Kommentar von Witold Bahrke, Seniorstratege bei Nordea Asset Management
Montag der 5.Februar 2018, brachte ein rüdes Erwachen für Anleger: In unguter Erinnerung an den „schwarzen Montag“ des Jahres 1987 erlebten sie dramatische Abverkäufe an den USBörsen, die alle diesjährigen Gewinne vernichteten. Die implizite
Volatilität, d.h. das „Angstbarometer“ der Märkte, verzeichnete den größten jemals gemessenen Tagesanstieg. Noch vor wenigen Tagen war die Stimmung an den Börsen beinahe euphorisch, doch schon innerhalb weniger Handelstage ist davon nichts mehr zu spüren. Wir sehen drei Auslöser für diesen schnellen Stimmungswechsel und ziehen wichtige Lehren für das breitere Marktumfeld des Jahres 2018.
1. Inflationsangst kehrt zurück: Nach Jahren ohne nennenswerte Inflation zeichnete sich zuletzt zumindest ein zyklischer Anstieg der Teuerungsrate ab. Die Stundensätze in den USA erreichten die höchsten Niveaus seit der großen Rezession, und die Lohnstückkosten sind bei gleichzeitig schwacher Produktivität gestiegen. Soll heißen: Die Inflationsängste sind zurückgekehrt. Warum ist dies entscheidend für Aktien? Weil die Löhne den Gewinnzyklus im Unternehmenssektor und damit letztendlich die Realwirtschaft insgesamt wesentlich beeinflussen. Höhere Lohnkosten lassen häufig die Margen der Unternehmen schrumpfen und könnten die Zentralbank zu (überhöhten) Zinsschritten zwingen. Normalerweise wird so das Ende des USKonjunkturzyklus und damit der Aktienrallye eingeläutet.
2. An der Schmerzgrenze: Unter dem Eindruck, dass die Inflation ihren Tiefpunkt überschritten hat und die Zentralbanken die Geldpolitik straffen, sind die Zinsen im Jahr 2018 schnell über ihre bisherigen Handelskorridore hinaus gestiegen. Nach der LehmanInsolvenz befeuerten nicht zuletzt die niedrigen Zinsen die Aktienrallye. Dass steigende Zinsen ein erhebliches Risiko für die Märkte darstellen, ist unbestritten. Bis dato kann aber noch niemand die alles entscheidende Frage beantworten, ab welchem Zinsniveau die Börsen ernsthaft leiden. Die Erfahrung lehrt uns, dass Ausbrüche aus dem ZinsTrendkanal häufig zu Problemen am Aktienmarkt geführt haben. Auch vor dem gestrigen MiniFlashCrash haben die Aktienmärkte bereits Schwäche gezeigt, die Schmerzgrenze ist also vielleicht niedriger, als viele Anleger glauben.
3. Die bekannten Unbekannten: Auch marktspezifische Faktoren spielen eine Rolle. Beachtenswert ist dabei die Rolle der sogenannten „ShortVolatility“Strategien, mit denen Anleger von einer Fortsetzung der beispiellos niedrigen Volatilität profitieren können. Bei der Beurteilung, inwiefern dieser Investmenttrend die Märkte beeinflusst, helfen empirische Beobachtungen kaum weiter, weil „ShortVolatility“ in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Obwohl wir also grundsätzlich wissen, womit wir es zu tun haben, bleibt für Anleger bei dem Versuch, die breiteren Markteffekte zu beurteilen, vieles unklar. Wer auf niedrige Volatilität gesetzt hatte, wurde jedenfalls auf dem falschen Fuß erwischt. Während der hohen Verluste dieser Strategien am Montag stieg die Volatilität entsprechend noch weiter . Zusätzlich spielen bei schnellen Abverkäufen auch technische Faktoren z.B. in Form von Trendfolgestrategien eine Rolle und verstärken die Abwärtsbewegung.
Was haben wir gelernt?
Zunächst einmal müssen wir uns von dem volatilitätsarmen Umfeld der letzten Jahre verabschieden. Wir erwarten vor dem Hintergrund der restriktiveren Geldpolitik einen Regimewechsel hin zu einem strukturellen Volatilitätsanstieg (vergleiche Abbildung 4 im angehängten PDF) und einem niedrigeren RisikoErtragsprofil für Risikopapiere. Zum zweiten geht die Aktienhausse nun womöglich langsam zu Ende, auch wenn wir die wirkliche Trendwende nicht vor Beginn des zweiten Halbjahres 2018 erwarten. Das Wachstum ist immer noch stabil, und wir halten die Inflationsängste mittelfristig für leicht übertrieben. Für den Zenit am Aktienmarkt bedürfte es klarerer Anzeichen, dass die Realwirtschaft unter der strafferen Geldpolitik leidet. Ermutigend ist, dass bisher nur begrenzte Ansteckungseffekte auf andere Anlageklassen zu beobachten sind. Die Anleger im Kreditmarkt haben normalerweise ein ganz besonders gutes Gespür für Rezessionsrisiken, aber die Spreads haben sich im Vergleich mit den USAktienmärkten nur wenig bewegt. Und schließlich sind die relativ neuen Anlagetrends wie „ShortVolatility“Strategien immer noch „bekannte Unbekannte“, können aber die Marktvolatilität in Abwärtsphasen unter Umständen verstärken. Kurz: Es findet ein Regimewechsel statt, die große Trendwende steht aber noch aus.
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