Beschränkungen gegen die Pandemie hinterlassen Spuren in der Halbjahresbilanz
Zum Ende des ersten Halbjahres erholt sich der Einzelhandel langsam wieder von den Folgen des Lockdowns infolge der Corona-Pandemie. Dennoch sind die Spuren der Ausnahmesituation und Umsatzrückgänge im zweiten Quartal laut JLL-Einzelhandelsmarktüberblick deutlich sichtbar: Der Flächenumsatz verlor rund 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr und fiel damit auf 191.900 m². Die Anzahl der Anmietungen lag bei 383, was einem Rückgang von nahezu einem Drittel im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 entspricht.
Dirk Wichner, Head of Retail Leasing JLL Germany: “Diese Werte liegen aber immer noch über denen, die während der Finanzkrise 2008/09 zu verzeichnen waren. Zudem registrieren wir wieder eine steigende Nachfrage nach Verkaufsflächen. Auch wenn viele Händler und Gastronomen noch herausfordernde Monate vor sich haben, gibt es Licht am Ende des Tunnels.” Positive Impulse gehen insbesondere von Nahversorgern sowie den Branchensegmenten Einrichtung und Wohnen, Haushaltsgeräte und Baumärkten aus.
Zwei Drittel der Vermietungsdeals sind im bisherigen Jahr außerhalb der zehn größten Handelsstädte abgeschlossen worden. Auf die Big 10 entfiel ein Flächenvolumen von 62.300 m² bei 140 Mietvertragsabschlüssen. Entsprechend zurückhaltend fielen die Einzelergebnisse dort aus. Nur Düsseldorf (16.000 m²) und Hamburg (9.900 m²) sind auf einem guten Kurs. Die weiteren acht Standorte müssen teils deutlich niedrigere Werte im Vergleich zum Vorjahr oder Fünfjahresschnitt hinnehmen. Zwar ist es Berlin (13.700 m²) gelungen, mit drei großflächigen Anmietungen im zweiten Quartal den Rückstand etwas zu verkürzen – doch der eigene Fünfjahresschnitt von 38.400 m² ist weit entfernt.
Am stärksten waren im ersten Halbjahr die beiden kleineren Größenklassen unter 100 m² und bis 250 m² gefragt, die mit 56 Prozent aller Abschlüsse das Geschehen bestimmten und damit auf dem Niveau des ersten Halbjahres 2019 liegen. Die beiden Kategorien ab 1.000 m² bauten ihren Anteil derweil um vier Prozentpunkte auf 16 Prozent aus. “Entscheidend wird für viele Händler sein, wie stark ihre Kundenbindung ist und welches Erlebnis sie anbieten können, das die Kunden während des Lockdowns vermisst haben”, sagt Dirk Wichner. “Wenn es gelingt, den Kunden individuell anzusprechen, ist das ein klarer Pluspunkt gegenüber der oft preisgetriebenen Onlinebestellung beim Großhändler.”
Die Nahversorger profitierten in den vergangenen Wochen spürbar davon, dass sie nicht schließen mussten. Die Gastronomie-/Foodbranche bestätigte so im ersten Halbjahr 2020 ihre Führungsposition beim Flächenumsatz nach Branchen. Mit 31 Prozent – sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr – setzte sie sich nochmals deutlich von der Textilsparte ab, die 24 Prozent verbuchte. Entscheidend war dabei der Löwenanteil von 67 Prozent, den die Lebensmittelanbieter beisteuerten. Im ersten Quartal lag dieser Anteil allerdings noch höher, denn zum Ende des zweiten Quartals haben sich die Vermietungsaktivitäten im Bereich Gastgewerbe wieder etwas belebt. Insbesondere das Burgerkonzept Five Guys und Café Extrablatt expandieren weiterhin. “Generell sind derzeit Gastronomiekonzepte im Vorteil, die auf Außenbestuhlung setzen können und so aktuell in der Lage sind, mehr Gäste zu bewirten und damit Umsatz erzielen.
Zugleich wirkt sich diese Situation auf die Spitzenmieten aus, die bereits seit einiger Zeit unter Druck stehen. So verzeichnen die Big 10 weiterhin stabile Werte, doch betrachtet man die Mietpreisentwicklung der 185 von JLL untersuchten Standorte nach Einwohnerklassen, gab der Spitzenmietpreis in den vergangenen drei Jahren in der Kategorie unter 100.000 Einwohner um im Schnitt fast zwölf Prozent nach. Selbst die Metropolen mit mehr als einer halben Million Einwohner inklusive der Big 10 wiesen einen leichten Rückgang von 1,8 Prozent auf. “Wir erwarten, dass die ausgesetzten oder reduzierten Mietpreiszahlungen der Einzelhändler auch nach dem Lockdown zu weiteren Verhandlungen mit den Vermietern führen werden. Dass dies dauerhafte Mietpreissenkungen zur Folge haben könnte, zeichnet sich bis jetzt, zumindest für die Big 10, noch nicht ab”, sagt Wichner. “Viele Händler und Vermieter haben aber verstanden, dass sie diese Lage am besten im Dialog und Konsens überstehen.”
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