Geldpolitische Kehrtwende: Notenbanken reagieren auf Wachstumsschwäche und fallende Inflationserwartungen
Die Kapitalmärkte zeigten sich im ersten Halbjahr von ihrer sonnigen Seite: Sämtliche Anlageklassen liegen im Plus, nur wer auf Barmittel setzte, musste sich mit einer negativen Rendite von -0,1 Prozent begnügen. So erfreuten nicht nur Aktien die Anleger, auch einige Anleihensegmente schnitten in den ersten sechs Monaten sehr gut ab, beispielsweise Schwellenländeranleihen mit einem Wertzuwachs von 11,0 Prozent. Die Wertentwicklung ist also auf einer sehr breiten Basis positiv. Bei der Vorstellung des Guide to the Markets für das dritte Quartal 2019 erläuterte Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, dass sich bei aller Freude über diese Entwicklung die Jagd nach Rendite für Anleger in Zukunft schwieriger gestalten dürfte. Dabei gelte es mit Blick auf die nächsten Monate, drei Themen ganz besonders im Blick zu behalten: Handelskonflikte, Geldpolitik sowie die Entwicklungen in China. Wenn Anleger positive reale Erträge erzielen möchten, führt diese Gemengelage dazu, dass bei der Geldanlage in Zukunft mehr Risikobereitschaft gefragt ist.
Verschärfung im Handelskonflikt sorgt für Preisauftrieb in den USA
Mit der „America-first“-Agenda drehen die USA nach Ansicht von Tilmann Galler nun die Zeit sinkender Handelsbarrieren um 50 Jahre zurück. Ende des Jahres droht eine zusätzliche Verschärfung im Handelsstreit, falls die USA Importzölle auch auf Automobile sowie Fahrzeugteile erheben. Diese Auswirkungen sollte dann auch die US-Wirtschaft bald zu spüren bekommen: „Noch handelt es sich bei den Importen aus China in die USA zu rund 50 Prozent um Vorprodukte. Doch in Zukunft könnten verstärkt Konsumgüter mit Zöllen belegt werden. Das wird für einen stärkeren Preisauftrieb in den USA sorgen“, erklärt Tilmann Galler.
In der Folge tendieren die Einkaufsmanagerindizes inzwischen zunehmend in Richtung Rezession. „Für die Gesamtwirtschaft wird das Risiko größer, dass Unternehmen ihre Investitionstätigkeit zurückfahren. Die US-Wirtschaft ist also keinesfalls immun gegen bremsende Effekte im Zuge des Handelskonflikts“, erläutert Galler.
Nichtsdestotrotz dürfte der Konsum in den USA weiterhin positive Wachstumsbeiträge liefern. Indikatoren dafür sind die nach wie vor niedrige Arbeitslosenquote, die im Juni lediglich 3,7 Prozent betrug, sowie das solide Lohnwachstum, das im Juni bei 3,4 Prozent lag. Insgesamt dürfte das Wirtschaftswachstum in den USA schwächer werden und mit 1,8 bis 2,0 Prozent unter Trend liegen.
Durch die enge Verflechtung der Handelsbeziehungen weltweit – ein Drittel des globalen Warenhandels findet beispielsweise mit oder innerhalb der EU statt – ist damit zu rechnen, dass die Auswirkungen der aktuellen Handelskonflikte weltweit spürbar sind. In Europa verschlechtert sich zunehmend die Stimmung der Unternehmen, die zusätzlich noch unter der Unsicherheit über den weiteren Fortgang des Brexit zu leiden haben – positiv ist jedoch zu sehen, dass der Arbeitsmarkt in Europa bisher stabil bleibt. Doch die Gefahr einer negativen Ansteckung des robusten Dienstleistungssektors aufgrund der Schwächephase in der Industrie wird mit jedem Monat größer.
Geldpolitische Kehrtwende: Notenbanken reagieren auf Wachstumsschwäche und fallende Inflationserwartungen
Die zunehmende wirtschaftliche Eintrübung hat mittlerweile verstärkt die Zentralbanken auf den Plan gerufen. „Die Schwäche der Industrie führt zur Kehrtwende bei der US-Zentralbank“, stellt Tilmann Galler fest. Für 2019 könnte somit nach der ersten Zinssenkung seit elf Jahren noch mit mindestens einer weiteren Zinssenkung der Federal Reserve (Fed) zu rechnen sein. Die Konsequenz weiterer Zinssenkungen wäre nach Ansicht von Tilmann Galler dramatisch: „Der Realzins, der in den USA von einem negativen Niveau ausgehend inzwischen leicht positiv geworden ist, stoppt seinen Aufwärtstrend nun viel früher als angenommen. Zum Ende des Jahres dürfte der Realzins daher wieder zurück auf die Null-Linie fallen.“ Die EZB werde nach Einschätzung von Galler mit einer Zinsnormalisierung gar nicht erst anfangen.
In diesem Kontext sieht Galler die Fed immer stärker marktabhängig agieren. Solange die Inflation moderat bleibe, werde sich daher an der Politik der niedrigen Zinsen voraussichtlich nichts ändern, erklärt Tilmann Galler.
China: Steuersenkungen dürften chinesische Wirtschaft in den nächsten Monaten stimulieren
Mit Blick auf China sieht der Experte zwei wesentliche Themen für Investoren: Zum einen sei die Frage, ob der finanzpolitische Stimulus ausreicht, um eine harte Landung der chinesischen Wirtschaft zu vermeiden. Mit einem Umfang von 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei der Stimulus sehr groß. Tilmann Galler hebt insbesondere die veränderte Ausrichtung hervor: Im Gegensatz zu früheren Stimuli liege der Fokus nun stärker auf Steuersenkungen und damit auf der Konsumförderung, weniger im Bereich des Immobilienmarktes. „Wir rechnen damit, dass die chinesische Wirtschaftsaktivität in Zukunft zunehmen wird. Es kann jedoch erfahrungsgemäß bis zu 18 Monate dauern, bis die Konjunktur auf Stimuli reagiert“, erklärt Galler. Ein Indikator seien etwa die Importe: Noch sehe man bei den chinesischen Importen keine Erholung, dies dürfte jedoch im Laufe des zweiten Halbjahrs der Fall sein.
Die zweite, sich daran anschließende Frage sei, ob China sich einen derartigen Stimulus – und damit eine derartige Verschuldung – überhaupt leisten könne. Der Zinsaufwand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sei demnach in China in den letzten Jahren stark angestiegen und fange an, gefährlich zu werden. Noch sei dies aber beherrschbar. „China sollte in der Lage sein, sein Defizit ohne größere ökonomische Verwerfungen zu finanzieren“, ist Tilmann Galler überzeugt.
Die Jagd nach Rendite erfordert immer mehr Risikobereitschaft
Nach Ansicht von Tilmann Galler geht die Jagd nach Rendite für Anleger nicht nur weiter, sondern werde auch zunehmend herausfordernder: „Anleger werden in Zukunft trotz zyklischer Risiken weiter ins Risiko gehen müssen.“ Aktien dürften aufgrund der lockeren Zentralbankpolitik attraktiv bleiben. Aus relativer Sicht seien Aktien gegenüber Anleihen zudem nicht teurer geworden, weil die Renditen von US-Staatsanleihen so stark gesunken seien. Gleichwohl sollte man nicht zu euphorisch im Aktiensegment werden, da die Gewinnerwartungen der Unternehmen im Zuge der Handelskonflikte unter Druck blieben. Auch sei die Verschuldung der Unternehmen in den letzten Jahren stark gestiegen.
„Im aktuellen Umfeld bevorzugen wir Unternehmen mit mehr Qualität – der Pharmasektor gehört dabei beispielsweise zu den interessanten Bereichen. Im Gegenzug haben wir das Engagement in Small und Mid Caps zurückgefahren“, erläutert Galler. Auch Hochzinsanleihen seien aus taktischer Sicht nach wie vor attraktiv. Für Finanztitel dürfte das Umfeld aufgrund des Aussetzens der Zinsnormalisierung schwieriger werden. Emerging Markets seien erst wieder interessant, wenn auch die Einkaufsmanagerindizes wieder ins Positive drehten.
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