Kommentar von Michael Winkler, Leiter Anlagestrategie bei der St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Fiskalpolitische Impulse und Maßnahmen, die nach dem Abflauen der Krise die europäische Konjunktur wieder in Gang bringen sollen, stehen derzeit im Fokus. Das Konjunktur- und Zukunftspaket der Bundesregierung trifft sowohl bei Vertretern aus Politik und Wirtschaft als auch bei Marktbeobachtern auf breite Zustimmung.
Zudem hat die EZB in der vergangenen Woche das Notkaufprogramm (PEPP) um 600 Milliarden ausgeweitet und die Anleihekäufe kräftig aufgestockt. Die aktuellen geld- und fiskalpolitischen Impulse sind in dieser Form und Höhe einmalig. Die geplanten 750 Milliarden Euro der EU zur Unterstützung der am stärksten von der Pandemie betroffenen Unternehmen, Staaten und Branchen, stützen diese Entwicklung noch weiter. Allerdings weckt das Vorhaben der Zentralbanken, die Wirtschaft mit billigem Geld anzukurbeln und Staatsausgaben direkt zu finanzieren, den Anschein, als seien Geld und Schulden uneingeschränkt verfügbar. Im Casino würde man sagen: „all in“.
Ein weiterer Impuls folgte mit dem überraschend positiven US-Arbeitsmarktbericht. Entgegen der Erwartung einer weiter steigenden Arbeitslosenquote wurden 2,5 Millionen neue Stellen geschaffen. Die derzeit optimistische Stimmung, die durch die Konjunkturmaßnahmen und den US-Arbeitsmarktbericht gestützt wurde, hat in den vergangenen Wochen die weltweiten Aktienmärkte beflügelt. Der massive Kursanstieg (DAX +25 %) innerhalb der letzten drei Wochen ist historisch einmalig. Dabei werden mögliche Unsicherheitsfaktoren ausgeblendet. Auch das Überschreiten der 200-Tages-Linie in vielen Aktienindizes zeigt, dass die Märkte den Crash überwunden zu haben scheinen und die Gefahr eines zweiten Einbruchs gebannt ist. Die damit verbundene Hoffnung auf eine baldige Erholung der Weltwirtschaft führt allerdings zu einer deutlichen Überbewertung („priced for perfection“). Auffällig ist auch, dass langjährige Underperformer (v.a. Titel aus der Old Economy und Value-Titel) in den letzten Wochen am stärksten gestiegen sind. Somit entfernen sich die Aktienmärkte zunehmend von der Realwirtschaft.
Die Prognose, dass die V-förmige Erholung der Wirtschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird, könnte für zunehmende Volatilität und Enttäuschung sorgen. Summa summarum befinden wir uns in einer schwierigen Gesamtsituation. Wir bleiben für den Moment vorsichtig und setzen unverändert auf Qualität.
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