Kommentar von Alison Porter, Graeme Clark und Richard Clode, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors
- Direkte Auswirkungen auf Tech-Unternehmen sind zunächst gering.
- Es bleibt abzuwarten, ob es sich bei den Zöllen lediglich um ein kurzfristiges Ereignisrisiko handelt oder ob daraus ein längerfristiges, sekundäres Wirtschaftsrisiko entsteht.
- Angesichts des gestiegenen Risikos einer Konjunkturabschwächung sollten Positionen in weniger liquiden und stark zyklischen Unternehmen überdacht werden.
Seit der DeepSeek-Ankündigung Anfang des Jahres, die eine Neubewertung der KI-Investitionen und ein erneutes Interesse an chinesischen KI- Titeln auslöste, kam es zu einem rollierenden Ausverkauf bei Technologieaktien. Zuletzt sorgte die Ankündigung von Trumps „Tag der Befreiung“, der unerwartet hohe Zölle gegen alle Länder ankündigte, für einen breiten Ausverkauf in allen Sektoren. Besonders betroffen sind dabei zyklische Teilbereiche wie Halbleiter und Hardware. Zwar sind diese von direkten Auswirkungen der Zölle ausgenommen oder können sie umgehen, dennoch bleiben sie anfällig für die sekundären Auswirkungen der Nachfragevernichtung und einer möglichen Konjunkturabschwächung. Trotz der Baisse sollten sich Anleger daran erinnern, dass der Technologiesektor im Vergleich zu anderen Sektoren weiterhin gut positioniert ist. Er profitiert von mehreren säkularen Wachstumstreibern sowie von sehr gesunden Bilanzen und einer starken Cashflow-Generierung.
Eine Korrektur im Technologiesektor kann gesund sein
Kurzfristige Korrekturen kommen dem Sektor unserer Ansicht nach zugute, da bestimmte Bereiche zu Übertreibungen neigen können. Betrachtet man jedoch den Sektor als Ganzes, erscheinen uns andere Bereiche sowohl relativ als auch absolut als unterbewertet – zumindest, wenn man das Wachstumspotenzial der säkularen Trends berücksichtigt, die diese Aktien antreiben. So wird Amazon beispielsweise immer noch mit einem erheblichen Abschlag gegenüber Walmart gehandelt, obwohl es deutlich höhere Margen und bessere Wachstumsaussichten hat.
Angesichts der aktuellen Marktturbulenzen sollten Tech-Investoren unserer Meinung nach diese fünf Schlüsselfaktoren im Auge behalten:
- Die direkten Auswirkungen der Zölle auf den Technologiesektor sind gering
Insgesamt haben die von Präsident Trump angekündigten Zölle weniger unmittelbare Auswirkungen auf den Technologiesektor – zumal Halbleiter ebenso von den Zöllen ausgenommen sind, wie die unter Dienstleistungen fallende Software (nur auf Hardware werden Zölle erhoben). Wir haben uns mit Unternehmen vor Ort ausgetauscht, um besser zu verstehen, wie sie auf die aktuelle Lage reagieren, welche Rückmeldungen sie von ihren Kunden erhalten und welche Auswirkungen sich derzeit auf ihr Geschäft ergeben. So führten wir kürzlich ein Gespräch mit Jabil, einem der weltweit größten Auftragsfertiger mit Kunden wie Apple, Amazon und Tesla. Jabil wies darauf hin, dass die Produktion außerhalb Mexikos im Rahmen des Abkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada immer noch zollfrei ist. Angesichts des enormen Kostenunterschieds bei der Fertigung in Mexiko und den USA (6 US-Dollar gegenüber 33 US-Dollar) scheinen die Unternehmen trotz der Zölle bereit zu sein, die höheren Kosten der Produktion in Mexiko zu tragen. Dies überrascht uns sehr und zeigt, wie stabil einige dieser Lieferketten und ihre Kunden sind.
- Die Zollinflation wirkt direkt auf den Techsektor
Aus unserer Sicht werden sich die inflationären Auswirkungen der Zölle als auch das verlangsamte Wirtschaftswachstum aufgrund des schwächeren Verbraucher- und Unternehmervertrauens direkt auf den Sektor auswirken, da Kaufentscheidungen neu überdacht werden. Wir beobachten die finanzielle Belastung des Marktes weiterhin genau, insbesondere mit Blick auf die Bewertungsdisziplin.
Aber selbst in einem Umfeld mit geringerem Wachstum betrachten wir Technologie als Wissenschaft zur Problembehebung – mit vielen widerstandsfähigen Wirtschaftsbereichen. Cybersicherheit wäre ein zentrales Beispiel: Ein Anstieg der Verteidigungsausgaben wird die Nachfrage nach Software, Halbleitern und Konnektoren ankurbeln. Außerdem haben sich Konjunkturabschwächungen in der Vergangenheit als Katalysator für die Einführung neuer Technologien zur Steigerung von Effizienz und Produktivität erwiesen.
- Ereignisrisiko vs. Wirtschaftsrisiko?
Um die Folgen der Zölle besser einschätzen zu können, ist zu klären, ob es sich um ein kurzfristiges Ereignisrisiko handelt – im Falle von Verhandlungen und Zugeständnissen in den kommenden Wochen – oder um ein breiteres, längerfristiges Wirtschaftsrisiko, sollte Trump unnachgiebig bleiben. Während der Pandemie kam es zu einer sehr starken Korrektur der Gewinnerwartungen für 2020 mit schnell sinkenden Gewinnkorrekturen. Als dann Tech zu einem zentralen Bestandteil der Unternehmenstätigkeit wurde und sich die Verbraucherpräferenzen während Corona änderten, kam es zu einer sehr starken Gewinnerholung.
Wir haben noch keine signifikante Gewinnkorrektur gesehen, aber wir beobachten sie genau. In diesem Jahr gingen die Gewinnrevisionen im Technologiesektor bisher um ca. 14 % zurück. Wir würden jede weitere größere Abwärtskorrektur der Gewinnerwartungen in den nächsten Monaten der Berichtssaison und der Zollverhandlungen in einem positiven Licht sehen – vorausgesetzt, sie bewegt sich nahe an den historischen Tiefstständen der negativen Revisionen und setzt eine niedrigere Messlatte für künftige Gewinne, die ab der zweiten Jahreshälfte zu schlagen sind. Dies ist eine ähnliche Dynamik wie in der ersten Jahreshälfte 2020.
- Resilienz – Technologie und KI sind jetzt nationale Prioritäten
Zölle werden die EU, China oder andere Länder nicht von ihren Plänen abbringen, eigene KI-Datenfabriken aufzubauen. KI spielt schon seit vielen Jahren eine wichtige Rolle in der Geopolitik. Die zusätzlichen Auswirkungen der Zölle dürften daher minimal sein, da die Lieferketten bereits neu geordnet wurden, um die neue geopolitische Ausrichtung und die US-Exportbeschränkungen zu berücksichtigen. Vielmehr wird sich die Konzentration auf den Aufbau lokaler Lieferketten durch den Zollkrieg verstärken und ausweiten. Die angekündigten enormen Investitionen werden in die Bereitstellung von Ausrüstung und Infrastruktur fließen müssen, um diese Neuausrichtung zu ermöglichen. Dies sorgt für einen langfristigen Wachstumsschub, da dieser Prozess nicht Monate, sondern Jahre dauern wird.
- Historisch gesehen schneidet die Technologiebranche zu Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs meist besser ab
In Aufschwungphasen hat der Technologiesektor in der Regel andere Sektoren überflügelt. Dies gilt insbesondere nach einem Abschwung, da er von den steigenden Unternehmens- und Verbraucherausgaben profitiert. Daher ist es von Vorteil, in diesem Sektor investiert zu bleiben. Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass das Risiko einer Konjunkturabschwächung definitiv zugenommen hat. Daher sollten Anleger ihre Allokation in weniger liquide und stark zyklische Unternehmen überdenken und sich auf diejenigen konzentrieren, die mit größerer Wahrscheinlichkeit auch in einer Phase erhöhter Unsicherheit weiterhin führend sein werden. Eine fundamentale Bottom-up-Analyse und ein aktives Management sind der Schlüssel zur Bewältigung der kurzfristigen Risiken und zur Positionierung der Portfolios für eine künftige Trendwende.
Bietet sich jetzt eine Kaufgelegenheit?
Viele Anleger fragen sich, ob dies jetzt ein guter Einstiegspunkt für die Technologiebranche ist. Eine eindeutige Antwort hängt von zwei Faktoren ab. Klarheit über eine Deeskalation der Zölle durch Vereinbarungen oder eine Verzögerung sowie eine Neujustierung der Erwartungen, um die schwächeren Wirtschaftsbedingungen auf kurze Sicht widerzuspiegeln. Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Monaten das eine oder auch beides erleben könnten, was einen optimistischeren Ausblick für den Sektor und die Märkte insgesamt auf dem Weg in die zweite Jahreshälfte bieten würde. Auch die Bewertungen haben sich wieder normalisiert. Zwar sind die Durchschnittswerte nach wie vor höher als in der Vergangenheit, doch muss man die mathematischen Zusammenhänge verstehen, die sich dahinter verbergen, ebenso wie die Zweiteilung des Marktes, bei der bestimmte Namen der „Magnificent 7“ oder bestimmte Technologiebereiche im Allgemeinen diese Durchschnittswerte verzerren. Viele Technologiebereiche sind inzwischen auf ein attraktives Niveau gesunken, was Chancen für längerfristige Anleger eröffnet – vor allem, wenn man sich unsere anhaltende Überzeugung vor Augen hält, dass die nächste große Technologiewelle der künstlichen Intelligenz noch in den Kinderschuhen steckt.
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