Notenbanken sollen staatliche Altschulden erlassen

 

Nur Schulden helfen den Volkswirtschaften durch die Corona-Krise. Die Regierungen seien dabei gefragt, meint Jens Ehrhardt im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Capital (Ausgabe 12/20, EVT: 19.11.2020). Sie müssten investieren, damit die Konjunktur wieder anspringt. “Meiner Meinung nach wäre es völlig falsch, gleich wieder auf Bilanzausgleich zu achten, die Ausgaben zu reduzieren und die Steuern zu erhöhen”, sagte der Gründer und Chef der Vermögensverwaltung DJE Capital. Wenn jetzt gespart würde, wäre das eine größere Gefahr als die Schuldenlast. Massenarbeitslosigkeit und eine große Rezession könnten die Folgen sein. Die Notenbanken könnten nicht mehr viel zur Krisenbewältigung beisteuern, als sie im Laufe des Jahres bereits getan hätten. Ehrhardt hält den Markt derzeit sogar für mit Liquidität überversorgt. “Ich glaube, ein weiteres Anleihen-Kaufprogramm würde verpuffen.”

Vor allem in Europa und Deutschland sieht Ehrhardt Nachholbedarf. Hier bremsten sowohl die Schuldendisziplin wie der starke Euro die Konjunktur seit Dekaden. Das rächt sich in der Krise: “Deshalb konnten die Unternehmen gewinnmäßig keinen Speck ansetzen und sind geschwächt in die Corona-Krise reingerauscht,” sagte Ehrhardt. In den USA, wo bereits im vergangenen Jahr mit einem Defizit von fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts gewirtschaftet und Anreize in Form von Steuererleichterungen geschaffen wurden, seien die Unternehmen unterm Strich robuster aufgestellt.

In Folge müssten besonders europäische Länder früher von den Auswirkungen der Viruskrise betroffenen Unternehmen helfen, notfalls sogar über eine Beteiligung, wie es bei der Lufthansa geschehen ist. Das verzerrt auf Dauer den freien Markt. “Da jede Krise der staatlichen Lenkung mehr Gewicht verschafft, schalten wir die Marktwirtschaft zunehmend aus,” warnt Ehrhardt. Um den Teufelskreis zu lösen und zugleich einer Schuldenkrise vorzubeugen, schlägt Ehrhardt vor, Altschulden zu erlassen, um ein Mindestmaß an Marktwirtschaft zu retten.

Jens Ehrhardt gilt als einer der erfahrensten deutschen Finanzexperten. Der 78-Jährige gründete 1974 die Vermögensverwaltung DJE Capital AG, die heute mit 150 Mitarbeitern und 13 Mrd. Euro verwaltetem Vermögen der drittgrößte Asset Manager in Deutschland ist.

 

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