Ein Marktkommentar von Coline Pavot, Head of ESG Research und Sonia Fasolo, Fondsmanagerin SRI bei LFDE – La Financière de l’Échiquier
Die derzeitige beispiellose Krise lehrt uns vieles: Die Gesellschaft hat den Lockdown der Wirtschaft, die Beschneidung der Bewegungsfreiheit und die bewusste oder erzwungene Reduzierung des Konsums akzeptiert. Staaten, Unternehmen und Menschen haben gezeigt, dass sie zu gewaltigen Opfern bereit sind, wenn das Leben Hunderttausender auf dem Spiel steht.
Es wäre aber vermessen zu glauben, dass COVID-19 die einzige große Bedrohung ist, die auf uns zukommen kann. Die Erderwärmung und ihre Folgen fordert jedes Jahr bereits zahlreiche Opfer, und das ist, sofern keine radikalen Maßnahmen ergriffen werden, erst der Anfang. Wenn uns der Lockdown eines verdeutlicht hat, dann, wie schnell die Natur Oberhand gewinnen kann, um unserem Planeten eine Atempause zu gönnen. Er zeigt uns aber auch, dass diese Atempause nur von kurzer Dauer ist, wenn zwischen dem „Tag danach“ und dem „Tag davor“ nichts passiert. Doch es gibt viel Grund zur Hoffnung.
Mobilisierung der Staaten
Zahlreiche europäische Länder haben sich dafür eingesetzt, dass die wirtschaftlichen Hilfspakete an eine grüne Komponente geknüpft werden. Einer der drei Pfeiler des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Wiederaufbauprogramms für die Jahre 2021 bis 2024 greift Elemente des „Green Deals“ auf. Dieser Deal setzt eine positive Dynamik in Gang, denn er schafft Wachstum und Arbeitsplätze. Die Kommission schätzt, dass sich das europäische BIP durch die Erreichung der Klimaziele um 1 Prozent erhöht und 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die Europa so dringend braucht.
Vorbildliches Verhalten der Unternehmen
Viele Unternehmen haben sich in der Krise mobilisiert und konkrete Beispiele dafür geliefert, was es bedeutet, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Die Herstellung von Schutzmasken oder Desinfektionsgel, die Kürzung oder Streichung von Dividenden, der Verzicht auf einen Teil der Vergütung seitens der Führungskräfte – spontane Initiativen gab es zuhauf. In Frankreich gaben Unternehmen wie LVMH, L’Oréal, Air Liquide und Somfy den Ton an. Unternehmenschefs aller Wirtschaftsbranchen – darunter auch der Chef von La Financière de l’Echiquier – haben sich der Green Recovery Alliance angeschlossen und sich verpflichtet, die Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel fortzusetzen oder gar zu intensivieren, damit der Wiederaufbau nach der Corona-Krise nicht zu Lasten des Planeten geht.
Durch die Aktionäre erzwungener Mentalitätswandel
Trotz der Gesundheitskrise hielten nachhaltige Investoren an ihren Zielen fest und die ermutigende bis hervorragende relative Performance während der Talfahrt der Märkte im Februar und März gab ihnen Recht. Sie haben den Druck auf Unternehmen zugunsten konkreter Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels nicht verringert. So hat ein Zusammenschluss von Investoren eine Beschlussvorlage auf der Hauptversammlung von Total eingebracht, um den Ölgiganten zur Festlegung von CO2-Zielen im Einklang mit den Zielsetzungen des Pariser Abkommens zu zwingen. LFDE – La Financière de l’Echiquier hat diese Beschlussvorlage unterstützt, denn selbst wenn die erforderliche Stimmenzahl letztendlich nicht erreicht wurde, veranschaulicht die Initiative, dass nachhaltige Investoren, deren Einfluss zahlenmäßig und in Bezug auf das verwaltete Vermögensvolumen stetig steigt, inzwischen in die Offensive gehen.
Verhaltensänderungen nach Corona
Alle diese Änderungen können nur dann von Dauer sein, wenn alle, d. h. Wähler, Verbraucher und Anleger, diese Krise als Chance für nachhaltige Verhaltensänderungen sehen und nutzen. Der Gesundheitsnotstand hat uns somit praktisch gezwungen, uns „als menschliche Spezies zu besinnen“. In seinem Buch „The Green New Deal“ verwendet Jeremy Rifkin diesen Ausdruck, um die Leser aufzurütteln und sie zum Kampf gegen den Klimawandel aufzurufen, denn das Überleben unserer Spezies stehe auf dem Spiel. Der Mentalitätswandel wird sich beschleunigen und andere Konsumgewohnheiten (mehr Produkte von lokalen Erzeugern, nachhaltige Lieferketten usw.) und auch veränderte Anlageentscheidungen zur Folge haben. Nach 2019, einem Jahr, in dem europäische Investoren ihr in Nachhaltigkeitsfonds investiertes Kapital im Vergleich zu 2018 mehr als verdoppelt hatten, war Anfang 2020 die gleiche Dynamik zu verzeichnen. Hoffnungsschimmer, die daraufhin deuten können, dass der „Tag danach“ weitaus (oder nur geringfügig?) anders aussehen könnte, als der „Tag davor“.
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