Anhaltende Störungen der Weltwirtschaft belasten deutsche Industrie
Die Lockerung des Corona-Shutdowns wird ab der Jahresmitte zwar zunächst zu einem deutlichen Wiederanstieg der Wirtschaftsleistung führen. Das Vorkrisenniveau des BIP vom Ende des Jahres 2019 wird aber trotz der massiven staatlichen Hilfen voraussichtlich erst 2022 wieder erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle FERI-Konjunkturprognose. Dass die Erholung so viel Zeit benötigt, liegt vor allem an den negativen Zweitrundeneffekten der tiefen Rezession, die erst mit Verzögerung auftreten. Dazu zählen ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste ebenso wie steigende Insolvenzen in den besonders betroffenen Wirtschaftsbereichen, eine erschwerte Kreditvergabe und nicht zuletzt ein anhaltend gedämpftes Verbrauchervertrauen. „Die massiven fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierung und die lockere Geldpolitik mildern diese Effekte zum Teil, werden sie aber nicht vollständig kompensieren können“, sagt Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe.
Exportnation Deutschland besonders betroffen
Im Falle Deutschlands kommt mit dem hohen Stellenwert der Industrie und der starken Einbindung in die Weltwirtschaft ein weiterer Punkt hinzu. „Deutschland ist stärker als andere Länder von der Erholung der Weltwirtschaft abhängig, und diese wird ebenfalls nicht friktionsfrei verlaufen“, ist Angermann überzeugt. Der abrupte Anstieg der Arbeitslosenquote in den USA auf mutmaßlich etwa 20 Prozent im April ist dafür ein Menetekel – dieser nie dagewesene Schock wird auch nach dem Ende des Lockdowns in der US-Wirtschaft noch lange nachwirken und damit die Nachfrage nach deutschen Exportgütern dämpfen.
Tiefer Einschnitt in der Autoindustrie
Insgesamt rechnet FERI für das Jahr 2020 mit einem Rückgang des BIP in Deutschland um etwa 7 Prozent, dem ein Anstieg um rund 5 Prozent im kommenden Jahr folgen könnte. Auf Branchenebene müssen Sektoren wie der Handel, das Gastgewerbe, Kultur, Kunst und Unterhaltung sowie das Verkehrsgewerbe mit zweistelligen Umsatzrückgängen rechnen. Auch die Industrieproduktion wird in ähnlicher Größenordnung sinken wie im Jahr 2009 (-15 Prozent). Besonders betroffen ist die Autoindustrie, deren Produktion im März auf einem Niveau lag, das zuletzt im Jahr 1984 im Zuge des großen Streiks für die 35-Stunden-Woche unterschritten wurde. Auch in den kommenden Monaten wird die Branche mit einer schwachen weltweiten Nachfrage und gestörten Lieferketten zu kämpfen haben. Für das Gesamtjahr rechnet FERI deshalb mit einem Minus von bis zu 40 Prozent im Fahrzeugbau.
De-Globalisierung nimmt zu
Zu den langfristigen Folgen der Pandemie gehört nach Auffassung von FERI eine zunehmende De-Globalisierung. „Unternehmen werden verstärkt Teile der Produktion vor Ort ansiedeln und für eine größere Robustheit ihrer Lieferbeziehungen Effizienzeinbußen in Kauf nehmen. Zusätzlich wird es noch stärker als schon vor der Krise vermehrte staatliche Eingriffe in den freien Welthandel geben“, sagt Angermann dazu. In der Folge werde der Welthandel langsamer wachsen als die Weltwirtschaft. Zu den Verlierern dieser Entwicklung gehöre Deutschland, dessen Wirtschaftsmodell stark auf einen freien Welthandel ausgerichtet ist. „Weil der europäische Markt für deutsche Unternehmen wichtiger wird, müssen wir ein starkes Interesse daran haben, dass Länder wie Italien und Spanien schnell wieder auf die Beine kommen“, so Angermann.
Die 33. Ausgabe des traditionellen FERI-Konjunktursymposiums am 22. April musste zum ersten Mal in verkürzter Form als Online-Veranstaltung durchgeführt werden. Die FERI-Experten stellten gegenüber mehr als 150 Vertretern aus verschiedenen Bereichen der deutschen Wirtschaft ihre Analysen und Prognosen zur Entwicklung der Wirtschaft vor und legten den Fokus dabei auf die kurz- und langfristigen Folgen der Corona-Krise.
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