Die Finanzaufsicht BaFin hat im Jahr 2024 den Markt für Zertifikate in zwei voneinander unabhängigen Marktstudien untersucht.

Banken und Sparkassen haben nach der Niedrigzinsphase Privatkundinnen und -kunden nicht zum Zertifikate-Kauf gedrängt, so das Ergebnis der Studie zu Zins- und Express-Zertifikaten. Anders die Situation bei der Studie zu Turbo-Zertifikaten: Mit diesen Produkten verloren deutsche Privatkundinnen und -kunden in den Jahren 2019 bis 2023 insgesamt rund 3,4 Milliarden Euro, drei von vier Kundinnen bzw. Kunden erlitten Verluste. Die detaillierten Ergebnisse ihrer Turbo-Zertifikate-Studie wird die Finanzaufsicht spätestens im zweiten Quartal 2025 vorstellen.

Beim verstärkten Absatz von Zins- und Express-Zertifikaten (Anlage-Zertifikate) an Privatkundinnen und -kunden nach der Phase niedriger Zinsen gab es keine systematischen Missstände oder gravierende Mängel: Die Finanzaufsicht hat keine Belege dafür gefunden, dass Banken und Sparkassen ihre Kundinnen und Kunden, die an Einlageprodukten interessiert waren, nach der Zinswende stattdessen in Zertifikate „gedrängt“ hätten. Die Kundinnen und Kunden waren in der Regel auch zufrieden mit der Beratung durch Banken und Sparkassen. Die BaFin hat für die Prüfung des Sachverhalts in der Zeit von Mai 2024 bis Februar 2025 Hersteller und Vertriebsunternehmen von Zins- und Express-Zertifikaten untersucht und darüber hinaus erstmals auch Kundinnen und Kunden von Banken und Sparkassen befragt, die solche Produkte gekauft hatten.

Zertifikate haben im Vergleich zu klassischen Sparprodukten regelmäßig höhere Kosten und sind komplexer. Zudem sind sie nicht von der Einlagensicherung gedeckt. Aus diesen Gründen hatte die BaFin besonders die Vertriebspraxis der Institute in den Blick genommen. Zu den Ergebnissen der Studie zu Zins- und Express-Zertifikaten sagte Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor der BaFin für Wertpapieraufsicht und Asset Management: „Es gab keine systematische Fehlberatung bei Anlage-Zertifikaten. Die Institute haben Kunden nach der Zinswende nicht unzulässig zum Kauf solcher Zertifikate gedrängt. Und es ist nur fair, das ebenso öffentlich festzustellen wie sonst die Fehler, die wir kritisieren.“

Anlage-Zertifikate: Mängel bei der Produktauswahl

Mängel fand die BaFin jedoch bei der Produkt-Governance der Zins- und Express-Zertifikate. Fehlerhaft war teilweise die Konzeption der Zertifikate durch die Hersteller und Vertriebsunternehmen, für welche Kundengruppen und unter welchen Marktbedingungen die Zertifikate verkauft werden sollen (Zielmarktdefinition). Dabei hatten einige Unternehmen nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet. Zudem gab es Hinweise darauf, dass etwa 20 Prozent der Kundinnen und Kunden die Funktionsweise und Risiken von Express-Zertifikaten nicht vollumfänglich verstanden hatten.

Die BaFin wird Institute, bei denen sie Mängel identifiziert hat, schriftlich auffordern, diese abzustellen. Sie wird entsprechende Prüfungsschwerpunkte in ihrer laufenden Aufsichtstätigkeit festlegen und das Thema vor allem auf der Ebene der Verbände der Kreditwirtschaft ansprechen. Sie wird zudem ihre Verbraucherinformation zum Thema Zertifikate um die neu gewonnenen Erkenntnisse ergänzen.

Studie zu Turbo-Zertifikaten: Hohe Verluste bei stark gestiegenem Marktvolumen

In einer weiteren Studie hat die BaFin den Markt für Turbo-Zertifikate (Zertifikate mit einem Hebel und einer Knock-Out-Schwelle) für den Zeitraum 2019 bis 2023 untersucht. Mit dieser Untersuchung wollte die Finanzaufsicht ein umfassendes Bild darüber gewinnen, ob sich aus diesem Handel möglicherweise zusätzlicher Bedarf für Anlegerschutz ergibt.

Die Studie zeigt unter anderem, dass sich das Marktvolumen für Turbo-Zertifikate im Untersuchungszeitraum fast verdreifacht hat: Sie umfasste 113 Millionen Transaktionen von 543.000 deutschen Privatkundinnen und -kunden. Beim Handel mit Turbo-Zertifikaten verloren über einen Zeitraum von 5 Jahren drei von vier Kundinnen und Kunden (74,2 Prozent) im Durchschnitt je 6.358 Euro. Insgesamt summierten sich die Verluste der deutschen Privatkundinnen und -kunden auf 3,4 Milliarden Euro. Pötzsch: „Auch für Privatkundinnen und -kunden mit viel Kapitalmarkterfahrung ist Anlegerschutz wichtig. Die hohen Verluste lassen befürchten, dass die Risiken von Turbo-Zertifikaten vielen nicht bewusst sind. Das schauen wir uns genauer an.“

Die detaillierten Ergebnisse dieser Studie wird die BaFin spätestens im zweiten Quartal 2025 veröffentlichen. Zudem prüft die Finanzaufsicht, inwieweit hier weitere Maßnahmen zum Anlegerschutz notwendig sind.

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