Entscheidende Faktoren werden die Art der Beziehung zum Vereinigten Königreich und die digitale Wettbewerbsfähigkeit Europas sein
Nach mehr als dreieinhalb Jahren Brexit-Debatte ist es nun soweit: Ab 1. Februar ist Großbritannien nicht länger Mitglied der EU. Doch was ändert sich mit dem Stichtag? Auf den ersten Blick nicht viel, die Übergangsfrist der EU läuft noch bis Ende des Jahres. Was danach passiert – ob geordneter Ausstieg oder harter Brexit – ist unklar. Sicher scheint nur, dass in knapp elf Monaten eine neue Ära beginnt. Deloitte befasst daher schon mit möglichen Szenarien für die Europäische Union für das kommende Jahrzehnt und präsentiert diese im neuen, zwölften Brexit-Briefing unter dem Titel “Beyond Brexit – Scenarios for the Future of Europe 2035”.
“Das Thema Thema Brexit wird uns noch länger begleiten – zumindest bis Ende des Jahres, wenn die Übergangsfrist der EU ausläuft, aber wahrscheinlich auch deutlich darüber hinaus”, sagt Dr. Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte. “Die Übergangsfrist gibt Unternehmen, die bisher abgewartet haben noch einmal die Gelegenheit, sich für alle möglichen Fälle zu rüsten. Nach wie vor ist keine Option zum Ausgang dieser Trennung ausgeschlossen und ein harter Brexit Ende des Jahres möglich. Ebenso relevant ist aber die langfristige Perspektive über 2020 hinaus und die Frage, wie sich Europa in der nächsten Dekade entwickeln könnte.
Deshalb haben wir in unserem neuen Briefing die möglichen Brexit-Konsequenzen unter zwei Gesichtspunkten betrachtet: Wie konstruktiv wird das Verhältnis zwischen UK und EU nach dem Brexit? Und welche ist die wichtigste treibende Kraft, die Europa in 2030 prägen wird? Wir haben uns hier aus vielen Möglichkeiten für die digitale EU-Wettbewerbsfähigkeit entschieden, da diese die größte Auswirkung auf die europäische Wirtschaft und die Zukunft Gesamteuropas haben dürfte. Auf Basis dieser zwei Treiber haben wir Szenarien entwickelt, die die mögliche Zukunft Europas beschreiben.”
Ausgang des Brexit und digitale EU-Entwicklung formen die Zukunft Das Ergebnis dieser Analyse stellt Deloitte im neuen Brexit-Briefing vor: Die vier grundsätzlich unterschiedlichen Szenarien stellen mögliche Zukunftsbilder vor, die als Richtschnur für die Strategie von Unternehmen hilfreich sein können. Die Szenarien alternieren dabei in einer Dimension zwischen gütlicher UK/EU-Einigung einerseits und künftiger Konkurrenz andererseits, in der anderen zwischen den möglichen Positionierungen der beiden Parteien in Bezug auf die digitale Wettbewerbsfähigkeit (Anführer / Nachzügler). Ein sechsminütiges Video innerhalb des Briefings verdeutlicht die vier sehr unterschiedlichen Zukunftsszenarien anschaulich und gibt einen spannenden Einblick, wohin die Reise gehen könnte.
Szenario 1: Neustart und Beschleunigung (“Reset & Acelerate”)
In diesem Szenario haben die Verhandlungen zu einer schnellen und klaren Einigung geführt, was die weitere wirtschaftliche Verflechtung beidseits des Ärmelkanals betrifft: Beide Seiten kooperieren eng, und gehen die nötigen Investitionen an. Ein digitaler Masterplan hat den Übergang in ein Europa ermöglicht, das digital-ökonomisch im globalen Wettbewerb mithalten kann.
Szenario 2: Gutes altes Europa (“Good Old Europe”)
Dieser Fall betrachtet das Szenario, in welchem ein langer und mühsamer Weg bis zu einer verbindlichen und umfassenden Brexit-Einigung führt. Ein solcher Prozess zieht Kräfte und Fokus von den wichtigen anderen Zukunftsfragen ab. Entsprechend gebremst verlaufen die Bemühungen zu einer grundlegenden europäischen Neuausrichtung. Doch auch hier gibt es noch etliche Möglichkeiten für Europa, sich zu spezialisieren und dank “guter alter” europäischer Werte seinen Platz in der digitalen Welt zu finden und auszubauen.
Szenario 3: Europa als Maßstab (“Benchmark Europe”)
Dieser Ausblick wird von einem schlecht gestalteten Brexit und einem Erstarken des populistischen Nationalismus beherrscht, die das Verhältnis zwischen EU und UK nachhaltig beschädigt haben. Nichtsdestotrotz sieht dieses Szenario durchaus Chancen für die EU: Hier wurde der Brexit als Weckruf verstanden und für eine radikale, beschleunigte Modernisierung der gemeinsamen, digitalen Agenda und Strategie genutzt. Als Ergebnis sieht dieses Szenario eine Union, die dank gezielter Investitionen in Innovationen und eines praktikablen Rahmens für moderne Technologien und Geschäftsmodelle neue Standards für Datenaustausch und ein modernes Europa geschaffen hat, das seinen Platz in der digitalen Zukunft bestens behaupten kann.
Szenario 4: Überleben (“Staying Alive”)
Dieses Szenario skizziert eine eher unschöne EU-Zukunft, in der Wachstum, Mitglieder- und Marktstabilität von anhaltender Uneinigkeit über die wirtschaftliche Beziehung zu Großbritannien geprägt sind. Die EU und UK sind zu Konkurrenten geworden, die sich gegenseitig das Leben schwermachen und sowohl internationale Investitionen als auch gemeinsame Innovationen durch mangelnde gemeinsame Standards eher bremsen als fördern. Dennoch bieten auch hier bilaterale Verträge und eine verstärkte Spezialisierung den Europäern noch Chancen für Wachstum und Wohlstand, wenngleich die Abhängigkeit von globalen Playern beträchtlich gewachsen ist.
“Das neueste Briefing mit der Szenario-Analyse basiert nicht ausschließlich auf Experteninterviews und Workshop-Ergebnissen, wie sonst in der Szenario-Planung üblich; erstmals fließen auch Resultate aus Quellen ein, die dank eines neuartigen Tools namens ‘Deep View’ auf Basis von ünstlicher Intelligenz entstanden sind”, erläutert Dr. Florian Klein, Stratege und Gründer des Deloitte Center for the Long View. “Neben Design und Methodologie der Analyse war uns vor allem eines wichtig: Wir wollten mit unserem neuen Briefing nicht nur aufzeigen, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Szenarien unsere Zukunft beeinflussen werden, sondern möchten zu einem verstärkten Nachdenken über das Europa von morgen anregen. Denn wenngleich der Brexit-Ausgang unkalkulierbar ist, die digitale Stellung Europas liegt in den Händen der Europäer.”
Inhaltlich verantwortlich für die Brexit Briefings ist Dr. Alexander Börsch, Chefökonom und Head of Research bei Deloitte und Dr. Florian Klein, Head of the Deloitte Center for the Long View.
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