Investmentkommentar der schottischen Investmentgesellschaft Baillie Gifford

 

Ineffiziente Märkte und die asymmetrischen Ertragsverteilungen profitabler Unternehmen können Chancen für Langzeitinvestoren bereithalten. Während die Analyse gegenwärtiger Produkte und Märkte kein guter Indikator für die zukünftige Performance eines Unternehmens ist, können Investoren durch Bewertungsstrategien abseits von kurzfristigen Kennziffern, mit Fokus auf immaterielle Daten wie Managementqualität, langfristig den Markt übertreffen.

“Die Annahme, der US-Aktienmarkt sei der effizienteste Markt der Welt, ist dankenswerterweise falsch“, sagt Helen Xiong, Investmentmanager bei der schottischen Investmentgesellschaft Baillie Gifford. „Wäre die Annahme richtig, wären dies schlechte Nachrichten für Investoren, da es nahezu unmöglich wäre, den Markt zu schlagen.

Während der Aktienmarkt in seiner Gesamtheit sehr ertragreich ist, ist lediglich eine geringe Zahl von Aktien für den Großteil des Ertrags verantwortlich. Deutlich wird dies am Beispiel des US-Aktienmarktes anhand einer Studie der Arizona State University, der zufolge zwischen 1926 und 2016 circa 0,3 Prozent der Firmen rund 50 Prozent des Ertrags generierten. Lediglich 4 Prozent der Aktien waren erfolgreicher als kurzfristige Schatzwechsel der amerikanischen Regierung. Wir vertreten daher die Ansicht, dass traditionelle Bewertungskriterien nicht ausreichend sind, um diese geringe Zahl hochprofitabler Aktien auszuwählen. Es ist gewissermaßen paradox, dass der Wert eines Unternehmens vom Wert des zukünftigen Cashflow abhängt, während sich die Bewertung auf Daten stützt, die die Vergangenheit wiederspiegeln.

Wir sehen Unternehmensbewertungen daher als Wahrscheinlichkeiten und fokussieren uns ausschließlich auf die Kursgewinnchancen und nicht auf potentielle Kursverluste. Falls wir falschliegen, können wir zwar 100 Prozent unseres Investments verlieren, jedoch ist unser möglicher Gewinn, falls wir richtig liegen, nach oben offen und damit um ein vielfaches höher. Es kommt einen, mathematisch gesehen, teurer zu stehen in die richtige Firma nicht zu investieren, als das falsche Unternehmen zu kaufen.

Deutlich wird dies am Beispiel der Unternehmen Lending Club und Netflix. Während die Entscheidung für den Kauf von Lending Club im Jahr 2015 einen Verlust von 70 Prozent mit sich brachte, entging uns durch die Entscheidung gegen den Kauf von Netflix im Jahr 2011 ein Kursgewinn von 700 Prozent bis zum Jahr 2016, in dem wir schließlich Netflix-Anteile erwarben. Obwohl Netflix‘ Wert sich seitdem annähernd vervierfacht hat und das Unternehmen damit ein sehr erfolgreiches Investment ist, war die Entscheidung gegen den Kauf im Jahr 2011 aus Opportunitätskostenperspektive circa sieben mal kostspieliger als die Fehlentscheidung, in Lending Club zu investieren.

Weiterhin sind qualitative Daten wie die Qualität des Managements, Innovationsfähigkeit oder Unternehmenskultur sehr schwierig zu quantifizieren und nicht in Kennziffern repräsentiert, obwohl sie ausschlaggebend für den zukünftigen Erfolg sein können.

Die Wichtigkeit der Kultur wird deutlich am Beispiel Amazon und eBay. Zum Zeitpunkt des Investments im Jahre 2004 erschien eBay dank höherem Handelsvolumen, stärkerem Branding und höherer Margen attraktiver. Amazon war zur gleichen Zeit nicht profitabel. Jedoch waren die kulturellen Unterschiede bereits erkennbar. Während Amazon-Gründer Jeff Bezos bereits langfristige Ziele verfolgte, ohne Interesse an kurzfristigen Kursgewinnen, zog sich eBay-Gründer Pierre Omidyar aus der Führung des Unternehmens zurück und verbrachte lieber Zeit auf Hawaii. eBay wurde stattdessen vom Finanzmanager John Donahoe gelenkt, dessen Kompensation an kurzfristigen Kennzahlen bemessen wurde. Dieser Fokus auf schnellen Profit war rückblickend ein ausschlaggebendes Zeichen der Unterschiede in der Unternehmenskultur. eBay war im Jahr 2004 doppelt so viel wert wie Amazon. Heute ist Amazons Firmenwert 25-mal höher als der von eBay.“

 

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