Mit einem Transaktionsvolumen von ca. 21,7 Mrd. Euro und rund 164.500 Einheiten hat der deutsche gewerbliche Wohninvestmentmarkt* 2020 das zweithöchste Transaktionsvolumen nach 2015 erreicht.
Damit konnte nicht nur das fünfte Jahr in Folge ein Zuwachs am Wohninvestmentmarkt registriert werden, sondern neben dem Plus gegenüber dem Vorjahr (9 %) und dem Fünfjahresdurchschnitt (16 %) auch die Prognose vom Jahresanfang (18,7 Mrd. Euro) übertroffen werden. “Diese hatten wir noch deutlich vor der Covid-19-Krise formuliert, zeigt sich Michael Bender, Head of Residential JLL Germany, vom Gesamtergebnis beeindruckt und ergänzt: “Waren die Anstiege im Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren vor allem durch die gestiegenen Kapitalwerte getrieben, war es in 2020 die gestiegene Zahl der gehandelten Einheiten (+ 26 %), die für Zuwächse im Volumen sorgte.”
Das Gesamttransaktionsvolumen 2020 war zwar maßgeblich von der Übernahme der Adler Real Estate durch Ado Properties (ca. 58.000 WE, 6 Mrd. Euro) sowie einigen weiteren großen Transaktionen wie dem Verkauf von 6.420 Wohneinheiten der Deutsche Wohnen an die LEG (rund 660 Mio. Euro) oder dem Erwerb von 5.060 Einheiten durch die Peach Property Group von Ado/Adler, geprägt. “Bemerkenswert ist aber die Intensivierung des Marktgeschehens, die an der Zunahme der Abschlüsse deutlich wird: Fast 450 Transaktionen und damit 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor und immer noch 7 Prozent mehr als im Fünfjahresschnitt mit dem Rekordjahr 2015”, so Bender.
“Die Regel eines starken vierten Quartals im Laufe eines Jahres hat auch 2020 Gültigkeit. Mit 5,2 Mrd. Euro (rund 33.100 Einheiten) floss deutlich mehr Kapital als in den beiden vorangegangenen Quartalen (53 Prozent über deren Durchschnitt). Wie die ersten drei Monate konnten die letzten drei maßgeblich zum finalen Jahresabschluss beitragen und markieren deutlich den Aufholbedarf zum Ende eines turbulenten Jahres”, stellt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, fest.
Was sind die Gründe für die gute Performance eines Jahres, das deutlich geprägt war von Covid-19, dessen Ergebnis aber nicht allein auf das Virus und seine Folgen zurückzuführen ist?
“Corona hat bereits vorher zu beobachtende Tendenzen verstärkt – oder gänzlich neue Aspekte hinzugefügt”, so Michael Bender. Der Wohnungsexperte weiter: “Waren Anlagealternativen im Lichte des Niedrigzinsumfelds des vergangenen Jahrzehnts schon rar, so hat die große Menge an zusätzlicher Liquidität, die dem Markt im Rahmen der Notfallprogramme von Regierungen und Zentralbanken im Zuge der Covid-19-Krise zur Verfügung gestellt wurden, dafür gesorgt, dass die institutionelle Nachfrage nach Alternativen zu etablierten Produkten nicht abgerissen ist. Wohnimmobilien gelten als attraktiv durch stabile und planbare Cashflows.”
Auch wenn der Großteil des in Wohnimmobilien fließenden Kapitals in 2020 weiterhin von inländischen Investoren kommt, hat der Anteil internationaler Investoren zugenommen. Selbst ohne den genannten Megadeal, mit dem der Anteil bei 46 Prozent liegt, entfallen 25 Prozent auf internationale Investoren, mehr als 2019 und mehr als im Fünfjahresdurchschnitt.
“Das erhöhte Interesse ist auch in Coronazeiten nicht überraschend. Niedrige Mietausfallsquoten, stabile Erträge und langfristige Wachstumspotentiale. Der Wohninvestmentmarkt konnte mit seinem defensiven Risikoprofil in Krisenzeiten punkten”, erklärt Michael Bender und ergänzt einen anderen Aspekt: “Durch die unmittelbaren strukturellen Veränderungen im Zuge von Covid-19 auf dem Arbeitsmarkt, etwa durch vermehrte Nutzung von Home-Office, hat sich das Bewusstsein für das Konsumgut Wohnen verändert. Zusammen mit der hohen Resilienz der Assetklasse war das ein weiterer Grund für die Verlagerung und Zunahme der Nachfrage im Wohnsegment.”
Auf Käuferseite konnten die Spezialfonds mit einem Volumen von etwa 1,68 Mrd. Euro ihr Vermögen in 2020 am stärksten ausbauen, dicht gefolgt von den Asset/Fonds Managern (1,14 Mrd. Euro) und den kommunalen, gemeinnützigen Wohnungsunternehmen (846 Mio. Euro). “Besonders bemerkenswert ist der erstarkte Sekundärmarkt. In den letzten 10 Jahren haben Offene und Spezialfonds rund 23,3 Mrd. Euro in Wohnimmobilien investiert, davon allein über 60 Prozent seit 2017”, so Chefresearcher Scheunemann.
Auch 2021 wird die Covid-19 Krise mittelbar und unmittelbar das Geschehen am Wohninvestmentmarkt mitbestimmen.
I Die expansive Geldpolitik wird die institutionelle Nachfrage nach Wohninvestments noch auf unabsehbare Zeit befeuern: “Einerseits dürften sich viele Investoren nach der Kommunikation der Europäischen Zentralbank, die Notkaufprogramme trotz des Starts des Impfprogramms auch in Zukunft fortzusetzen, in ihrem verstärkten Engagement in Sachwerte bestätigt sehen. Zum anderen passt die Assetklasse Wohnen mit ihrem defensiven Profil, den stabilen Erträgen und dem langfristigen Potenzial auch auf der Angebotsseite ideal zum Profil der aktuellen Investorensuche”, sagt Helge Scheunemann und fügt hinzu: “Insofern ist von anhaltender Attraktivität der Assetklasse Wohnen auszugehen.”
II Märkte und Objekte mit stabiler Rendite sind besonders gefragt: Der seit Jahren anhaltende Anstieg der Kapitalwerte als Folge der Preisinflation in Verbindung mit teilregulierten Mieten hat die Ankaufsrenditen deutlich gedrückt. “Der Spread zu Anlagealternativen mit ähnlichem strukturiertem Profil, wie etwa Staatsanleihen, und damit das Interesse an Wohninvestments bleibt zwar bestehen, allerdings wird dadurch auch der Risikospielraum im Assetmanagement kleiner”, beschreibt Michael Bender die Situation und ergänzt: “In der Konsequenz bedeutet dies, dass in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit regionale Core+/Core-Märkte bzw. -Objekte besonders gefragt sind, auch wenn sich die Marktakteure hinsichtlich des Produkttyps und des Investitionsvolumens deutlich flexibler zeigen. So dürfen es neben klassischen Mehrfamilienhäusern und Wohnanlagen auch mal andere Wohntypologien wie beispielsweise Reihenhäuser oder Investments mit kleinerem Volumen sein. Ein Trend, der sich aus unserer Sicht auch im Jahr 2021 erst einmal fortsetzen wird.”
III Die Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen bleibt hoch: “Wir befinden uns derzeit in einem Investitionsumfeld, das verlässliche Rahmenbedingungen und Leitplanken durch die Politik im Markt notwendig macht. Auch wenn aktuell im Spannungsfeld zwischen Investitionsdruck und wohnungspolitischer Unsicherheit die Chancen auf dem Wohninvestmentmarkt die Oberhand behalten, werden die anhaltenden wohnungspolitischen Eingriffe auch in naher Zukunft für regulatorische Unsicherheit sorgen”, so Scheunemann. Während beispielsweise in Berlin noch der Ausgang der laufenden Überprüfung der Berliner Mietobergrenze durch das Bundesverfassungsgericht abgewartet wird, werden bereits Stimmen für eine bundesweite Einführung lauter.
IV Regionale Verschiebungen in der Wohnraumnachfrage bieten Opportunitäten: Die Covid-19-Krise hat die Präferenzen der Wohnraumnachfrage verändert. Dieser Trend ist auch mit räumlichen Verschiebungen verknüpft, die den institutionellen Blick auf neue und/oder erweiterte regionale Märkte lenken. “Investitionsschwerpunkte sind vor allem die deutschen Ballungszentren. Der Berliner Transaktionsmarkt konnte sich noch weiter von den anderen Städten absetzen und kommt auf einen Anteil von 18 Prozent (4 Mrd. Euro) am gesamten deutschlandweiten Transaktionsvolumens. Mit deutlichem Abstand folgen Hamburg mit 6 Prozent (1,2 Mrd. Euro) und Frankfurt am Main mit 5 Prozent (1,1 Mrd. Euro)”, führt Michael Bender aus und ergänzt: “In 2021 werden sich die Grenzen der Ballungszentren weiter in die Peripherie verschieben und dadurch auch neue Märkte attraktiver werden.”
V Flexibilität und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger:Auch auf Seiten der institutionellen Investoren sind Veränderungen in der Nachfrage zu erkennen, die aus der direkten Erfahrung der Krise resultieren. Bei Immobilien im Neubau wird verstärkt darauf geachtet, dass diese die Fähigkeit haben, sich zukünftig an Marktveränderungen noch flexibler anzupassen. “Neben der Flexibilität hält auch das Thema soziale und ökologische Nachhaltigkeit (kurz: ESG) zunehmend Einzug in die Wohnungswirtschaft. Politische Bestrebungen, wie der ‘Green Deal’ auf europäischer Ebene, eine höhere Sensibilität auf der Verbraucherseite und eine zunehmende Relevanz entsprechender Zertifizierungen eröffnen auch institutionellen Investoren neue Möglichkeiten”, so Helge Scheunemann und Michael Bender ergänzt: “Es bleibt abzuwarten, wie genau sich das Kriterium der Nachhaltigkeit in Zukunft in das gewohnte Risiko-Rendite-Paradigma einfügen wird. Der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit wurde jedoch bereits als ein zentraler Schlüssel zur Erzielung langfristig stabiler Cashflows identifiziert und gerade dieser Aspekt konnte im Zuge der Krise eine besonders hohe Priorität verzeichnen.”
Michael Bender abschließend: “Insgesamt lässt sich also festhalten, dass indirekte und direkte Effekte nicht nur kurzfristig das Geschehen am Markt beeinflussen werden, sondern dass die Erfahrungen der Krise das Interesse an Wohninvestments nachhaltig verändert haben. Angesichts dieser Entwicklungen erwarten wir für das Jahr 2021 eine ähnliche Anzahl von Deals auf dem institutionellen Wohninvestmentmarkt wie im vergangenen Jahr. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Großteil im Segment der kleineren und mittelgroßen Deals liegen wird, so dass das Transaktionsvolumen in etwa auf dem Fünfjahresdurchschnitt von rund 19 Mrd. Euro liegen dürfte.”
* Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens 10 WE und 75 Prozent Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge
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