Policen Direkt analysiert aktuell veröffentlichte 5. Auflage der Solvenzberichte: Aufsichtsrelevante Solvenzquoten von 82 Lebensversicherern um knapp 10 Prozent zurückgegangen. Nettoquote sinkt um knapp 20 Prozent.
Die für die Aufsicht relevanten Solvenzquoten der deutschen Lebensversicherer liegen im Schnitt bei knapp 390 Prozent und damit knapp 10 Prozent unter dem Vorjahr. 17 Gesellschaften befinden sich jetzt in „enger Manndeckung“ der BaFin (2019: 13). Die Nettoquote ohne bilanzielle Hilfen und Übergangsmaßnahmen liegt knapp 20 Prozent unter dem Vorjahresschnitt. Die Zahl der Unternehmen, die vor sehr großen Herausforderungen steht, ist nahezu unverändert.
„COVID-19 fordert Lebensversicherer auch in ihrer Finanzstabilität. Das erste Krisenjahr hat die Risikopuffer der Gesellschaften deutlich belastet“, sagt Henning Kühl, Leitender Aktuar von Policen Direkt und Versicherungsmathematiker (DAV) mit Blick auf die aktuellen Solvenzquoten.
“Vor allem das weiter gesunkene Zinsniveau hat zu einer Erhöhung der Kapitalanforderungen oder zu einem Rückgang bei den anrechnungsfähigen Eigenmitteln geführt. Das hat Auswirkungen auf die Solvenzquoten.” Die Gesellschaften verzeichnen bei der aufsichtsrelevanten Quote teils deutliche Rückgänge. Zur Sicherung der Finanzstabilität wurden hier auch weitere bilanzielle Hilfen wie Volatilitätsanpassungen oder Übergangsmaßnahmen bei der BaFin beantragt. Gleichzeitig zeigt sich die Branche alarmiert: Man will angesichts der immer noch unklaren Lage schnell auf weitere Änderungen der Finanz- und Risikolage reagieren können.
Versicherer haben laut den zum Stichtag 8. April veröffentlichten Berichten Krisenstäbe gebildet und führen regelmäßig spezielle COVID-Stresstests durch, mitunter setzen sie in ihren Modellen auch Stornoschocks an. Mit derartigen zusätzlichen Berichtsinstrumenten wollen die Unternehmen die Situation fortlaufend analysieren und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen können. Zurückhaltend zeigen sich Versicherer in den SFCR mit Blick auf die Entwicklung des Neugeschäftes. Nur einzelne Versicherer gehen in ihren Solvenzberichten nicht auf die Corona-Krise ein.
Die wichtigsten Zahlen in Kürze
- Aufsichtsrelevante Bruttoquote: 390% (2019: 428%)
- Nettoquote plus Volatilitätsanpassungen (+VA): 234% (2019: 279%)
- Nettoquote: 211% (2019: 256%)
- Mindestanforderung: MCR-Quote Netto 567% (2019: 716%)
- 15 Versicherer mit Nettoquote +VA < 100% (2019: 9)
- 17 Versicherer mit Nettoquote < 100 (2019: 13)
- 13 Versicherer mit Mindestquote (MCR-Netto) < 100 (2019: 7)
- 67 Versicherer haben sich bei der relevanten Nettoquote +VA im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert, 15 verbessert.
- 60 Lebensversicherer (2019: 58) haben bei der BaFin Übergangsmaßnahmen beantragt.
- 67 Lebensversicherer (2019: 59) haben Volatilitätsanpassungen bei der BaFin beantragt.
- Übergangsmaßnahmen verbessern die Quoten im Schnitt um 156 Prozentpunkte (2019:148)
Auf der Solvenzquotenübersicht veröffentlicht Policen Direkt die relevanten Solvenzquoten inklusive Verlinkung zu den Solvenzberichten der Lebensversicherer im Vergleich seit Einführung dieser Transparenzpflicht.
Korridor-Analyse: 21 Unternehmen mit Risikopuffern
Die Analyse der Solvenzquoten ohne Übergangsmaßnahmen mit Volatilitätsanpassungen (Nettoquote +VA) blendet kurzfristige Marktentwicklungen eher aus, weil sie die Volatilitätsanpassungen mit einbezieht. Diese Bilanzierungshilfen berücksichtigen, dass Lebensversicherer ihr Kapital langfristig anlegen und damit kurzfristige Schwankungen und Schocks eher „aussitzen“ können.
Die Solvenzquoten zeigen, dass kleinere Versicherer mit hohem Garantiebestand und diejenigen, die bereits in der Vergangenheit nur mit Übergangsmaßnahmen eine Solvenzquote von über 100 Prozentpunkten erreicht haben, jetzt vor noch größeren Herausforderungen stehen. Wie die Korridor-Analyse verdeutlicht, geht es hier mitunter darum, überhaupt noch Neugeschäft zeichnen zu können. Jüngst hat hier Bafin-Exekutivdirektor Frank Grund darauf hingewiesen, dass hier Versicherer in den nächsten Jahren große Schwierigkeiten bekommen könnten und damit ihre Lizenz für das Neugeschäft riskieren.
- 22 Unternehmen vor großen Herausforderungen (Nettoquote +VA unter 150%)
22 Unternehmen stehen mit einer Solvenzquote ohne Bilanzierungshilfen von unter 150 Prozent (2019: 19) aktuell vor großen Herausforderungen. Hier geht es um bestehende Garantieanforderungen und darum, sich in Zukunft überhaupt noch Neugeschäft leisten zu können.
- 39 Unternehmen weitgehend gerüstet (Netto +VA 150 – 300%)
Bei 39 Unternehmen (2019: 29) mit einer Nettoquote +VA von 150 bis 300 Prozent sieht Kühl die finanzielle Stabilität weitgehend gewährleistet und gerüstet für Extremszenarien. Sie sind in der Lage, den eingegangenen Versprechen auch in Zukunft nachzukommen.
- 21 Unternehmen mit großen Risikopuffern (Netto +VA über 300%)
21 Unternehmen (2019: 36) sind aufgrund ihrer vergleichsweise komfortablen Solvenzkapitalausstattung mit einer Nettoquote +VA von mehr als 300 Prozent sehr gut gewappnet und können weitere Verschärfungen der Lage bewältigen oder im Neugeschäft weitreichende Zusagen geben.
Wie ein Unternehmen letztlich vorhandene Puffer nutzt, ist Teil der Unternehmensstrategie.
Ertragsquellen und Gewinnbeteiligungen geben weitere wichtige Einblicke
Policen Direkt verwaltet rund 12.000 Verträge im Wert von knapp 1 Mrd. Euro. Auch für den nachhaltig erfolgreichen Ankauf von Lebensversicherungen sind die Transparenzdaten deutscher Lebensversicherer extrem wichtig. Neben individueller Vertragsdaten geht es darüber hinaus um die langfristige Sicherheit der Gesellschaften. Da nicht alle Ratings veröffentlichen, greift das Unternehmen auf frei zugängliche Quellen zurück und teilt die Analysen zu den Standmitteilungen, zur laufenden Verzinsung, zur Mindestzuführungsverordnung und zu den Solvenzquoten mit der Öffentlichkeit. „Wir betreiben damit Verbraucherschutz aus Geschäftsinteresse“, erklärt Kühl.
Die Solvenzquoten sind ein wichtiges Signal für die Zukunftsfähigkeit der Lebensversicherer und geben sichere Anhaltspunkte dafür, wie krisenfest die Gesellschaften sind.
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