Der Wert der Pensionsverpflichtungen der DAX 30-Unternehmen ist im Jahr 2019 von 365,3 Mrd. Euro auf etwa 409 Mrd. Euro gestiegen.
Im gleichen Zeitraum stieg das Pensionsvermögen im IFRS-Abschluss von 245,6 Mrd. Euro auf etwa 274 Mrd. Euro. Der Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen liegt wie im Vorjahr bei etwa 67 Prozent. Die Auswirkungen des Coronavirus führen jedoch zu erheblichen Belastungen im gerade begonnenen Geschäftsjahr 2020. Die Verpflichtungen erreichen neue Rekordhöhen, während das Vermögen an Wert verloren hat. Dies sind die Ergebnisse einer Hochrechnung und Schätzung des Beratungsunternehmens Mercer auf Basis der bereits veröffentlichten Geschäftsberichte der DAX 30-Unternehmen sowie aktueller Kapitalmarktinformationen.
Pensionsverpflichtungen steigen aufgrund des weiter gesunkenen Rechnungszinses
Die Entwicklung der Pensionsverpflichtungen wird vor allem durch die Zinsentwicklung belastet. Der Rechnungszins nach der Mercer Yield Curve, einem Verfahren zur Herleitung des Rechnungszinssatzes nach IAS 19, ist im Jahr 2019 für eine Duration von 15 Jahren von etwa 2,0 auf etwa 1,3 Prozent und für eine Duration von 20 Jahren von circa 2,2 auf ca. 1,5 Prozent deutlich gesunken. Siemens und Infineon mit Bilanzstichtag 30.09.2019 mussten den Rechnungszins zur Zeit des Jahrestiefs festlegen und lagen beide sogar unter einem Prozent. Aber auch beim Bilanzstichtag 31.12.2019 haben mehrere Unternehmen einen Zins von einem Prozent, in einem Fall sogar darunter, festgesetzt.
Rechnet man die Erkenntnisse aus den bereits veröffentlichten Geschäftsberichten auf alle Unternehmen im DAX 30 hoch, so kommt man zu einem neuen Höchststand von etwa 409 Mrd. Euro – gegenüber 365,3 Mrd. Euro im Vorjahr.
“Damit ist das Ende der Fahnenstange leider noch nicht erreicht. Allein die Marktentwicklungen aufgrund des Coronavirus seit Anfang des Jahres haben das Zinsniveau mittlerweile um bis zu 0,4 Prozentpunkte sinken lassen. Sofern sich diese Entwicklung nicht wieder entspannt, würde das im Verpflichtungsvolumen weitere 25 Mrd. Euro bedeuten”, erläutert Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer Deutschland.
Zu beachten ist, dass es sich bei dem Anstieg der Pensionsverpflichtungen zunächst nur um eine rein bilanzielle Bewertung handelt. Die Verpflichtungen selbst sind in der Regel nicht zinsabhängig, das heißt, die späteren Versorgungszahlungen werden durch die Zinsentwicklung grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Die bilanziellen Effekte aus der Zinsänderung werden zudem erfolgsneutral erfasst, belasten also nicht das Unternehmensergebnis.
Alle anderen Ursachen für die Entwicklung der Verpflichtungswerte sind nahezu unbedeutend. Veränderungen in der Zusammensetzung des DAX 30 führten zu einem Anstieg der Verpflichtungswerte um etwa 2,6 Mrd. Euro. Im Jahr 2019 hat Thyssen Krupp den DAX 30 verlassen, MTU Aero Engines wurde neu aufgenommen und Innogy war im Vorjahr vorübergehend nicht in den Zahlen enthalten. Im letzten Jahr hatte RWE das gesamte Innogy-Geschäft als “zur Veräußerung bestimmt” dargestellt, so dass Innogy in den Vorjahreszahlen der Pensionsverpflichtungen nicht mehr enthalten war. In diesem Jahr wird Innogy allerdings bei E.ON konsolidiert, sodass die Zahlen nun wieder berücksichtigt werden.
Positives Aktienjahr 2019 führt zu einem vorübergehenden Hoch des Pensionsvermögens
“Mit Blick auf die Kapitalmärkte war 2019 zwar ein turbulentes, aber insgesamt positives Jahr. Beinahe alle Anlageklassen haben eine wechselhafte Entwicklung durchgemacht, sowohl in positiver als auch zeitweise in negativer Hinsicht”, erklärt Jeffrey Dissmann, Leiter Investment Consulting in Deutschland bei Mercer. “Die globalen Aktienmärkte legten am Ende zweistellige Wachstumsraten hin. Dies ist eine Entwicklung, die auf die Lockerung der Geldpolitik sowohl der Europäischen Zentralbank (EZB) als auch der US Federal Reserve zurückgeführt werden kann. Der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China hatte jedoch einen kontraproduktiven Effekt auf die Entwicklung der Kapitalmärkte.”
Insgesamt überwogen in 2019 allerdings die positiven Trends. Europäische Aktien generierten Renditen von über 25 Prozent und nordamerikanische Aktien sogar etwa 30 Prozent für Investoren. Zusätzlich lieferten auch die sogenannten Schwellenländer 2019 einen positiven Renditebeitrag von knapp über 20 Prozent. Auch die festverzinslichen Wertpapiere rentierten positiv. Diese positiven Entwicklungen zeigen sich auch in dem signifikanten Anstieg des Pensionsvermögens der DAX-30-Unternehmen auf etwa 274 Mrd. Euro – gegenüber 245,6 Mrd. Euro im Vorjahr.
“Durch die turbulenten Entwicklungen der Märkte seit Beginn des Jahres ist diese positive Entwicklung aber teilweise wieder zurückgenommen. Seit Beginn des Geschäftsjahres 2020 erwarten wir, dass die Pensionsvermögen bereits über 20 Mrd. Euro verloren haben”, kommentiert Dissmann.
Die weiteren Gründe für Veränderungen des Pensionsvermögens sind auch hier eher unbedeutend. Durch die geänderte Zusammensetzung des DAX 30 und die erneute Berücksichtigung von Innogy stieg das Pensionsvermögen im Jahr 2019 um etwa 5,5 Mrd. Euro an.
Zu beachten ist, dass es in Deutschland keine Pflicht gibt, Pensionsvermögen zu bilden. Aufgrund der gesetzlichen Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein besteht auch keine Notwendigkeit, die Versorgungsberechtigten über Pensionsvermögen abzusichern. Die Bildung von Pensionsvermögen geschieht also auf rein freiwilliger Basis. Dennoch entscheiden sich immer mehr Unternehmen für die Ausfinanzierung und damit für die Bildung von eigenem Pensionsvermögen. Innerhalb des DAX 30 findet sich die ganze Spanne von 0 Prozent bis fast 100 Prozent Ausfinanzierung.
Der Coronavirus wird die weitere Entwicklung dominieren
Seit dem Ausbruch des Coronavirus sind die Märkte in Aufregung. Die Ungewissheit der weiteren Entwicklung kann dazu führen, dass das Zinsniveau und die Aktienkurse weiter sinken. “In jedem Fall ist mit hoher Volatilität zu rechnen. Daher bleibt es empfehlenswert, modernere Zusageformen ohne Garantien – insbesondere Zinsgarantien – zu wählen”, erklärt Hagemann. “Allerdings könnte gerade die aktuelle Entwicklung dazu führen, dass die durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführten reinen Beitragszusagen von den Gewerkschaften nicht angenommen werden und diese wichtige Chance vertan wird”, so Hagemann.
Die Aktienmärkte haben sich in 2019 sehr positiv entwickelt. Unklar ist, wie die Entwicklung im Jahr 2020 weitergeht. “Der Coronavirus hat in kurzer Zeit sehr viel Aufregung in die Märkte gebracht. Hinzu kommen die anstehenden Wahlen in den USA zum Jahresende, die internationalen Handelskonflikte sowie der Nahost-Konflikt. All dies lässt ein turbulentes Jahr 2020 erwarten. Es gilt, die Wertpapierportfolien so anzupassen, dass Ausfälle möglichst minimiert werden können”, betont Dissmann.
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