Richard Flax, Chief Investment Officer beim digitalen Vermögensverwalter Moneyfarm: Bei Fischereiquoten und der Gibraltar-Frage liegen die Positionen von EU und UK weit auseinander

 

Der Brexit ist noch nicht einmal eine Woche alt, schon sind die “Phase 2”-Verhandlungen in vollem Gange. Großbritanniens Premier Boris Johnson behauptet, dass das Vereinigte Königreich bereit sei, ein umfassendes Freihandelsabkommen zu unterzeichnen. Allerdings versuchte er gleichzeitig, die Relevanz der Verhandlungen zu minimieren, indem er die Länder nannte, mit denen er Handelsgespräche aufzunehmen gedenkt, wie das Commonwealth, Australien, Japan und die USA.

Besonders kritisch ist, dass es einige hochgradig politisch brisante Themen gibt, bei denen eine Einigung unwahrscheinlich erscheint. Erstens, die Fischerei: Die EU fordert ein Abkommen, “das auf den bestehenden gegenseitigen Zugangsbedingungen und Quotenanteilen aufbaut”. Barniers sagte, dass ein solches Abkommen eine notwendige Bedingung für die EU sei, um ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien abzuschließen. Johnson schloss jedoch ausdrücklich aus, der EU langfristige Fischereiquoten zu garantieren. Das zweite höchst umstrittene Thema ist der Status von Gibraltar. Ein Kompromiss in diesen beiden Fragen ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis führen.

Die Situation am Anfang der Verhandlungen scheint vertrackt. Grundsätzlich gibt es keine Zusage der EU für ein Freihandelsabkommen für Dienstleistungen und klare Meinungsverschiedenheiten über die beiden Bedingungen, die die EU für die Annahme eines Freihandelsabkommens gestellt hat – Fischerei und gleiche Wettbewerbsbedingungen. Auch wenn es noch zu früh ist, um zu sagen, dass die beiden Positionen unvereinbar sind, ist eine Scheidung ohne Handelsabkommen nicht nur möglich, sondern leider auch durchaus wahrscheinlich. Das bietet leider nicht viel Klarheit für Unternehmen oder Finanzmarktteilnehmer.

In den nächsten Monaten ist wahrscheinlich mit viel Lärm und ziemlich schwierigen Verhandlungen zu rechnen, wobei die Relevanz des Themas umso mehr zunimmt, je näher wir uns dem Stichtag 31. Dezember ohne ein Abkommen in der Hand nähern. Wo wir am Ende landen werden, ist noch unklar, und für die Finanzmärkte ist dies ein eindeutiger Grund zur Besorgnis.

Wenig hilfreich ist zudem die Tatsache, dass beide Parteien deutlich gemacht haben, dass eine Einigung keine notwendige Bedingung für sie ist. Die Option, keine Einigung zu erzielen, wird in den nächsten Monaten sehr wahrscheinlich von beiden Parteien immer wieder betont werden. Dies hat durchaus das Potenzial, die Volatilität an den Finanzmärkten zu erhöhen.

 

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