Sind die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen zu stark gestiegen? Sieben Faktoren, die die Aktienmärkte in den kommenden Monaten belasten oder unterstützen.

 

„Die Gesetzgeber haben beschlossen, die Volkswirtschaften trotz der anhaltenden Virusgefahr zu öffnen, da durch die Stilllegung bleibende wirtschaftliche Schäden drohten“, sagt Bob Doll, Senior Portfolio Manager und Chief Equity Strategist bei Nuveen. „Zurzeit entwickeln sich die größten Volkswirtschaften der Welt unterschiedlich schnell, und die Hürden für erneute wirtschaftliche Restriktionen scheinen zu wachsen. Mit Blick nach vorn, gehen wir davon aus, dass sich die Weltwirtschaft langsam erholen wird. Nach einem anfänglichen Wiedereröffnungs-Schwung allerdings langsam und uneinheitlich.

Die Unternehmen werden Risiken nur zurückhaltend eingehen, und das Nachfrageniveau bleibt angesichts der ungewissen Aussichten für die Infektionsraten unbestimmt. Zudem ist offen, wie stark der wirtschaftliche Gegenwind ausfällt, wenn wir Jahresverlauf weitere Virusspitzen erleben. Erfolgreiche Behandlungsmethoden und/oder ein Impfstoff sind nach wie vor nötig, um Gewissheit zu bekommen.

Aus Sicht der Investoren scheinen die Finanzmärkte seit ihren Tiefstständen Ende März über sich hinausgewachsen zu sein. Massive geld- und fiskalpolitische Stimulierungsmaßnahmen haben sich als hilfreich erwiesen. Dennoch befürchteten wir zunehmend, dass die Aktienkurse unrealistische Aussichten für das Wirtschafts- und Gewinnwachstum widerspiegeln, zumal wir nicht erwarten, dass die Erträge in absehbarer Zeit das Niveau vor dem Coronavirus erreichen werden. Globale Aktien, insbesondere in den USA, scheinen überkaufte Niveaus erreicht zu haben, und der Rückgang der letzten Woche dürfte der Beginn einer Korrektur sein.“

Sieben Beobachtungen und Themen

  1. Der Abschwung in der vergangenen Woche wurde durch den Exzess einzelner Investoren ausgelöst. Die Marktdynamik und die Bewertungsniveaus deuten darauf hin, dass Einzelanleger in letzter Zeit zunehmend Geld in Aktien investiert haben, die einen hohen Hebeleffekt auf die Wiedereröffnung der Wirtschaft haben. Wir beobachteten insbesondere einen erheblichen Anstieg der Aktienkurse von Unternehmen geringerer Qualität, die schwache Bilanzen hatten und Konkursrisiken ausgesetzt waren. Ein bedeutender Teil des Ausverkaufs der letzten Woche kam aus diesen Märkten.
  2. Die Aktien gerieten ebenfalls unter Druck, als die Debatte “Wiedereröffnung versus steigende Infektionszahlen” intensiver wurde. Die Sorge wächst, dass die Vereinigten Staaten zu schnell auf eine Wiedereröffnung ihrer Wirtschaft gedrängt haben. Diese Bedenken werden durch das Gefühl verstärkt, dass viele Amerikaner in ihrer Haltung gegenüber sozialer Distanzierung und Schutzmaßnahmen wie dem Tragen von Masken allzu nachlässig werden. In der vergangenen Woche litt die Stimmung der Investoren vor allem angesichts der steigenden Virusfälle den Süd- und Sunbelt-Staaten, die die erste Welle weitgehend verschont hat.
  3. Die Investoren sind besorgt über steigende Steuern nach den Wahlen im November. Die Zustimmung zur Arbeit von Präsident Trump ist laut der Gallup-Umfrage im vergangenen Monat gesunken, von 49 Prozent im Mai auf 39 Prozent in der jüngsten Umfrage. Aus Investorensicht entscheidend sind die Aussichten für die Höhe der Unternehmenssteuern. Laut einer Analyse von Goldman Sachs würde Joe Bidens Vorschlag, den Bundessteuersatz auf inländische Einkünfte von 21 Prozent auf 28 Prozent zu erhöhen, die Gewinne aus dem S&P 500 im Jahr 2021 um 20 Dollar pro Aktie reduzieren. Investoren beobachten zudem aufmerksam die Aussichten auf ein strengeres regulatorisches Umfeld, eine ehrgeizige Agenda für den Klimawandel und höhere Staatsausgaben.
  4. Die Fed hat auf ihrer Sitzung in der vergangenen Woche einen äußerst moderaten Ton angeschlagen. Vorsitzender Powell wies insbesondere darauf hin, dass die Fed die Zinsen voraussichtlich bis mindestens 2022 auf Null halten werde.
  5. Wir erwarten keine Änderung der Fed-Politik, solange wir keinen Inflationsdruck sehen. Die Fed hat zwei Hauptaufgaben: die Vollbeschäftigung und eine stabile Inflation zu sichern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und einer Inflationsrate, die deutlich unter dem Ziel von zwei Prozent liegt, gibt es keinen Grund zu erwarten, dass die Fed ihren äußerst unterstützenden geldpolitischen Kurs aufgeben wird.
  6. Wir erwarten, dass die Leitzinsen im Laufe dieses Jahres langsam und moderat steigen werden. Obwohl die Anleiherenditen in der vergangenen Woche aufgrund wirtschaftlicher Bedenken gesunken sind, gehen wir nach wie vor davon aus, dass die Rendite des 10-year Treasury bis Ende 2020 die Ein-Prozent-Marke überschreiten wird. Eine Kombination aus sich aufhellender Stimmung, höherem Weltwirtschaftswachstum, höherer Marktliquidität und steigenden Inflationserwartungen dürfte einen Aufwärtsdruck auf die Zinsen ausüben.
  7. Ebenso denken wir, dass der US-Dollar fallen sollte. Nach einem Höchststand Ende März fiel der handelsbilanzgewichtete Wert des US-Dollars um mehr als fünf Prozent. Wir könnten periodische Phasen der Stärke ähnlich wie in der vergangenen Woche erleben. Ein höheres globales Wachstum und der Rückgang der US-Wachstumsraten im Vergleich zum Rest der Welt deuten jedoch darauf hin, dass der US-Dollar weiter nach unten driften sollte. Ein schwächerer US-Dollar käme wahrscheinlich ausländischen Aktien zugute.

 

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