Ein Marktkommentar von Markus Fehn

In der aktuellen Diskussion um das Sondervermögen geht es vor allem um Verteidigung und Infrastruktur. Das Thema Investition in die Digitalisierung spielt hingegen bislang keine Rolle. Ein Fehler, findet Markus Fehn, Leiter Strategie und Innovation bei Chartered Investment.

Am Dienstag, dem 18. März, stimmte der Bundestag für eine Reform des Grundgesetzes, um die Aufnahme von neuen Schulden in bisher ungekannten Maßstäben zu ermöglichen. Die Notwendigkeit dieses Sondervermögens wird von der Politik damit begründet, Deutschland fit für die Zukunft zu machen, insbesondere im Hinblick auf Verteidigung, aber auch in Bezug auf Infrastruktur. Das ist sicherlich notwendig und richtig. Wenn man sich dabei aber allein auf die Anschaffung von Kampfflugzeugen und die Sanierung maroder Brücken fokussiert, fehlt ein Teil in der Gleichung: Die Investition in die Digitalisierung.

Im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD taucht das Thema an drei Stellen auf: Erstens soll ein Investitionsfonds u.a. für Venture Capital aufgelegt werden. Wie genau das mit einer genannten staatlichen Garantie geschehen soll, bleibt unklar. Zweitens sollen im Rahmen einer „Hightech-Agenda für Deutschland“ die Mittel für Forschung und Entwicklung massiv aufgestockt werden. Der Fokus wird hier auf die Entwicklung eines Fusionsreaktors gelegt, künstliche Intelligenz (KI) kommt nur unter ferner liefen vor. Und schließlich soll es drittens ein digitales Bürgerkonto geben, um Behördengänge flächendeckend zu ermöglichen, Datenregister zu vernetzen und Verwaltungsprozesse zu automatisieren.

Kurz gesagt: Alles gute Ansätze, aber viel zu wenig um das Land wirklich vorwärts zu bringen. Vor allem im Finanzwesen steckt die Digitalsierung in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Dabei ist das Potenzial gewaltig. Laut einer Studie von McKinsey liegt das Marktpotenzial für digitale Assets in der EU und der Schweiz zwischen insgesamt knapp 1 und über 3,7 Milliarden Euro. Allerdings nur, wenn die regulatorische Umgebung stimmt und eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung steht. Beides ist bisher nicht der Fall.

Deswegen sollte die künftige Bundesregierung die Rahmenbedingungen für den europäischen Kapitalmarkt stärken und hierbei dem Wachstumsmotor Tokenisierung entsprechend Priorität einräumen. Auf der Investitionsseite sollte sie dazu einerseits in eine leistungsfähige Cloud-Infrastruktur investieren. Das würde deutsche Unternehmen zudem unabhängiger von den zunehmend unzuverlässigen Partnern in den USA machen – ein Risiko, dessen Auswirkung wenig Beachtung findet. Aus dem gleichen Grund sollten auch gezielt Start-ups im Bereich KI gefördert werden. Deepseek hat vorgemacht, dass auch kleine Player in der Lage sind, das amerikanische Monopol in Frage zu stellen. Mit eigenen deutschen bzw. europäischen Lösungen könnte auch das Akzeptanzproblem, das KI hierzulande immer noch hat, verringert werden.

Außerdem sollte die neue Bundesregierung dafür sorgen, dass Künstliche Intelligenz mehr in den Unternehmen zum Einsatz kommt. Nach meinem Eindruck werden die Mittel bislang vor allem der Forschung zur Modellentwicklung zugeführt. Das ist grundsätzlich in Ordnung, darf aber dabei nicht stehenbleiben. Denn die wirkliche Wertschöpfung passiert bei der Anwendung in den Unternehmen. Ohne entsprechende Förderung ist kaum damit zu rechnen, dass der Funke von allein überspringt.

Schließlich sollte die neue Bundesregierung die europäischen Kapitalmarktunion vorantreiben. Wichtig sind drei Punkte: Erstens muss der Verbriefungsmarkt wiederbelebt werden. Laut der oben genannten McKinsey-Studie haben tokenisierte Verbriefungen im best case mit mehr als 1,5 Milliarden Euro sogar noch ein größeres Potezial als Kryptowährungen. Zweitens muss die Finanzmarktaufsicht vereinheitlicht werden. Es gibt zwar die ESMA als übergeordnete Einrichtung und Guidelines für die Landesbehörden. Aber im Detail entscheiden letztere individuell, was jede Form von grenzübergreifender Transaktion unnötig kompliziert macht. Und drittens brauchen wir einheitliche Steuerregeln. Wenn die Abgaben schon nicht in gleicher Höhe erhoben werden, sollten sie wenigstens derselben Logik folgen. Auch dies wäre eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Status-quo.

Angesichts des Sondierungspapiers und des starken Fokus auf die Verteidigung mache ich mir Sorgen, dass das Thema Digitalisierung zu kurz kommen könnte. Deswegen würde ich neben oben genannten Maßnahmen zusätzlich die Einrichtung eines Digitalministeriums begrüßen, das Strategie und Ziele entwickelt, aber auch Umsetzung und Kontrolle der Ziele übernimmt. Wenn jedes Ressort einzeln ein eigenes Budget zur Digitalisierung bekommt, könnte das Ergebnis leicht in Stückwerk enden. Eine weitere vertane Chance – nur dieses mal eine, die eine billion Euro kostet.

Über den Autor:

Markus Fehn ist Leiter Strategie und Innovation bei Chartered Investment und Geschäftsführer der e-Sec GmbH. Mit seinem Hintergrund im Financial Engineering arbeitet er zusammen mit seinem Team an der Integration digitaler Technologien in traditionelle Finanzsysteme. Dabei nutzt e-Sec die Blockchain-Technologie, um klassische Anlageprodukten in moderne On-Chain-Lösungen zu verwandeln. Auf diese Weise stellen sie eine Verbindung zwischen konventionellen Finanzstrukturen und digitalen Märkten her.

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