Nachdem es sich in den letzten Wochen leider bereits angebahnt hat und in den letzten Tagen erwartbar gewesen ist, ist es nun leider soweit und wir bekommen einen erneuten Lockdown ab Montag.
Wir sind in den letzten Tagen sowohl von Maklerseite als auch von Seiten der betroffenen Mandanten in vielfachen Telefonaten und zahlreichen Mails gefragt worden, was dies jetzt im Hinblick auf die Betriebsschließungsversicherung bedeutet, ob diese im jetzt bevorstehenden Lockdown noch einmal leisten muss, wie man sich verhalten soll etc.
Aufgrund dieser zahlreichen Anfragen der letzten Tage haben wir uns entschlossen, zu den wichtigsten an uns gestellten Fragen die sich momentan offensichtlich sowohl viele Makler als auch viele Betroffene stellen, nachfolgend kurz stichpunktartig Stellung zu nehmen, um Ihnen ein Gefühl für die Situation und die möglicherweise zu beachtenden Dinge zu vermitteln. Natürlich können wir dabei nicht alle Fragen und Einzelfälle berücksichtigen. Diese sind dann telefonisch oder per Mail im Einzelnen zu klären, wofür wir Ihnen sowie Ihren Kunden selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung stehe.
- Bisherige Entwicklung – Stand der Rechtsprechung
In den letzten Monaten hat sich immer stärker herauskristallisiert, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen die meisten Betriebsschließungsversicherungen aufgrund der allgemeinen behördlichen Anordnungen wegen Covid-19 im März 2020 die bereits erfolgten Betriebsschließungen umfassen dürften und dass die Versicherer wohl verpflichtet sind, die aufgrund der eingetretenen Versicherungsfälle zu regulierenden Schäden zu ersetzen.
Nachdem die Versicherer sich auf breiter Front zusammengeschlossen haben um die Schadenregulierung kollektiv zu verweigern, gibt es nunmehr erste Rechtsprechung zur Thematik die bestätigt, dass die Versicherer in der Regel zur Schadenregulierung verpflichtet sein dürften.
Momentan gibt es erst relativ wenige Urteile in Sachen Betriebsschließungsversicherung aus denen sich allgemeingültige Aussagen für die zu erwartende weitere Rechtsprechung in Sachen Betriebsschließungsversicherung ergeben.
Es gibt einige Urteile/Beschlüsse in einstweiligen Verfügungsverfahren in denen die Kläger versucht haben eine Entscheidung gegen die Versicherung im einstweiligen Rechtsschutz herbeizuführen. Diese Verfahren sind nach meiner Kenntnis alle von den Gerichten negativ beschieden worden, da es bereits am Interesse des jeweiligen Antragstellers für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gefehlt hat. Die Kläger sind auf ein ganz normales Klageverfahren verwiesen worden. Mit Ausnahme des bekannten Urteils des LG Darmstadt vom 29.04.2020 haben sich die Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz mit den wirklich relevanten Fragen inhaltlich entweder gar nicht oder kaum auseinandergesetzt, so dass hier inhaltlich – vom Urteil des Landgerichts Darmstadt abgesehen – kein großer juristischer Erkenntnisgewinn möglich gewesen ist.
So ging es bei dem in der Presse zum Zwecke der Meinungsbeeinflussung immer wieder angeführten Beschluss des OLG Hamm 20 W 21/20, Beschluss vom 15.07.2020, ebenfalls um ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei dem der Antrag bereits mangels fehlenden Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen war. Auf die Frage, ob Covid 19 im dort zu behandelnden Fall versichert ist oder nicht, ist das OLG nur am Rande mit einem einzelnen Absatz im Rahmen einer flüchtigen summarischen Prüfung eingegangen, und zwar erkennbar ohne sich inhaltlich damit weiter auseinanderzusetzen. Dieser insgesamt nur zwei Seiten umfassende Beschluss bringt keinen inhaltlichen Erkenntnisgewinn.
In den ersten Hauptsacheverfahren liegen mittlerweile einige wenige Urteile vor. Nach meiner Kenntnis sind in den mir inhaltlich bekannten vier Verfahren zwei Klagen abgewiesen worden und zwei Klagen hatten Erfolg. In einigen anderen Verfahren hat die jeweils betroffene Versicherungsgesellschaft kurz vor Urteilsverkündung leider mit den jeweiligen Klägern einen Vergleich mit Stillschweigensklausel geschlossen, um negative Urteile zu verhindern.
Urteile in Hauptsacheverfahren:
- LG Ellwangen 3 O 187/20, Urteil vom 17.09.2020 – die Klage gegen die Helvetia ist abgewiesen worden. Der Kläger hat es im dortigen Verfahren möglicherweise versäumt, darzulegen, dass die Klausel mit der Aufzählung der Krankheiten unwirksam ist, da sie einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält. Da der Kläger dies offensichtlich nicht vorgetragen hat, durfte das Gericht dies auch nicht prüfen. Das Gericht hat im Zivilprozess allein den Vortrag der Parteien rechtlich zu bewerten und darf nicht eigenständig darüber hinausgehen, um einer der Parteien zu helfen. Das Urteil ist in der Sache deshalb nicht zu beanstanden.
- LG München I 12 O 7208/20, Urteil vom 17.09.2020 – die Klage gegen die Versicherung ist abgewiesen worden, da die Klägerin – eine Kindertagesstätte in München – nicht geschlossen gewesen ist und es damit bereits an einer behördlichen Betriebsschließung gefehlt hat. Auch dieses Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- LG München I 12 O 5895/20, Urteil vom 01.10.2020 – das Gericht hat der Klage stattgegeben und die Versicherung (Versicherungskammer Bayern) zur Regulierung des Betriebsschließungsschadens verurteilt. Das Gericht hat in dem 30-seitigen Urteil umfänglich dargelegt und rechtlich sauber begründet, weshalb der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen durch Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung geschlossen gewesen ist und dass die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel mit der Auflistung der Krankheiten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält und unwirksam ist, weil die Auflistung der Krankheiten in den Versicherungsbedingungen trotz Bezugnahme auf den Inhalt des Gesetzes inhaltlich von diesem abweicht. Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass Kurzarbeitergeld sowie Überbrückungshilfen und Soforthilfen nicht schadenmindernd anzurechnen sind.
- LG München I 12 O 5868/20, Urteil vom 22.10.2020 – das Gericht hat auch hier der Klägerin Recht gegeben und die Versicherung (Die Haftpflichtkasse VVaG) zur Regulierung des Betriebsschließungsschaden verurteilt. Das Gericht hat in dem 28-seitigen Urteil erneut umfänglich mit sauberer rechtlicher Begründung dargelegt, weshalb auch dieser Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen durch Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung geschlossen gewesen ist und dass auch die in den Versicherungsbedingungen der Haftpflichtkasse VVaG enthaltene Klausel der Auflistung der Krankheiten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält und unwirksam ist, weil die Auflistung in den Versicherungsbedingungen trotz Bezugnahme auf das Gesetz inhaltlich vom Gesetz abweicht. Auch hier hat das Gericht festgestellt, dass Kurzarbeitergeld sowie Überbrückungshilfen und Soforthilfen nicht schadenmindernd anzurechnen sind.
Damit teilt das Landgericht München I die von uns zuvor bereits vertretene und publizierte Rechtsauffassung hinsichtlich der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit der Klauseln mit der Auflistung der Krankheiten sowie auch die anderen von mir vertretenen Rechtsauffassungen in den beiden letztgenannten Entscheidungen. Die beiden zuvor genannten Entscheidungen stehen dem nicht entgegen, da sich das Gericht dort – wie kurz aufgezeigt – mit anderen Rechtsfragen auseinanderzusetzen hatte bzw. die Klagen aus ganz anderen Gründen gescheitert sind.
Bei genauerer Betrachtung der bisher uns bekannten Rechtsprechung lässt sich bisher also ein in sich schlüssiges Bild erkennen. Auch wenn die Urteile aus verschiedenen Gründen unterschiedlich ausfallen, ist doch festzustellen, dass die Argumentationslinien der Gerichte sich gleichen. Es ist deshalb durchaus gut möglich, dass die Rechtsprechung auf breiter Linie den beiden Urteilen des LG München I folgen wird. Allerdings gehe ich davon aus, dass Versicherungen jetzt aus prozesstaktischen Gründen vermehrt versuchen könnten weitere Urteile, die für sie negativ auszugehen drohen, kurz vor Urteilsverkündung durch entsprechende Vergleiche mit den Klägern samt entsprechender Stillschweigensklauseln zu verhindern, während sie Prozesse, in denen die Klagen möglicherweise aus ganz anderen Gründen abgewiesen werden oder einzelne Richter eine andere Rechtsauffassung vertreten, forcieren werden, um danach darauf hinzuweisen, in welchen Verfahren die Klagen überall abgewiesen worden sind. Dass die Klagen in diesen Verfahren möglicherweise aus ganz anderen Gründen abgewiesen worden sind, könnte dabei versehentlich in Vergessenheit geraten. Bei dieser sowohl aus dem Diesel-Skandal als auch den Kapitalanlage- und Bankenskandalen der Vergangenheit bekannten Prozesstaktik in Massenverfahren geht es vor allem darum, die öffentliche Meinung in der Presse sowie auch bei Gericht zu beeinflussen und möglichst viele Geschädigte bzw. Betroffene zu verunsichern und davon abzuhalten ebenfalls ihre Rechte geltend zu machen und notfalls zu klagen. Jedenfalls so lange, bis Verjährung eingetreten ist.
Natürlich können wir die Entwicklung der Rechtsprechung letztlich nicht vorhersehen und weise deshalb an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsprechung sich anders entwickelt als von mir erwartet und bisher geschehen. Ich kann deshalb für meine Einschätzung der Rechtslage und der zukünftigen Entwicklung der Rechtsprechung keine Haftung übernehmen. Es handelt sich hier lediglich um meine persönliche Einschätzung auf Grundlage der mir bisher bekannten der bisherigen Entwicklung.
- Was folgt daraus für den erneuten Lockdown und was ist zu beachten?
- Muss die Versicherung bei einer erneuten behördlichen Anordnung der Betriebsschließung durch Allgemeinverfügung oder Verordnung erneut leisten?
Nach vorherstehenden Ausführungen gehe ich davon aus, dass eine Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung zur Verhinderung der Verbreitung des Covid-19 vom Versicherungsschutz fast aller Betriebsschließungsversicherungen umfasst ist. Der erste im März eingetretene Versicherungsfall ist bei den meisten Betrieben abgeschlossen, nachdem diese zwischenzeitlich wieder öffnen durften und geöffnet hatten.
Bei der erneuten behördlichen Anordnung der Betriebsschließung durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung handelt es sich demnach um einen neuen Versicherungsfall.
Hier ist zu beachten, dass der Versicherungsnehmer den Eintritt dieses neuen Schadenfalles der Versicherung dann ebenso zu melden hat, wie den ersten Schadenfall im März. Es besteht eine erneute Anzeigeobliegenheit!
- Voraussetzung – Bestehen des Versicherungsvertrages im Zeitpunkt des Schadens
Voraussetzung für den Eintritt eines weiteren Versicherungsfalles ist, dass der Versicherungsvertrag im Zeitpunkt des Eintritts des Schadenfalles – also am 02.11.2020 – noch besteht.
- a) Problematik der Sonderkündigung gem. § 92 VVG
Dies setzt voraus, dass die Versicherung nach Eintritt des ersten Versicherungsfalls im März nicht von ihrem Sonderkündigungsrecht gem. § 92 VVG Gebrauch gemacht hat. Das ist – zumindest soweit mir dies bekannt ist – auf breiter Front nicht der Fall, da die Versicherungen dann ja den Eintritt des Versicherungsfalles damals hätten eingestehen müssen. Denn nur der Eintritt des Versicherungsfalles berechtigt zur Kündigung nach § 92 VVG.
Soweit vereinzelt Versicherungen eine Kündigung nach § 92 VVG ausgesprochen haben, im Rahmen derer sie aber ausdrücklich noch einmal festgestellt haben, dass ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei, sondern lediglich ein Schaden gemeldet worden sei und man allein aufgrund der Schadenmeldung, ohne dass ein Versicherungsfall vorliege, vom Sonderkündigungsrecht nach § 92 VVG Gebrauch mache, so spricht vieles dafür, dass diese Kündigungen unwirksam sind. In einigen Fällen hat die kündigende Versicherung zudem die gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsfrist von einem Monat nicht eingehalten, sondern mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen zu kündigen versucht. Ob der Versicherungsvertrag hier noch besteht oder wirksam gekündigt worden ist, ist im Einzelfall zu klären.
- b) Vorzeitige Vertragsaufhebung und Abschluss eines neuen Vertrages
Einzelne Versicherer haben offensichtlich in den letzten Wochen das Problem einer möglichen erneuten Leistungsverpflichtung erkannt und versuchen mit den Kunden unter einvernehmlicher Aufhebung des alten Vertrages neue Betriebsschließungsversicherungsverträge abzuschließen. Dieser Versuch ist wohl dem Umstand geschuldet, dass der Versicherer damit zu vermeiden versucht, im Falle des Eintritts eines weiteren Schadenfalles im Zuge eines erneuten Lockdowns erneut leisten zu müssen. Hier ist Vorsicht geboten. Entscheidend ist der Zeitpunkt zu welchem der bestehende Vertrag aufgehoben werden soll. Wird der Vertrag hier vorzeitig einvernehmlich verändert, besteht das Risiko, dass durch eine solche Vertragsveränderung für den zweiten jetzt bevorstehenden Lockdown dann kein Versicherungsschutz mehr besteht, wenn die Vertragsänderung für einen Zeitpunkt vor dem Eintritt des neuen Versicherungsfalles – in diesem Fall am 02.11.2020 – vertraglich vereinbart wird.
Soweit der Versicherungsvertrag im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch besteht ist der neue Schaden zu melden und dann, soweit er vom Versicherungsschutz umfasst ist, grundsätzlich ebenfalls von der Versicherung zu regulieren.
- Leistungsbeschränkungsklauseln im Versicherungsvertrag
Eine ganze Reihe von Betriebsschließungsversicherungen enthalten Klauseln in denen sinngemäß geregelt ist, dass die Versicherung im Rahmen eines zweiten Schadenfalles durch die behördliche Anordnung der Betriebsschließung wegen der gleichen Umstände möglicherweise nicht erneut leisten muss.
Die Versicherungsbedingungen sind hier oft völlig unklar. Es wird zum Beispiel ausgeführt:
„Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Teil E, Ziffer 2.1. zu leistende einschlägige Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“ (Versicherungsbedingungen der Alte Leipziger Versicherung AG)
Es stellt sich die Frage, was dies bedeutet? Die Versicherung wird sich bei erneuten Betriebsschließungen aufgrund behördlicher Anordnungen auf Grundlage des IfSG im Rahmen des bevorstehenden zweiten Lockdowns wahrscheinlich auf diese Klausel berufen und argumentieren, dass aufgrund dieser Versicherungsklausel eine erneute Schadenregulierung nicht geschuldet ist.
Ich halte diese Klausel für möglicherweise unwirksam, da auch sie einer AGB-rechtlichen Prüfung m.E. eher nicht standhält. Die Klausel ist meines Erachtens völlig unklar und damit intransparent. Es ist schon unklar auf welchen Zeitraum sich ein Ausschluss der Versicherungsleistung bei mehrmaliger Anordnung der von der Versicherung gedeckten Maßnahmen beziehen soll. Soll dies auch gelten, wenn zum Beispiel ein Betrieb im Abstand von 10 Jahren aufgrund der gleichen Umstände von der Behörde zweimal geschlossen wird?
Nach dem Wortlaut der Klausel ist dies möglicherweise der Fall. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird dies hingegen nicht so verstehen. Allein dieses kleine Beispiel zeigt, dass die Klausel völlig unscharf und damit intransparent ist. Auch inhaltlich ist nicht erkennbar, was überhaupt die Anordnung aufgrund „gleicher Umstände“ bedeuten soll. Was genau sind gleiche Umstände? Auch hier kann jeder verstehen was er möchte. Man kann die Klausel aufgrund ihres unscharfen Wortlautes zu Gunsten der Versicherung fast beliebig weit auslegen, was zur Unwirksamkeit der Klausel führen könnte. Wie die Rechtsprechung dies später beurteilen wird, kann ich naturgemäß nicht vorhersehen.
Soweit der konkrete Betriebsschließungsversicherungsvertrag eine solche Klausel nicht enthält, stellt sich an dieser Stelle natürlich auch kein Problem. Enthält er eine solche Klausel, so sollte der neu eintretende Schadenfall der Versicherung gegenüber trotzdem ordnungsgemäß gemeldet und geltend gemacht werden. Es wird dann später zu klären sein, ob die entsprechende Klausel im Versicherungsvertrag überhaupt Anwendung findet und falls ja, ob sie wirksam ist oder ob die Klausel unwirksam ist und die Versicherung deshalb auch für diesen weiteren Schadenfall leisten muss.
- Bereits geschlossene Vergleiche aufgrund des ersten Schadenfalles
Zahlreiche Betroffene haben die ihnen auf Grundlage der sogenannten „Bayerischen Lösung“ angebotenen Abfindungsvereinbarungen angenommen, nachdem Ihnen die Versicherung zuvor in der mit dem Abfindungsangebot zusammen übersandten Regulierungsablehnung erklärt hat, dass kein Versicherungsfall vorliegt und die Versicherung nicht zur Leistung verpflichtet ist. Man sei jedoch unabhängig von einer nicht bestehenden Leistungspflicht bereit, im Rahmen der „bayerischen Lösung“ bei Abschluss einer entsprechenden Abfindungsvereinbarung eine Kulanzzahlung zu leisten. Oft ist dabei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der Kulanzleistung nicht um ein Teil des zu regulierenden Schadens handelt. In vielen der Abfindungsvereinbarungen ist weiter geregelt, dass mit Abschluss der Abfindungsvereinbarung auch alle zukünftigen Ansprüche des Betroffenen auf weitere Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit Covid-19 erledigt bzw. ausgeschlossen sein sollen.
Dies würde für den zweiten nun bevorstehenden Lockdown bedeuten, dass bei Eintritt eines erneuten Schadenfalles kein Anspruch mehr auf erneute Versicherungsleistung bestehen würde.
Allerdings ist es gut möglich, dass die geschlossenen Abfindungsvereinbarungen nach § 779 Abs. I BGB unwirksam sind, wenn der nach dem Inhalt des Vergleiches als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt (der eingetretene Betriebsschließungsschaden sei nicht versichert und es bestehe keine Leistungspflicht des Versicherers) der Realität nicht entspricht und der Betroffene den Vergleich in Kenntnis der tatsächlichen Sachlage nicht abgeschlossen hätte.
Weiterhin steht bei einigen Fallkonstellationen die Anfechtbarkeit des Vergleiches im Raum und es könnte ein Verstoß der Versicherung gegen § 1a Abs. I Nr. 4 VVG vorliegen, nach dem die Versicherung gehalten ist, gegenüber dem Versicherungsnehmer stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln.
Sollte also die bereits geschlossen Abfindungsvereinbarung unwirksam sein oder anfechtbar, so besteht auch in diesen Konstellationen die Möglichkeit, dass die Versicherung auch den jetzt durch den zweiten Lockdown eintretenden Schadenfall als neuen Versicherungsfall wird regulieren müssen. Selbstverständlich hat der betroffene Versicherungsnehmer in diesen Fällen auch nach wie vor zusätzlich Anspruch auf vollständige Regulierung des ersten Betriebsschließungsschadens aus der Betriebsschließung aufgrund des ersten Lockdowns im März. Hinsichtlich der Einzelheiten bedarf es einer differenzierten Betrachtung der genauen Umstände des Einzelfalles.
- Meldung des neuen Schadenfalles
Die Meldung des neuen Schadenfalles hat ebenso wie bei der Meldung des ersten Schadenfalles infolge des Lockdowns im März entweder durch den Betroffenen selbst gegenüber der Versicherung zu geschehen oder durch den Makler des Betroffenen.
Dabei ist zu beachten, dass der Versicherung bei mehreren betroffenen versicherten Betriebsstätten jede aufgrund der behördlichen Anordnung geschlossene Betriebsstätte als Schadenfall zu melden ist!
Die Meldung des neuen Schadenfalles gegenüber der Versicherung erfolgt nicht durch uns! Ich komme erst dann möglicherweise wieder ins Spiel, wenn die Versicherung die Schadenregulierung des gemeldeten Schadenfalles dem Grunde nach endgültig abgelehnt hat und sich damit möglicherweise selbst bereits in Verzug gesetzt hat.
- Fazit
Die aufgrund des am 02.11.2020 bevorstehenden erneuten Lockdowns neu eintretenden Schadenfälle bzw. Versicherungsfälle sollten jedenfalls ordnungsgemäß der Versicherung gemeldet werden soweit der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch besteht. Soweit die Versicherung dann die Schadenregulierung verweigert, wird im Einzelfall durch einen mit der Materie befassen Rechtsanwalt zu prüfen sein, ob eine (erneute) Regulierungspflicht der Versicherung besteht. Für viele Betroffene geht es dabei um sehr viel Geld, zu viel Geld, um darauf einfach verzichten zu können. Ich hoffe, damit zu einigen Fragestellungen in der gebotenen Kürze Stellung bezogen zu haben mit denen sich offensichtlich gerade einer Vielzahl der befassten Makler sowie deren Kunden beschäftigen.
Für Fragen zu Einzelheiten stehe ich Ihnen sowie Ihren Kunden selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr,
Stephan Michaelis LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Verantwortlich für den Inhalt:
Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de