Die makroökonomische Situation ist weiterhin positiv, die Marktstimmung bullish und die Marktbewertungen sind nach vier Monaten steigender Kurse insgesamt hoch.
Dank der Entschärfung des Handelskrieges und mehr Klarheit über den Brexit ist ein großer Teil der Unsicherheit der letzten Quartale verflogen, mit positiven Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Die Zentralbanker haben eine wichtige, sogar vorrangige Verantwortung gegenüber den Märkten und der Wirtschaft. Wenn die globalen Investitionen wieder ansteigen, könnten sie dort einen Ausweg aus der quantitativen Lockerung sehen. Wir kennen das Muster, Blasen bilden sich und platzen, daher ist es äußerst wichtig, unsere Zentralbanker im Auge zu behalten, um in den kommenden Quartalen sicher zu navigieren.
Die Welt steht Kopf
Den Wirtschaftsstudenten des zwanzigsten Jahrhunderts wurde beigebracht, dass die beiden Hauptaufgaben einer Zentralbank die Sicherung des Finanzsystems und die Kontrolle der Inflation waren. Die Krise von 2008 und ihre Auswirkungen auf die Märkte haben diese Lehren überholt: Seit mehr als einem Jahrzehnt haben die Fed und die EZB keines dieser beiden Ziele verteidigt. In gewisser Weise hat ein neues Ziel Vorrang: die Begrenzung der Volatilität an den Finanzmärkten. Dies wird traditionell als “Fed-Put” bezeichnet, wobei die Fed den Anlegern signalisiert, dass sie ihnen im Falle einer Marktabschwächung den Rücken freihalten wird, was durch ihren Ton und ihr Handeln beruhigt.
Diese Haltung hat sich eindeutig verstärkt: Unsere Zentralbanken sind allmählich zu Marktverwaltern geworden und stimulieren sie bei jedem Anzeichen von Schwäche. Die Zahlen lügen nicht: Der MSCI World Index stieg von Dezember 2008 bis Dezember 2019 um 221%. Dies entspricht einer Preisrendite von 11,86% pro Jahr gegenüber 6,63% von 1969 bis 2008: eine Zentralbankprämie von über 5%. Bäume wachsen nicht in den Himmel, aber manchmal scheinen sie es zu tun. Die Zentralbanker sind im Laufe der Jahre zu großen Gärtnern geworden und haben die Märkte von ihrem kostbaren Dünger abhängig gemacht.
Dieser Paradigmenwechsel ist, ohne ein Werturteil abzugeben, bei der Verwaltung von Portfolios unerlässlich: Ein Großteil der Aktienrenditen der letzten zwei Jahre erklärt sich aus dem Handeln unserer Zentralbanken. Zwei Zahlen veranschaulichen das Ausmaß des Phänomens: Zwischen 2006 und 2019 betrug die Korrelation zwischen der Wachstumsrate der Käufe von US-Staatsanleihen durch die Fed und der Rendite des S&P 500-Index 6%. Zwischen 2018 und 2019 betrug sie 31% und zwischen 2008 und 2009, am Höhepunkt der schwersten Rezession des modernen Kapitalismus, erreichte sie 40%. Diese beiden Perioden sind aus wirtschaftlicher Sicht nicht gleich, und dennoch haben die Zentralbanken den Markt in diesen beiden Zeiträumen auf vergleichbare Weise „gelenkt“.
Im Jahr 2018 beendete die Fed ihr Anleiherückkaufprogramm und reduzierte ihren aktiven Bestand an Staatsanleihen zwischen Dezember 2017 und Juli 2019 von 2,5 Billionen US-Dollar auf 2 Billionen US-Dollar. Dies entspricht weltweit etwa 50% der Anleihekäufe, die während der ersten Welle von Direktkäufen von September 2010 bis August 2011 getätigt wurden, was 2,5% des US-BIP entspricht. Nicht überraschend verloren die Aktienmärkte an Boden, und einige Monate später senkte die Fed nicht nur ihre Leitzinsen, sondern begann auch wieder Anleihen zu kaufen. Diese Käufe erfolgten ebenfalls in einem relativ hohen Tempo: In den letzten vier Monaten wuchs die Bilanz der Zentralbank auf Jahresbasis um 25%. Zum Vergleich: Zwischen 2013 und 2014 lag diese Quote bei 20%, zwischen 2010 und 2011 bei 50%. Diese Liquiditätszufuhr in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hatte vor allem zwei Auswirkungen. Erstens verlor der Dollar allmählich fast 3 % in einem Jahr, in dem er unaufhaltsam zu steigen schien: Der Rückkauf von Anleihen führte zu einer Erhöhung der Geldmenge, die seinen Wert verringerte. Die zweite Auswirkung wird den Anlegern mehr Erinnerungen hinterlassen: Ohne spürbare wirtschaftliche Verbesserungen hatten die Aktien ein fantastisches Jahresende. In der Tat blieben positive wirtschaftliche Überraschungen weitestgehend aus, ob in den USA, der Eurozone, Großbritannien oder China. Trotz dieser Konjunkturflaute erzielten globale Aktien in vier Monaten immer noch eine zusätzliche Rendite von 11%.
Die Zauberformel der Zentralbanker
Wie funktioniert diese Zentralbank-Magie? Schließlich haben weder die Fed noch die EZB Aktien direkt gekauft, doch die Korrelation zwischen Anleihekäufen und Aktienrenditen lässt etwas anderes vermuten. Wenn eine Zentralbank wie die Fed Anleihen kauft, senkt sie die Zinsen. Im einfachsten der Aktienbewertungsmodelle, dem Gordon- und Shapiro-Modell, wirkt sich der Zinsrückgang durch den Abzinsungsfaktor positiv auf die Aktienkurse aus.
Um sich ein Bild von der Größenordnung zu machen, kann eine Senkung der Zinssätze um 100 Basispunkte eine Erhöhung der Dividendenwachstumsrate um etwa 2% bewirken. Diese Abweichung mag zwar gering erscheinen, aber wenn man bedenkt, dass sie dauerhaft ist, entspricht dies einer Ertragssteigerung von etwa 20% über ein Jahr. Im Jahr 2019 stieg die Wachstumsrate der Dividenden nicht an, und dennoch lieferten Aktien eine Performance von mehr als 20%: Die Zahlen lügen nicht, es waren unsere Zentralbanken, die diese Performance orchestriert haben. Eine andere Methode zur Beurteilung ist die Berechnung der durchschnittlichen Performance der Aktienmärkte seit 2005, als die Bilanz der Fed mit einer vergleichbaren Rate wuchs: Auch hier ist die Antwort eindeutig, 20% pro Jahr.
Auch hier gilt: Makro, Sentiment und Bewertung
Um die Rolle der Zentralbanken im kommenden Jahr vorwegzunehmen, müssen die Faktoren untersucht werden, die sie dazu veranlasst haben, ihre Bilanzen zu reduzieren und zu erhöhen. Das Ziel ist, die Volatilität der Finanzmärkte zu begrenzen, und entsprechend spiegeln sich hier die Faktoren wider, die die Anlagenrendite beeinflussen: Makro, die Marktstimmung und die Bewertung.
Makroökonomisch gesehen besteht die derzeitige schwache Wachstumsphase gemäß unserem Wachstums-Nowcasters seit April 2019. Eine weitere Verschlechterung bleibt möglich, ist aber nicht unser Basisszenario. Die niedrige Inflationsphase, die wir zurzeit erleben, sollte anhalten und die Zentralbanken ihren akkommodierenden Kurs beibehalten.
Zwei Faktoren könnten diese Situation dennoch ändern: Zum einen wird der Zinsrückgang des letzten Jahres nicht nur die Märkte, sondern auch die Wirtschaft beeinflusst haben. Historisch gesehen führt ein Zinsrückgang zwischen 50 und 75 Basispunkten zu einem zusätzlichen Wachstum von rund 50 Basispunkten über ein Jahr, mit potenziellen Resteffekten. Das Wachstum könnte also durchaus noch etwas Dynamik bekommen. Zweitens scheinen mit der Klarheit über den Brexit und dem Ende des Handelskrieges zwei wesentliche Unsicherheitsfaktoren verschwunden zu sein. Der aktuelle Zyklus hält dank des Verbrauchers an: Eine Verringerung der Unsicherheit könnte entscheidend zur Erholung der Investitionen beitragen. In unserem amerikanischen Wachstums-Nowcaster sind die monetären und finanziellen Bedingungen die stärkste Komponente. Falls das Vertrauen der Unternehmen zurückkehrt, könnten die Unternehmensinvestitionen der US-Wirtschaft neues Leben einhauchen. In diesem Fall halten wir eine geldpolitische Kursänderung für notwendig. Der daraus resultierende Anstieg der (langfristigen) Zinsen würde sowohl Anleihen als auch Aktien erschüttern. Bei Aktien würde die potenzielle Versteilung der Zinskurven den Finanz- und „Value“-Titeln im Allgemeinen zugutekommen.
Dies könnte eine der potenziellen Quellen für eine erhöhte Volatilität sein, die wir in den kommenden Quartalen erwarten. Die Kombination aus der stark verbesserten Marktstimmung, veranschaulicht durch die Daten zur Aktienpositionierung, und den übermäßigen Bewertungen hat dem Stimmungsfaktor eine gefährlich unverhältnismäßige Katalysator-Rolle verliehen. Die nun sichtbar positive Stimmung könnte sich rasch umkehren. Angesichts des anhaltenden Anstiegs der Finanzmärkte und des Rückgangs der impliziten und realisierten Volatilität würden die Notenbanker nicht zögern, ihre Geldpolitik zu normalisieren.
Wie kann man sich schützen? Wir glauben, dass eine Untergewichtung in „Credits“ den Schaden begrenzen würde: Historisch gesehen sind die durchschnittlichen Renditen im Folgejahr, wenn die Credit Spreads in diesem Ausmaß kontrahiert sind, alle negativ, unabhängig vom Emittenten. Aus diesen Gründen sind wir im Investment-Grade bereits untergewichtet. Dies ist eine kostengünstige Versicherung für ein potentielles Risiko in diesem Jahr. Eine weitere Absicherung ist unsere „FX Value“ -Strategie.
Dies sind die Risiken für unser Szenario eines durchschnittlichen Wachstums ohne Inflation, die zu einer volatilen Wertentwicklung der Growth Assets im Jahr 2020 führen könnten. Auch wenn ihre Wahrscheinlichkeit begrenzt bleibt, wären ihre Folgen für die Märkte verheerend, da niemand Korrelationsschocks mag.
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