Zu Zeiten der Finanzkrise wurden Hedgefonds und Private-Equity-Anlagen zu den Übeltätern der Krise deklariert. Jetzt, etwas mehr als ein Jahrzehnt später, könnten die beiden Anlageklassen jedoch zu den Rettern in der Coronakrise avancieren.
Liquid Alternatives und nicht-börsennotierte Anlagen bewähren sich angesichts der gegenwärtigen Turbulenzen und nehmen eine wichtige Rolle in der Krise ein. Aber auch Investment-Grade-Anleihen und US-Large-Cap-Aktien können in den nächsten Wochen chancenreich sein.
Mehr dazu lesen Sie im nachfolgenden Kommentar von Anthony Tutrone, Global Head of Alternatives bei Neuberger Berman, sowie im Outlook des Asset Allocation Committees des unabhängigen US-amerikanischen Vermögensverwalters. Die Asset-Allocation-Analyse für das zweite Quartal 2020 stellen wir Ihnen unter folgendem Link zur Verfügung: Asset Allocation Outlook 2. Quartal 2020
Liquid Alternatives und Private Equity: Schutz mit Perspektive
- Hedgefonds: Implizite Hebelwirkung und mangelnde Liquidität führten bei strukturierten Produkten zu hohen Verlusten. Doch insbesondere Global-Macro- und Managed-Futures-Strategien profitierten vom Abschwung und Anstieg der Volatilität
- Während Banken und Anleiheninvestoren zögern, können Private-Debt-Fonds Kredite vergeben und dabei helfen, langfristig Fremd- oder Eigenkapital einzuwerben
- Im Private-Equity-Bereich helfen Turnaround- und Special-Situations-Fonds Firmen in Schwierigkeiten bei der Restrukturierung und der Bilanzsanierung
- PIPE-Transaktionen als Kapitalquelle: Da Finanzierungsmärkte eingeschränkt und Aktienmärkte für die meisten betroffenen Unternehmen nicht offen sind, bietet sich hier für Private-Equity-Firmen und Co-Investoren eine Chance, Kapitallücken zu schließen und gute Renditen für ihre Investoren zu erzielen
- Asset Allocation für 2. Quartal 2020: Diversifikation und Risikomanagement stehen im Vordergrund; Chancen bieten Investment-Grade-Anleihen und US-Large-Cap-Aktien
In der Finanzkrise 2007 bis 2009 hatten Hedgefonds und Private-Equity-Anlagen mit schlechter Presse zu kämpfen. Die Kritik war jedoch nicht immer berechtigt, denn keiner der beiden Sektoren hatte die Krise verursacht, auch wenn sie wohl eine gewisse Rolle spielten.
Jetzt könnten alternative Anlagen sogar dabei helfen, die Krise zu überwinden. Nicht alle Hedgefonds haben sich gut gehalten, aber oft haben sie die krisengeschüttelten Portfolios stabilisiert. Vielen kleinen, nicht-börsennotierten Unternehmen stehen schwere Zeiten bevor, aber Private-Equity- und Private-Debt-Manager sind bereit, sie zu retten – mit Know-how, Erfahrung und vor allem mit Kapital.
Volatilität
Der März 2020 hat uns erneut gelehrt, wie wichtig Diversifikation ist. Manche Hedgefonds, die bislang nicht mit den Märkten korreliert waren, folgten ihnen jetzt fast im Gleichschritt. Etliche Long-Short-Aktienstrategien hatten vor allem in eine Handvoll Momentum- und Substanzwerte investiert und gaben jetzt um 50 bis 60 Prozent nach, während der Markt nur 30 Prozent einbüßte. Am stärksten verloren aber wohl Fonds, die auf Zinsdifferenz-Geschäfte, sogenannte Carry Trades, oder auf eine Verengung der Credit Spreads gesetzt hatten. Das galt vor allem bei einem hohen Anteil strukturierter Produkte, bei denen implizite Hebelwirkung und mangelnde Liquidität zu noch höheren Verlusten führten.
Andere Strategien waren unterdessen stabil und haben selbst im März beeindruckende Erfolge erzielt. Viele marktneutrale Aktienstrategien haben den Monat wie erhofft weitgehend ohne Verluste überstanden. Global-Macro- und Managed-Futures-Ansätze, ob auf kurz-, mittel- oder langfristige Trends ausgerichtet, profitierten vom Abschwung und dem Anstieg der Volatilität. Besonders rentabel waren Long-Positionen in Staatsanleihen und dem US-Dollar sowie Short-Positionen in Energieaktien. Volatilitätsarbitrage-Strategien nützte sowohl der Anstieg der tatsächlichen als auch der impliziten Volatilität.
Da wir immer noch davon ausgehen können, dass es vor dem Ende der COVID-19-Krise noch viele schlechte Nachrichten zu erwarten gibt, halten wir es für sinnvoll, auf Strategien zu setzen, die die Volatilität schon jetzt gedämpft haben. Wenn sie allmählich nachlässt und die durch Fremdfinanzierungen oder Liquiditätsprobleme verursachten Zwangsverkäufe aufhören, könnten finanzstarke Investmentmanager zu günstigen Kursen in strukturierte Credits und Distressed Debt investieren. Wir meinen, dass es dafür dann noch nicht zu spät ist.
Private Equity: Retter in der Krise
Private-Equity-Gesellschaften hatten durchaus Glück. Weil ihre Kassen Anfang 2020 gut gefüllt waren, können sie jetzt liquiditätsschwachen Portfoliounternehmen helfen, die nach der langen Niedrigzinsphase hoch verschuldet sind. Weil sich der Gläubigerschutz in Grenzen hält, haben sie jetzt viel Zeit und Flexibilität.
Ohnehin scheint Private Equity auf die aktuelle Krise viel besser vorbereitet zu sein als auf die letzte, was handfeste Gründe hat: Vor 15 Jahren kauften viele General Partner einfach gute Unternehmen und nahmen Fremdkapital für sie auf. Nach 2008 war dies passé. Stattdessen bauten sie auf betriebswirtschaftliches Sektor-Know-how und präzise Marktkenntnisse. Das kann den Portfoliounternehmen helfen und ihre Finanzen stärken – und entscheidend dafür sein, ob sie die Krise überleben oder scheitern.
Nichts ist zurzeit wichtiger, als für ausreichend Liquidität zu sorgen: Das bedeutet Kostensenkungen und die Begrenzung von Investitionen, aber auch die Nutzung ungenutzter Kreditlinien oder zur Not die Erhöhung von Eigenkapital.
Bei Bedarf wird schon jetzt mit den Gläubigern über ein Aussetzen der Zins- und Tilgungszahlungen verhandelt, worauf sie angesichts der Art der Krise wohl eingehen werden. Unabhängig davon profitieren Unternehmen sehr von einer engen Beziehung zu ihren Private-Equity-Eigentümern. Da über so viele Kredite verhandelt werden muss, dürften viele Gläubiger summarisch entscheiden – mit einer schnellen, schematischen Einschätzung der kurzfristigen Perspektiven.
Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der meisten Volkswirtschaften und sie sind in der derzeitigen Krise am anfälligsten. In der aktuellen Rettungsphase können Private-Equity-Gesellschaften mit ihren umfangreichen Ressourcen dafür sorgen, dass die Wirtschaft die Krise übersteht.
Viel zu tun
Nach den Sofortmaßnahmen können Alternatives-Investoren beginnen, Probleme zu lösen.
Im Private-Equity-Bereich könnten Turnaround- und Special-Situations-Fonds Unternehmen in Schwierigkeiten bei der Restrukturierung und der Bilanzsanierung helfen.
In diesem Grenzbereich zwischen Hedgefonds und Private Capital bieten Distressed-Credit-Fonds Liquidität für Banken und institutionelle Investoren, die sich – zwar mit hohen Abschlägen – von ihren strukturierten Produkten und vorrangige Unternehmenskredite, sogenannte First-Lien-Loans, trennen wollen. Meist haben diese Fonds genügend Kapital, einen hinreichend langen Anlagehorizont und genügend Risikobereitschaft, um diese fundamental wohl stabilen Titel in den kommenden Monaten zu halten.
Der Private-Equity-Sekundärmarkt ist noch nicht über den Berg. Wenn es aber so weit ist, dürften die General Partner auch hier neues Kapital für ihre Portfoliounternehmen einwerben können. Die Limited Partner können ihre Portfolios dann neu ausrichten und ihre Liquidität verbessern; die Käufer könnten günstig in attraktive Fonds investieren, in sehr junge wie in reife.
Schließlich dürfte der alternative Investmentmarkt börsennotierten wie nicht börsennotierten Unternehmen langfristig helfen, Fremd- oder Eigenkapital einzuwerben. Viele Private-Debt-Fonds können Kredite vergeben, wenn Banken und Anleiheninvestoren zögern. Auch Private Investments in Private Equity, sogenannte PIPE-Transaktionen, wie beispielsweise Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrecht unter Umgehung der Börse, können eine wichtige Kapitalquelle sein, wenn sich Anleihen oder Aktien nicht platzieren lassen.
In einer Krise haben Alternatives-Investoren zwei wichtige Funktionen: Sie müssen versuchen, die Portfolios ihrer Kunden zu stabilisieren und zugleich gesunden Unternehmen das dringend benötigte Kapital zur Verfügung zu stellen, damit sie nicht scheitern.
Hier gibt es noch viel zu tun.
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