Konjunkturdaten scheinen sich zu bessern, doch politische Unsicherheit und falsche Fiskalpolitik bereiten Investoren Sorgen

 

Vor fünf Jahren hätte man sich kaum vorstellen können, dass Hongkong, Chile, Großbritannien und die USA eines Tages für politische Risiken sorgen würden. Schließlich ist Hongkong eine der reichsten Städte Asiens und ein Weltfinanzzentrum und Chile immerhin die reichste und stabilste Volkswirtschaft Südamerikas. In Großbritannien sitzt das älteste Parlament der Welt und die USA ist vermutlich das Land mit der ältesten Demokratie und der weltgrößten Volkswirtschaft.

Aber so sieht es aus, wenige Wochen vor dem Jahreswechsel, sodass wir in unserem Ausblick für 2020 ausführlich auf diese Themen eingegangen sind. Obwohl Investoren wieder mutiger werden und so sehr man den Konjunkturdaten auch wieder vertraut, fürchtet man politische Unsicherheit und eine falsche Fiskalpolitik – wie schon seit Jahren nicht mehr.

Trump-Rhetorik oder Standardfloskeln?

In den letzten zwei Wochen wurden Staatsanleihen aus den Kernländern in großem Umfang abgestoßen und die Zinsstrukturkurven wurden erneut so steil wie zuletzt im Sommer. Investorenbefragungen und Kapitalflussstatistiken deuten darauf hin, dass die Anleger wieder in Aktien umschichten und dabei konjunktursensitivere Zykliker und Substanzwerte defensiven Titeln und Wachstumswerten vorziehen. Im dritten Quartal waren die Unternehmensgewinne höher als erwartet.

Verfolgte man Trumps Ansprache im Economic Club of New York Mitte November, konnte der Eindruck entstehen, dass Trump hier einige Standardfloskeln für den bevorstehenden Wahlkampf probte.

Wer kann ihm das verdenken? Trump sagte, dass das Bruttoinlandsprodukt 2018 real in den USA stärker gewachsen sei als in allen anderen G7-Ländern, die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie nie; außerdem befinde sich die Arbeitslosigkeit unter Amerikanern mit Migrationshintergrund auf einem Rekordtief und die Frauenarbeitslosigkeit sei nur wenig von einem 70-Jahres-Tief entfernt. Zudem würden die Haushaltseinkommen steigen und der S&P 500 habe sich auf seinem Allzeithoch etabliert.

Jeder andere Präsident dürfte bei den derzeitigen Markt- und Konjunkturdaten wohl mit einem hohen Wahlsieg im November rechnen können. Nicht so Trump, dem die Umfragen einen knappen Wahlausgang prognostizieren, zumal die Impeachment-Anhörungen jetzt erst richtig Fahrt aufnehmen.

Unberechenbar

Der Brexit hat eine andere Qualität als frühere Streitigkeiten in der EU, die Unruhen in Hongkong sind nicht einfach eine weitere politische Demonstration, und Trump ist mehr als nur ein weiterer US-Präsident. All dies spricht für große Unsicherheit und Volatilität in Weltpolitik und Weltwirtschaft.

Jahrelang könnte die Entwicklung daher unberechenbar sein, aber auch kurzfristig ist sie schwer einzuschätzen: Trumps Handelsgespräche mögen vielversprechend scheinen, doch schon am nächsten Tag würde der Präsident auf massive Zollerhöhungen bestehen, bliebe eine Einigung aus. Die US-Wahlen werden all dies in den Fokus rücken.

Im November 2020 dürften die Unterschiede zwischen den Wahlprogrammen der beiden Kandidaten so groß sein, wie es nur selten in den vergangenen 50 Jahren der Fall war. Das aktuelle Feld der demokratischen Bewerber versucht sich an ungewöhnlich interventionistischen Maßnahmen, die in Folge massive Auswirkungen auf den Energie-, Finanz-, Technologie- und auch den Gesundheits-Sektor haben könnten – diese machen zusammen immerhin über die Hälfte des S&P 500 aus. Das wiederum hat moderatere Kandidaten wie den früheren New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg und den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, dazu veranlasst, ebenfalls über eine Bewerbung nachzudenken.

Kein einfacher Weg – Was sollten Investoren aus all dem schließen?

Wir halten die jüngste Wende der Konjunkturdaten und der Investorenstimmung für nachhaltig. Zykliker, Substanzwerte und Small Caps erscheinen nach einer langen Zeit der Mindererträge jetzt interessant. Allerdings muss dies nicht bedeuten, dass die Risikobereitschaft dauerhaft steigt.

Das Wachstum mag zunehmen, aber der Konjunkturzyklus ist in die Jahre gekommen. Die Notenbanken haben jetzt nicht mehr so viele Möglichkeiten, die Dinge zum Besseren zu wenden. Vor allem aber gibt es viele politische Fallstricke, die selbst eine sehr dynamische Volkswirtschaft aus dem Tritt bringen könnten.

Es ist daher zu befürchten, dass Schwächephasen 2020 länger und tiefer sein werden als die vorübergehenden Rückschläge im Jahr 2019. Dies dürfte zu Wertsteigerungsmöglichkeiten für langfristige Investoren führen – aber auch zu viel Auf und Ab.

 

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