„Es gibt 17 Prozent mehr gute Gründe für ein proaktives Liquiditätsmanagement“
Manchmal entscheiden nur Tage oder Stunden: Wenn die Liquidität nicht mehr ausreicht, die laufenden Verpflichtungen zu bestreiten, müssen Unternehmen Insolvenz anmelden. 2024 geschah das so häufig wie seit fast zehn Jahren nicht mehr: Das Statistische Bundesamt verzeichnete einen Anstieg der Firmenpleiten um durchschnittlich 16,8 Prozent, und die Prognosen für 2025 sind kaum günstiger. Doch ist die Insolvenz wirklich immer alternativlos?
Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession, für wichtige Exportmärkte drohen Strafzölle, die Kaufkraft der Verbraucher schwindet. Ein Abbild der Schockwellen, die aktuell durch viele Branchen gehen, spiegeln die Insolvenzzahlen, die inzwischen nahezu auf einem Zehnjahres-Höchststand rangieren.
Last-Minute-Rettung vor der Insolvenz
„Leider nutzen aber nach wie vor zu wenige Unternehmen das volle Spektrum an Maßnahmen, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen“, kritisiert Nils Wulff, Director Funded Solutions bei Aon Deutschland. Für den Personaldienstleister crewcraft (Name geändert) kam die Rettung daher buchstäblich in allerletzter Sekunde: Um den stockenden Cashflow in den Griff zu bekommen, sollte für zwei Gesellschaften der Unternehmensgruppe eine Factoringlösung erarbeitet werden. Noch während ihrer Umsetzung rutschte eine der beiden Gesellschaften in die Insolvenz. „Mit entsprechender Expertise und einem spezialisierten Anbieter gelang es sogar zu diesem Zeitpunkt noch, eine Lösung zu finden“, erinnert sich Wulff. Die crewcraft Gruppe konnte so zumindest in Teilen vor der Insolvenz bewahrt werden.
Factoring kann in Krisenzeiten tatsächlich ein probates Mittel zur Stabilisierung der Liquidität sein: Man spricht dann von einem Restrukturierungs- oder Sanierungsfactoring. „Es gibt in der ‚Factoringwelt‘ spezielle Anbieter, die sich solcher Herausforderungen annehmen und auch kurzfristig liefern können“, erklärt Nils Wulff von Aon. Die Factoringgesellschaft stellt dann auf die Werthaltigkeit der Forderungen ab und nicht auf die Bonität des Unternehmens. So kann es gelingen, dem Betrieb wieder dringend benötigte Liquidität zur Verfügung zu stellen. Darauf bauen häufig sogar Sanierungspläne auf: „Der Hinweis auf die zukünftige Nutzung eines Factoringprogrammes findet sich in der Praxis immer wieder in sogenannten IDW-S6-Gutachten“, weiß Wulff. „Sie sollen die Fortführungsaussichten des kriselnden Unternehmens einschätzen und geben nur dann eine positive Prognose, wenn ausreichende Liquidität für die nächsten – in aller Regel – 24 Monate vorhanden ist.“
Factoring: kein Allheilmittel gegen die Pleite
Es gibt verschiedene Wege, kurzfristig an verfügbare liquide Mittel zu kommen. Neben der klassischen Methode, die Bankenlinien weiter zu stressen, Investoren zu finden oder in die persönliche Haftung zu gehen, lohnt sich aber immer der Blick auf die eigenen Forderungen aus Lieferung und Leistung. Das Forderungsportfolio ist nicht nur eine Bilanzposition oder ein Posten, der als Sicherheit abgetreten werden kann. Der Verkauf von Forderungen führt unmittelbar zu einem Liquiditätszufluss. Factoring hat sich daher in den letzten Jahren auch in Deutschland massiv durchgesetzt.
Ein Allheilmittel im Fall einer drohenden Insolvenz ist das Factoring allerdings nicht, räumt Wulff ein. Es ist aber ein vielseitiges Instrument, das viel mehr kann, als einem Unternehmen nur kurzfristig Liquidität aus dem eigenen Cashflow zu verschaffen: „Die Motivlage für eine Beschäftigung mit dem Thema kann sehr unterschiedlich sein“, erklärt der Factoring-Experte von Aon. Strebt man durch eine Minderung der Bilanzsumme und einer daraus folgenden Optimierung der Eigenkapitalquote eine Verbesserung der eigenen Bonität an? Möchte man möglichen Forderungsausfällen verbeugen, indem man seine Forderungen veräußert und das Delkredererisiko zu 100 Prozent an die Factoring-Gesellschaft abwälzt? Oder spielt vielleicht das Werben um neue Kunden mit dem Angebot verlängerter Zahlungsziele die entscheidende Rolle?
Besser vorbeugend Lösungen suchen
Besser sei es, schon in guten Zeiten zu überlegen, was die Solvenz eines Unternehmens bedrohen könne – und wie die notwendige Liquidität gesichert oder wieder hergestellt werden kann. Umsatzeinbrüche und volle Lager bei gleichbleibenden oder steigenden Kosten, steigende Zinsen und nachlassende Zahlungsmoral sind nur einige Gründe, die Unternehmen schnell an den Rand einer Insolvenz führen können. Verspätete oder gänzlich ausbleibende Zahlungen führen zu großen Finanzierungslücken, die zwischenfinanziert werden müssen. „Liegen Insolvenzgründe erst einmal vor, bleiben dem betroffenen Unternehmen nur wenige Wochen, die Liquidität wieder herzustellen, bevor der Insolvenzantrag gestellt werden muss“, warnt Nils Wulff aus Erfahrung. Und eine Rettung wie bei seinem Mandaten crewcraft gelingt am Ende nur im Ausnahmefall.
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