Marktkommentar von Michael Winkler, Leiter Anlagestrategie bei der St.Galler Kantonalbank Deutschland AG

 

Die aktuelle Situation an den Aktienmärkten zeichnet sich durch intakte Aufwärtstrends in den asiatischen und den Technologie-Leitindizes aus. Hinzu kommt eine ausgesprochen optimistische, fast schon aggressive Positionierung internationaler Fondsmanager an den Aktienmärkten. Wachstumsaktien – sogenannte Growth-Titel – dominieren dabei die Wertzuwächse im Gegensatz zu Value-Titeln. Stehen also alle Signale auf grün, und es geht einfach so weiter? Hier ist Vorsicht geboten. So eindeutig, wie sich die aktuelle Lage darzustellen scheint, ist der Blick nach vorne keineswegs. Anleger tun gut daran, ihre Portfolien breit zu diversifizieren und sich von den aktuellen Stimmungen im Markt nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Denn solche mehr oder weniger eindeutigen Stimmungsbilder haben sich in der Vergangenheit oft genug im Nachhinein als Warnzeichen erwiesen.

Aktienmärkte: Asien vor Technologie vor Europa

In den ersten Wochen des neuen Jahres kristallisiert sich bei der Performance der wichtigsten weltweiten Leitindizes eine klare Rangfolge heraus: Asien vor Technologie vor Europa. Die asiatischen Leitindizes verzeichnen Wertzuwächse von bis zu acht Prozent seit Jahresbeginn. Es folgen die US-Indizes mit Werten von aktuell bis zu rund sechs Prozent, wobei dieser Spitzenwert auf den Technologieindex Nasdaq100 entfällt. Die weltweit dominierende Rolle von Technologiewerten zeigt sich auch darin, dass acht der weltweit zehn Unternehmen mit der größten Marktkapitalisierung mittlerweile aus der Technologiebranche stammen. Europa hingegen hinkt mit deutlich geringeren, teilweise sogar leicht negativen Wertzuwächsen bereits wieder hinter Asien und dem Technologiesektor hinterher – ein schon bekanntes Phänomen. Der DAX steht durchaus sinnbildlich dafür: Bei knapp 14.000 Punkten ist vorerst Endstation für die Aufwärtsentwicklung. Seit Jahresbeginn liegt er momentan sogar leicht im Minus.

Wachstumsaktien deutlich gefragter als Value-Titel

Das Licht der Performance-Zuwächse an den Aktienmärkten fällt eindeutig auf die Growth-Titel, also Wachstumswerte. Gemessen am MSCI World Growth und dem MSCI World Value war ihre Outperformance gegenüber den sogenannten Value-Titeln fast ununterbrochen bereits seit 2005 zu beobachten. Im Jahr 2020 hat diese Outperformance nun allerdings neue historische Höchststände erreicht. Ein solch gravierender Unterschied war noch nicht einmal zu den Hochzeiten der Technologieblase um die Jahrtausendwende zu beobachten.

Fondsmanager sind optimistisch

Auch der Blick von Fondsmanagern scheint momentan nur in eine Richtung zu gehen: Nach oben. In der monatlichen „Fund Manager Survey“ der Bank of America haben mehr als 50 Prozent der Befragten Aktien in ihren Portfolios übergewichtet. Die Mehrheit ist so offensiv und risikofreudig in Aktien positioniert wie lange nicht mehr. Diese Werte hängen vermutlich vor allem mit dem schier unbegrenzten Vertrauen in die Unterstützung der Notenbanken zusammen.

Europäische Unternehmensanleihen: Keine weitere Einengung der Risikoaufschläge

Zumindest in Asien und den USA ist die Stimmung an den Aktienmärkten also gut. Und bei den europäischen Hochzins-Unternehmensanleihen scheint sie sich zumindest beruhigt zu haben. Vom Höchststand der Risikoaufschläge gegenüber Staatsanleihen im März 2020 mit mehr als 700 Basispunkten im iTRAXX Crossover ging es mit den Risikoaufschlägen bis Dezember 2020 stetig bergab. Bereits das war ein Zeichen für eine kontinuierliche Beruhigung der Anlegerstimmung. Seitdem scheinen die Aufschläge ihren Boden bei ungefähr 250 Basispunkten gefunden zu haben und liegen nicht mehr weit entfernt von den rund 200 Basispunkten vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Stimmung hat sich also offenbar bis auf Weiteres erst einmal entspannt. Potenzial für weitere Kurszuwächse ist erst einmal nicht zu erkennen, hier dürften daher Gewinnmitnahmen anstehen.

Fazit

Es herrscht viel Optimismus an den Aktienmärkten, und es scheint auf den ersten Blick sehr klar zu sein, worauf Anleger setzen sollten: Growth-Aktien, und dabei vor allem Technologiewerte und Werte aus Asien und den USA. Aber so eindeutig ist es nicht. So haben zum Beispiel auch Value-Aktien nach wie vor einen Platz im Portfolio, natürlich je nach dem individuellen Risiko-Rendite-Profil. Zudem lehren Erfahrungen mit früheren Kapitalmarktentwicklungen: Wenn alle in die gleiche Richtung rennen und glauben, es könne auch nur in dieser Richtung weitergehen, kann es nicht schaden, einen Moment innezuhalten und sich auch auf andere Möglichkeiten einzustellen. Dafür hilft ein breit diversifiziertes Portfolio.

 

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