Kommentar von Michael Winkler, Leiter Anlagestrategie bei der St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
An den Aktienmärkten zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Bisher war es vor allem die Geldschwemme der Zentralbanken, welche die Kurse insbesondere in den vergangenen zwölf Monaten zu immer neuen Höchstkursen trieb. Der April hat diese Entwicklung noch einmal eindrucksvoll fortgesetzt und damit seinen Ruf als traditionell guter Börsenmonat bestätigt. So hat der MSCI World seit Anfang April fünf Prozent zugelegt. Aber dieser Höhepunkt markiert zugleich auch eine Wende. So wird es nämlich aller Voraussicht nach nicht weitergehen. Immer mehr Notenbanken fahren ihre Anleihekaufprogramme zurück, erhöhen die Leitzinsen und drosseln damit die Liquiditätszufuhr. Aktuelle Beispiele sind die russische und die kanadische Notenbank, die jetzt beschlossen haben, die Leitzinsen zu erhöhen (Russland) beziehungsweise das Tempo ihrer Anleihekäufe zu verlangsamen (Kanada). Zuvor war schon die Zentralbank der Volksrepublik China einen ähnlichen Weg gegangen.
Paradigmenwechsel von der Liquiditäts- zur Konjunkturhausse
Ist das nun das Ende der Börsenhausse? Nicht unbedingt. Zu Ende geht jetzt allmählich „nur“ die Liquiditätshausse. Stattdessen beginnen die Märkte in eine Phase der Konjunkturhausse einzutreten. Denn die Konjunktursignale in immer mehr Ländern stehen auf grün und zeigen an, dass der Weg aus der ökonomischen Coronakrise begonnen hat. Und je ausgeprägter und kräftiger diese Signale sind, umso eher haben die Zentralbanken die Möglichkeit, den Krisenmodus allmählich zu verlassen, also die Liquiditätszufuhr zur Stützung der Konjunktur herunterzufahren.
Eine solche Übergangsphase kann erfahrungsgemäß holprig verlaufen. Insofern ist mindestens für die nächsten Wochen erst einmal Zurückhaltung geboten. Weitere Höchststände sind vorerst unwahrscheinlich, zumal es nach wie vor zahlreiche Warnsignale gibt, die zwar intakte Trends, aber wie beim MSCI World eben auch Überhitzungen signalisieren. So zeigt die Stimmung unter US-Investoren, dass die strategische Bereitschaft zu Gewinnmitnahmen seit Mitte November 2020 deutlich gestiegen ist.
Inflationsangst deutlich gesunken
Die anziehende Konjunktur geht aktuell nicht mehr mit steigenden Inflationssorgen einher. Im Gegenteil: Die Inflationsangst an den Rentenmärkten hat sich gelegt. So ist der Renditeanstieg bei den 10-jährigen US-Treasuries nicht nur gestoppt. Die Entwicklung ist sogar wieder rückläufig. Lagen die Renditen Anfang April noch bei rund 1,8 Prozent, sind sie mittlerweile wieder auf rund 1,5 Prozent gesunken.
Die weitere Entwicklung wird nun ganz entscheidend davon abhängen, wie sich die Federal Reserve und die EZB zu den Leitzinsen und Anleihekäufen positionieren – und wie dann die Märkte darauf reagieren werden. Insofern ist für Anleger ratsam, im Rahmen ihres Risiko-Rendite-Profils bei ihren Aktieninvestments den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und sich erst einmal etwas weniger offensiv als bisher zu positionieren.
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