Die veränderte Arbeitslage durch COVID-19 hat erhöhte Cyber-Risiken zur Folge. Das betrifft auch die Versicherungsbranche.
Natürlich stehen in der aktuellen Situation rund um die rapide Ausbreitung des Coronavirus humanitäre und gesamtwirtschaftliche Belange im Vordergrund. COVID-19 und die neue Situation, vor allem wie und von wo aus gearbeitet wird, birgt jedoch auch veränderte Cyber-Risiken, die nicht unterschätzt werden dürfen. Welche das sind und wie die Versicherungsbranche damit umgehen sollte, kommentiert René Schoenauer, Director Product Marketing EMEA, Guidewire Software.
Neue Arbeitsumgebung – veränderte Cyber-Risiken
Viele Firmen haben quasi in einer Ad-hoc-Aktion ihre Mitarbeiter für die Arbeit aus dem Home Office ausgestattet. Für viele, Firmen wie Mitarbeiter, gleicht dies der Erkundung unentdeckten oder zumindest noch nicht lange bewohnten Neulandes. Diese relativ spontane Anpassung an die neue Wirklichkeit birgt eine ganze Reihe von digitalen Risiken: Angefangen von unzureichender IT-Kapazität bis hin zu inadäquaten VPNs (Virtual Private Networks), fehlenden Datenregulierungen und mangelhaftem Risikomanagement.
Diese Risiken stellen ein Einfallstor für Cyber-Kriminelle dar, die auch in angespannten Zeiten wie momentan auf ihre Chancen warten. Social Engineering, Überweisungsbetrug, DoS (Denial-of-service)-Attacken sowie Spam- und Phishing-Mails sind nur einige der Angriffsmethoden, vor denen sich IT-Sicherheitsverantwortliche von Unternehmen wappnen müssen.
Veränderte Cyber-Risiken – Neue Empfehlungen
Genauso wie Hygiene-Vorschriften in Bezug auf COVID-19 aktualisiert werden, so sollten auch Empfehlungen für die „Cyber-Hygiene“ von Mitarbeitern angepasst werden. Eine Mehrfach-Authentifizierung, eine robuste VPN-Verbindung und eine Verpflichtung zur Nutzung von ausschließlich privaten WLAN-Netzwerken sind dabei sinnvolle erste Schritte. Auch das Einhalten einer hohen Passwort-Sicherheit sollte sichergestellt werden. Zudem gilt es, die Mitarbeiter in diesem Bereich kontinuierlich weiterzubilden und für Risiken und Bedrohungen zu sensibilisieren.
Anpassungen von Cyber-Versicherungen – Risikotransfer und veränderte Deckungen
Auch wenn die Cyber-Risiken per se nicht neu sind, so ist doch die aktuelle Bedrohungslage durch die veränderte Arbeitssituation in vielen Bereichen erhöht. Deshalb müssen auch bestehende Deckungen im Bereich der Cyber-Versicherungen auf die veränderte Lage und ihre Anwendbarkeit hin geprüft werden. Dies gilt zum Beispiel bei Datenschutzverletzungen, der Haftpflicht gegenüber Dritten, Netzwerkunterbrechungen, Cyber-Erpressung und Datenbestands-Verlust.
Es sind jedoch auch Versicherungs-Bereiche außerhalb der Cyber-Versicherungen betroffen – weil sie entweder direkt oder indirekt mit der gleichen Bedrohungslage zusammenhängen: Hierbei geht es um die allgemeine Haftung, Ansprüche bei Sach- und Gebäudeschäden in Zusammenhang mit einem Netzwerkausfall oder Sachschäden, die auf Cyber-Angriffe zurückzuführen sind. Zudem kommen Haftungsfragen im Finanzbereich hinzu, beispielsweise durch Cyber-Wirtschaftskriminalität.
Akkumulationspotenzial von Cyber-Risiken
Für Versicherungs- und Finanzdienstleister ist eine der sekundären Auswirkungen von COVID-19 die Akkumulation von Cyberrisiken. Branchenübergreifend sind Unternehmen stärker auf Informations- und Telekommunikationsinfrastrukturen angewiesen. Es erfolgt zwar eine Effizienzsteigerung durch den Einsatz von Internet Access Points, Cloud-Infrastrukturen und Breitbandverbindungen, aber es werden ebenso Korrelationen und Abhängigkeiten erhöht und Risikopotenziale gebündelt. Dies hat zur Folge, dass systemische Schäden weitaus gravierendere Auswirkungen haben können.
Viele Versicherungspolicen decken sowohl böswillige als auch nicht böswillige Vorfälle bei Ausfällen in der Dienstleistungskette ab. Dies stellt angesichts der Globalisierung und der engen Kopplung von Lieferketten eine Herausforderung dar. Unternehmen können Schwierigkeiten haben, ihre kritischen Lieferanten, störende Auswirkungen auf die Lieferkette und mögliche alternative Lieferanten zu identifizieren. Die dadurch entstehende Informationsasymmetrie stellt eine Herausforderung für das Management des Akkumulationspotenzials dar.
Einschätzung, Erkennung, Diagnose, Prognose
Wie bei der Strategie zur Bekämpfung von COVID-19 liegt der Schlüssel zur Verringerung der Cyber-Risiken im Verständnis der Art, des Umfangs und der voraussichtlichen Auswirkungen des Problems. Für Versicherer ist dies von vergleichbarer Bedeutung für die Definition von Risiko-Segmenten und die Preisgestaltung sowie der Bestimmung von Risiken, die nicht gezeichnet werden sollten. Ebenso ist das Verständnis der Risikoexposition in einem Portfolio und der Bestimmung des richtig dosierten Einsatzes von Automatisierung in der Schadenbearbeitung wichtig. Die Fähigkeiten von Data Analytics and Data Science kann den Sachbearbeitern im Bestand, Underwritern und Risiko- und Schaden-Managern helfen, Cyberrisiken zu diagnostizieren, zu quantifizieren, genauer zu prognostizieren und zu beheben.
Während wir also in unserer analogen Antwort auf COVID-19 von der Prävention zur Minderung übergegangen sind, haben wir immer noch die Möglichkeit, die sekundären, risikoreichen Auswirkungen auf IT-Umgebungen und die veränderte digitale Arbeitswelt zu verhindern und zu bewältigen.
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