. Diese entwickeln wir aus gründlichen Analysen – und indem wir ein Umfeld schaffen, in dem die Weitergabe von Ideen und ein Peer Review mit einem Hauch von Individualität und individueller Qualität Hand in Hand gehen.

Dazu zählt auch, dass Talente der Zukunft gefördert und weiterentwickelt werden. Und was bildet den Kern des Ganzen? Offene und beständige Kundenbeziehungen. Wir sind davon überzeugt, dass diese Faktoren zusammen die Grundlage für gute langfristige Ergebnisse bilden.

Den langfristigen Erfolg fest im Blick

In der Vermögensverwaltung – wie im Fußball – werden die Beurteilungszeiträume von Jahr zu Jahr kürzer. Die Märkte sind immer besessener von den Gewinnen des nächsten Quartals. Der Fokus hat sich von langfristigem Wachstum auf kurzfristige Erträge verschoben. Der durchschnittliche Fondsumschlag hat sich erhöht, während gleichzeitig die durchschnittlichen Fondserträge gesunken sind. Wir sind davon überzeugt, dass eine solche kurzfristige Denk- und Handlungsweise dem Erfolg häufig im Wege stehen kann.

Kommen wir noch einmal auf Johan Cruyff zurück. Sein FC Barcelona wurde dreimal hintereinander (1991 bis 1993) mit weitgehend derselben Mannschaft spanischer Meister. Er wurde nicht hektisch und tätigte keine Panikkäufe, als die Dinge nicht gut liefen, und verpflichtete auch keine sogenannten „Jahrhunderttalente“ nach nur einem guten Spiel. Was können wir für die Vermögensverwaltung daraus lernen? Die Fähigkeit, sich selbst treu zu bleiben, zahlt sich aus und zeugt von besonderem Können.

Unkonventionell denken

Ein weiterer Aspekt eines erfolgreichen Managements ist die Bereitschaft, konträre Ansichten und Meinungen zu entwickeln, Risiken mit Augenmaß einzugehen und Dinge zu tun, die der Konkurrenz möglicherweise abwegig erscheinen. Dies kann bedeuten, stark von der Benchmark abzuweichen oder die eigenen besten Ideen mit reichlich Kapital umzusetzen. Mitunter erfordert dies auch Mut, um etwas, das der Markt als „Signal“ bewertet, als „Lärm“ einzustufen.

Johan Cruyff würde das auch so sehen. Als das 4-4-2 im Fußball praktisch das Maß aller Dinge war, stellte er auf 3-4-3 um – eine Aufstellung, die eher auf Offensive als auf Defensive ausgerichtet war. Englands verlässlichen Torjäger Gary Lineker stellte er zudem auf der Außenbahn auf. Die Fachwelt schrie auf – der Entschluss erschien lächerlich. Doch die Ergebnisse sprachen für sich: Schließlich bereitete Lineker so das erste Tor im Finale des Europapokals der Pokalsieger 1989 vor.

Zukunftstauglichkeit

Kein internationales Turnier kommt ohne Streit und Kontroversen aus. Man kann aber einiges unternehmen, um die Aufregung und den Ärger zu mindern. Tatsächlich setzen die erfolgreichsten Vereine, Fußballteams und Unternehmen auf gute Führungsqualitäten und tun alles, um ihre gemeinsamen Interessen umzusetzen – von der Führungsspitze bis zum Kunden oder Fan. Für uns bedeutet dies, Überlegungen rund um das Thema ESG – Umwelt, Soziales und Governance (Unternehmensführung) – in alle Bereiche und Phasen des Research, des Bewertungsprozesses und des Portfolioaufbaus zu integrieren. Dadurch können wir unseres Erachtens eine bessere, gerechtere und nachhaltigere Zukunft für unsere Kunden, Aktionäre und die Gesellschaft insgesamt schaffen. Befürworter der europäischen Super League, aufgepasst!

Zusammenstellung des richtigen Teams

Europa ist ein tiefer und vielfältiger Markt. Es bietet ein breites Spektrum von strukturellen Themen, von der Vorreiterrolle beim „verantwortungsbewussten Kapitalismus“ und beim Thema ESG bis hin zur Digitalisierung der Industrie. Mit Blick auf das alte Narrativ, dass Europa ein günstiger Markt sei, der vor strukturellen Herausforderungen stehe, wendet sich das Blatt nun. Als aktive Vermögensverwalter haben wir die Möglichkeit, uns unter allen Unternehmen des gesamten Kontinents die Rosinen herauspicken zu können. Das wahre Können besteht jedoch darin, sie zu einem schlüssigen, schlagkräftigen Ganzen zusammenzufügen.

Doch zunächst einmal müssen wir hier Cruyff widersprechen. Denn er vermied es, seine Verteidiger und Torhüter zu trainieren – einer seiner berühmten Aussprüche war, dass er lieber 5:4 als 1:0 gewinnt. Für Zuschauer mag dies zwar unterhaltsam sein, doch für den durchschnittlichen Anleger ist dies unserer Ansicht nach etwas zu nervenaufreibend. Wir sind vielmehr davon überzeugt, dass robuste, zuverlässige Anlagen den Kern eines Portfolios bilden sollten. Das kann mitunter bedeuten, dass man in Unternehmen mit eher wenig Wachstumspotenzial, aber auch weniger volatilen Erträgen investiert. Sicher, übertragen auf den Fußball, sind von solchen „Spielern“ nicht viele Tore zu erwarten, doch sie werden wohl auch nicht viele Gegentore zulassen. Basiskonsumgüterwerte wie Nestlé oder qualitativ hochwertige Pharmaunternehmen wie Novo Nordisk passen in dieses Profil.

Danach versuchen wir, diese unerschütterliche Defensive durch ein Mittelfeld aus kreativen, innovativen Akteuren zu ergänzen. Von denen hat Europa viele zu bieten. Zum Beispiel das dänische Unternehmen Ørsted, einen Betreiber von Offshore-Windparks, oder Knorr-Bremse, einen Anbieter von umweltfreundlichen Technologien für den Verkehrssektor. Dassault und Nemetschek wiederum sind aktiv in der Digitalisierung der Industrie. Die Liste lässt sich beliebig fortführen.

Kommen wir nun zur Offensive, dem Stürmer. Eine Position mit veränderlichem Profil, die häufig missverstanden wird. Voraussetzungen für den Erfolg sind hierbei Vielseitigkeit und ein guter Torriecher. Gute Beispiele sind Spaniens Fernando Torres oder aktuell Polens Robert Lewandowski. In Europa gibt es viele Unternehmen mit ähnlichen Eigenschaften: Sie sind noch ziemlich jung, aber wachstumsstark und jagen ihren großen Rivalen Marktanteile ab. Beispiele hierfür sind unseres Erachtens im immer auffälligeren Technologiesektor zu finden, darunter Adyen, ein Anbieter von digitalen Zahlungslösungen für Unternehmen, oder auch Prosus, eine Beteiligungsgesellschaft, die in Internet-Unternehmen investiert.

Abschließende Erwägungen …

Das ist nun also Fondsmanagement nach Art von Johan Cruyff. Doch so kurz vor dem Beginn des Turniers sollten wir vielleicht zum Schluss noch einmal Gary Lineker zu Wort kommen lassen: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“

 

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