Marktkommentar von Philipp van Hove Head of Equity Portfolio Management & ESG, Signal Iduna Asset Management GmbH
Auf die Plätze, … fertig, … los? Wer Wettbewerb als Sport begreift, muss dieser Tage feststellen, dass die Europäische Union im Allgemeinen, aber insbesondere Deutschland hinsichtlich der weltweiten Impfkampagne leider immer noch in den Startblöcken zu hängen scheint, während andere Länder bereits dabei sind, ihre Brust über die Ziellinie zu schieben. Das hat Konsequenzen für die jeweiligen Menschen – und für die einzelnen Volkswirtschaften.
Die Börsianer differenzieren dahingehend global bislang nur begrenzt. So steigt der DAX wie der STOXX und der STOXX wie der S&P 500. Die Hoffnung auf ein in Reichweite befindliches glückliches Ende der Pandemie eint die Märkte unisono. Und dass in China und den USA Corona gar kein Thema mehr zu sein scheint bzw. die Quote der (Erst-)Geimpften auf mittlerweile über 25 % gestiegen ist und sich die Inzidenzen stabilisieren, scheint vielen bereits für eine begründete Hoffnung zu reichen.
Mehr Bewegung als der Index zeigt
Das könnte sich unseres Erachtens aber als zu kurz gedacht herausstellen. Denn die Erholung wird in vielen Ländern später einsetzen und die Dauer der staatlichen Hilfsprogramme – so überhaupt finanzierbar – wird verlängert werden müssen. Das erste verzögert die Rückkehr in die wirtschaftliche Normalität, und das andere wird sich noch längerfristig als Belastung herausstellen.
Doch so wenig zwischen den Märkten differenziert wird – unterhalb der Index-Oberflächen hat es seit Jahresbeginn erhebliche Bewegungen gegeben. Im Ergebnis befinden sich die Aktienkurse vieler Energieversorger und Hersteller von Basis-Konsumgütern allerdings wieder auf dem Niveau vom Jahresanfang. Gesucht waren per Saldo stattdessen Zykliker, Ölwerte und Banken – Branchen, die mit einem Plus von 20 % und mehr aufwarten konnten. Als Erklärung konnten teilweise die beiderseits des Atlantiks gestiegenen Zinsen dienen. Denn gerade in den USA lässt die nun steilere Zinskurve die Aussichten vieler Finanzinstitute rosiger scheinen. Umgekehrt mussten viel höher verschuldete Branchen, wie eben die klassischen Energieversorger, aber auch Technologiewerte, deshalb Federn lassen.
Trotz anhaltender Notenbankliquidität wird die Inflation nicht bleiben
Die für die steigenden Zinsen als Begründung herangezogenen Inflationssorgen lassen sich nicht wegdiskutieren. Sicherlich liegen die Raten in diesem Jahr – allein durch Basiseffekte bedingt – höher als in den vergangenen Monaten. Unseres Erachtens ist allerdings weniger von Interesse, ob es nun kurzfristig etwas mehr oder weniger steigende Preisindizes gibt. Entscheidend wird sein, ob wir in ein langfristiges inflationäres Umfeld hineinlaufen – und das sehen wir derzeit nicht.
Deshalb bieten die Indexrotationen unseres Erachtens auch in einem deutlich gestiegenen Marktumfeld gute Einstiegschancen. Gerade Unternehmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen zum Rückgrat einer modernen Industriegesellschaft geworden sind, sollten Interesse auf sich ziehen. Nicht nur, dass es diesen deutlich leichter fällt, etwaige inflationäre Entwicklungen über Preiserhöhungen weiterzugeben. Sie bieten in der Regel auch ein langfristig attraktives Geschäftsmodell.
Im Ergebnis gibt es für uns keinen Grund, den Aktienmärkten den Rücken zuzukehren oder sich auch nur an die Seitenlinie zu stellen. Denn für langfristige Investoren finden sich weiterhin werthaltige Unternehmensbeteiligungen. Zudem bleibt – bei allen Risiken – die wichtigste Grundannahme intakt: EZB wie FED wollen stabile Märkte. Die daraus resultierenden Implikationen müssen einem nicht gefallen. Aber die tradierte Regel „Don’t fight the FED“ zu missachten, ist auch keine Lösung.
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