Das Jahr hat unsere Erwartungen bereits jetzt weit übertroffen. Die Aktienmärkte haben ihre Rallye fortgesetzt. Allerdings scheint den Märkten allmählich die Puste auszugehen:
Die Handelsvolumina werden weniger und die Kursschwankungen nehmen ab. Das ist kein Wunder, sagt Jean-Marie Mercadal, Head of Investment Strategy bei OFI Asset Management. Einerseits scheint eine Pause nach den bisherigen Kursgewinnen sinnvoll. Andererseits ist es immer schwieriger vorherzusehen, wie es weiter geht. Was ist vom Optimismus der Unternehmen und der sehr vorsichtigen Linie der Zentralbanken, insbesondere der US-Notenbank, zu halten? Was sollen Investoren in dieser Situation am besten tun?
„Vor allem die Unternehmen in den USA sind sehr optimistisch. Bislang haben fast 60 Prozent der S&P 500-Unternehmen ihre Ergebnisse für das erste Quartal vorgelegt. 87 Prozent der befragten Unternehmen haben die Prognosen übertroffen. Das Gewinnwachstum im Jahresvergleich lag bei über 45 Prozent gegenüber den prognostizierten 25 Prozent. Das ist beeindruckend, auch wenn diese Steigerung auch deshalb so hoch ausfällt, weil das Gewinnwachstum 2020 stark gesunken war. Finanzanalysten haben ihre Prognosen entsprechend angehoben. Das Gewinnwachstum für die S&P 500-Unternehmen sollte bei 31 Prozent in diesem Jahr liegen, was 13 Prozent höher ist als im Jahr 2019. Für 2022 wird ein Wachstum von 13 Prozent erwartet. Auch für Europa sind die Aussichten insgesamt sehr gut: Die Gewinnprognosen wurden ebenfalls nach oben korrigiert, und zwar auf 41 Prozent in diesem Jahr und 15 Prozent im nächsten Jahr. In Europa werden wir aber erst im Jahr 2022 das Niveau von 2019 übertreffen.
Keine Alternative zu überhitztem Aktienmarkt
Die Aktienmärkte sind natürlich in Erwartung der sich abzeichnenden Unternehmensgewinne gestiegen. Die dauerhaft niedrigen Zinsen und die Suche der Investoren nach Rendite spielten dabei sicherlich auch eine Rolle. Das aktuelle Paradoxon ist, dass die „implizite“ Rendite des Aktienmarktes (einschließlich Dividenden und Aktienrückkäufe) jetzt höher ist als die von Anleihen! Die europäischen Dividendenrenditen liegen beispielsweise bei etwa 3 Prozent, auch wenn immer mehr Unternehmen Aktienrückkäufe ankündigen. Der S&P 500 wird derzeit mit dem 22,6-fachen des Gewinns von 2021 und dem 20-fachen des Gewinns von 2022 gehandelt (Stand 06.05.2021). Dies ist nach historischen Maßstäben recht hoch und lässt wenig Spielraum für einen weiteren Aufwärtstrend. Der EuroStoxx wird derzeit mit dem 18-fachen der prognostizierten Gewinne für 2021 und dem 16-fachen für 2022 gehandelt, was im historischen Vergleich für diesen Markt ebenfalls recht hoch ist (Stand 06.05.2021). Es macht den gesamten Markt anfällig für höhere Zinsen. Davon abgesehen gibt es angesichts der mangelnden Attraktivität der Rentenmärkte nur wenige Alternativen. Kurzum, wir sehen kurzfristig nicht viel zusätzliches Aufwärtspotenzial an den Aktienmärkten. Wir empfehlen eine ausgewogene Aktienquote, die das Portfolio im Fall einer plötzlichen Korrektur nicht zu weit in die Risikozone drückt und eine Wiederanlage ermöglicht. Es gibt viele potenzielle Katalysatoren für eine Marktkorrektur – die Ankündigung einer Reduzierung der Anleihekäufe durch die Notenbanken (so genanntes „Tapering“) ist nur eine.
Temporäre Inflation
Im Moment bleiben die Fed und die EZB jedoch bei ihrem vorsichtigen Kurs. Sie sind sich einig, dass die höhere Inflation von Faktoren getrieben wird, die im Wesentlichen temporär sind, und dass sie die staatlichen Konjunkturpläne nicht durch eine verfrühte Zinserhöhung untergraben sollten. Unter den derzeitigen Bedingungen ist daher einer Änderung der Leitzinsen bei 0,0 Prozent in den USA und -0,5 Prozent in der Eurozone unwahrscheinlich. Dies wird die Anleiherenditen nicht zu stark ansteigen lassen, obwohl sie natürlich mit der erwarteten Konjunkturbeschleunigung steigen dürften. Wir prognostizieren zum Jahresende eine 10-jährige US-Treasury-Rendite knapp über 2,0 Prozent und eine 10-jährige Bundrendite von etwa 0,00 Prozent. Die Credit Spreads sind insgesamt bereits sehr eng. Es gibt wenig zusätzlichen Spielraum für eine Verengung – weder bei Investmentgrade- noch bei High-Yield. Dennoch wird die Anlageklasse weiterhin durch sehr hohe Zuflüsse, insbesondere durch das Kaufprogramm der EZB, unterstützt.
Tapering wäre keine Überraschung
Wenn Jerome Powell bei seiner vorsichtigen Linie bleibt, könnte dies zu einer Verunsicherung an den Märkten führen, wenn die Inflation die 3-Prozent-Marke überschreitet und mehrere Monate darüber liegt. Eine Ankündigung der Fed im Spätsommer, die Wertpapierkäufe zu reduzieren, wäre allerdings trotzdem keine völlige Überraschung. Wie die Märkte darauf reagieren würden, lässt sich schwer vorhersagen. Die Reaktion auf das Tapering in den Jahren 2013 und 2015 hatte jedenfalls eine durchschlagende Wirkung. Die Anleiherenditen stiegen jedes Mal um etwa 100 bis 150 Basispunkte und die Volatilität nahm zu.“
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