Beitrag von Axel D. Angermann, FERI

 

Der jetzt in Kraft getretene „Lockdown light“ für den Monat November wird die wirtschaftliche Erholung in den nächsten zwei Quartalen zwar empfindlich stören, jedoch nicht so starke Ausirkungen haben wie der Lockdown vom Frühjahr. Zum einen bleiben diesmal die Geschäfte offen – Einzelhandel und auch Autokäufe sind also weiterhin möglich. Zum anderen befindet sich die Industrie auf einem soliden Erholungskurs, der allerdings durch schlechtere Aussichten für Exporte in den umliegenden Euroraum bedroht ist. Die Exporte insbesondere nach China sollten dagegen weiter von der dortigen dynamischen Erholung profitieren. Eindeutig negativ wird der „Lockdown light“ jedoch auf den privaten Konsum wirken. Normalerweise entfallen mehr als 20 Prozent der privaten Konsumausgaben in Deutschland auf die von den neuerlichen Einschränkungen besonders betroffenen Bereiche Gaststätten- und Hotelgewerbe, Freizeit und Kultur sowie Teile des Transportwesens wie Busreisen, aber auch Kraftstoffe. Wenn in diesen Bereichen für einen Monat kaum Geld umgesetzt werden kann, ist im vierten Quartal mit einem deutlich sinkenden privaten Konsum und infolge dessen auch mit einer insgesamt schrumpfenden Wirtschaftsleistung zu rechnen.

Im besten Fall setzt sich die Erholung fort

Wenn es gelingt, mit den jetzt ergriffenen Maßnahmen das Pandemiegeschehen wieder unter Kontrolle zu bringen, dürfte die Wirtschaft in Deutschland trotz „Lockdown light“ grundsätzlich auf Erholungskurs bleiben. Die Erholung wird allerdings auch im ersten Quartal 2021 aufgrund absehbar anhaltender Belastungen durch die Pandemiebekämpfung sehr moderat verlaufen. Erst ab dem zweiten Quartal 2021 ist mit einer höheren Dynamik zu rechnen. Insgesamt erwarten wir deshalb für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2021 ein schwächeres Wachstum von rund 3 Prozent (Annahme bisher: 4,4 Prozent). Dafür dürfte die Wirtschaftsleistung dann aber im Jahr 2022 um weitere 4,4 Prozent zulegen und Mitte des Jahres 2022 das Ausgangsniveau von Ende 2019 wieder erreichen.

Sorge vor wirtschaftlichem Kollateralschaden

Ein grundlegend schlechteres Bild ergäbe sich, wenn das Infektionsgeschehen mit den aktuellen Maßnahmen nicht unter Kontrolle gebracht werden kann oder im Laufe des ersten Quartals 2021 nochmals ein drastischer Lockdown erforderlich werden sollte. In diesem Falle drohen eine deutliche Zunahme an Insolvenzen und ein erneuter Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Wirtschaftsleistung würde dann nicht nur im ersten Quartal zurückgehen, sondern sich auch danach nur sehr zögerlich erholen. Die Folge wäre, dass die deutsche Wirtschaft dann auch im Jahr 2021 insgesamt nochmals schrumpfen würde. Ein Wiedererreichen des Ausgangsniveaus wäre bis Ende des Jahres 2022 nicht abzusehen. Deshalb ist sehr zu hoffen, dass die Politik in den kommenden Wochen eine Strategie findet, die Pandemie zielgerichtet so zu bekämpfen, dass sowohl neue Infektionswellen als auch nachhaltige Schäden für die Gesamtwirtschaft ausgeschlossen sind.

Über Axel D. Angermann

Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte. Diese Daten bilden die Grundlage für die strategische Ausrichtung der Vermögensanlagen der FERI. Angermann verantwortet seit 2008 die von FERI erstellten Analysen und Prognosen für die Gesamtwirtschaft sowie einzelne Branchen. 2002 trat er als Branchenanalyst in das Unternehmen ein. Seine berufliche Karriere begann beim Max-Planck-Institut für Ökonomie und beim Verband der chemischen Industrie. Angermann studierte Volkswirtschaftslehre in Berlin und Bayreuth.

 

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