„Politische Börsen haben kurze Beine“, lautet eine alte Börsenweisheit, die der Politik einen bestenfalls vorübergehenden Einfluss auf Wertpapierkurse zubilligt.

Heute scheint diese Weisheit aus der Zeit gefallen. Denn die Märkte reagieren wie Seismografen auf Beschlüsse insbesondere der US-Regierung. „Das erhöht die Unsicherheit, bringt aber auch Chancen für Anleger“, erklärt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM.

Die Lage der Weltwirtschaft hat sich in den abgelaufenen drei Monaten kaum verändert. Die US-Wirtschaft wächst unverändert stark, auch wenn zuletzt etwas schwächere Konjunkturdaten veröffentlicht wurden. Allerdings sorgen die geplanten Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump für Verunsicherung – nicht nur bei Amerikas Verbündeten, sondern ebenfalls an den Finanzmärkten. Zölle gegen China, Europa, Mexiko und Kanada werden zunächst angekündigt, dann verschoben, zum Teil wieder zurückgenommen. In der Ukraine-Frage geht Trump eigene Wege.

„Die Trump-Euphorie ist zuletzt merklich abgekühlt, abzulesen in deutlich rückläufigen Zustimmungsquoten”, so Gerlinger. Eine zunehmende Mehrheit der Amerikaner lehne auch die Mitarbeit von Elon Musk ab, der dem Department of Government Efficiency (DOGE) vorsteht. So wächst die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust in der öffentlichen Verwaltung, was einen negativen Effekt auf das Konsumklima haben könnte. Ebenso fürchten die US-Bürger das Thema einer wieder ansteigenden Inflation. Das ist kein Wunder angesichts der angekündigten Zollerhöhungen, die Importe verteuern würden.

Die Wirtschaft der Eurozone ihrerseits profitiert unverändert von der positiveren Entwicklung des Dienstleistungssektors. Dagegen herrscht im verarbeitenden Gewerbe der großen Mitgliedsstaaten weiter Tristesse. In Deutschland hofft man nach den jüngsten Bundestagswahlen auf eine stabile Regierung, welche die überfälligen Strukturreformen endlich anstößt. In Europa wiederum hofft man auf ein Ende des Krieges in der Ukraine, von einem Wiederaufbau könnte der Kontinent stark profitieren. Aufgehellt haben sich die Wachstumshoffnungen aber vor allem durch die Aussicht auf ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro unter anderem für die Infrastruktur in Deutschland sowie auf eine Reform der Schuldenbremse, die höhere Rüstungsausgaben ermöglicht. Flankiert wird dies durch Pläne der EU-Kommission, Rüstungsausgaben bei den europäischen Fiskalregeln auszuklammern.

Fraglich bleibt, ob sich die Hoffnungen auf sinkende Zinsen erfüllen. „In den USA gibt es fundamental derzeit keinen Grund für eine aggressive Geldpolitik“, so Gerlinger. Die Fed werde wohl erst die weitere Politik Trumps beobachten. Aktuell preist der Markt noch zwei Zinsschritte ein. „Viele Analysten erwarten für 2025 jedoch gar keinen Zinsschritt mehr.“ In der Eurozone hat die EZB zuletzt den Einlagenzinssatz weiter gesenkt. Angesichts der Reform der europäischen Fiskalregeln sowie der deutschen Schuldenbremse sind steigende Defizite abzusehen, deren makroökonomische Wirkung sich erst noch zeigen muss. Eine Zinspause der EZB ist daher möglich.

In Europa bleibt die Stimmung an den Börsen gut. Noch spielen die möglichen negativen Effekte der US-Zölle auf die Wirtschaft keine so große Rolle. In den USA bewerten die Aktienmärkte Trumps Vorhaben mit Skepsis, auch wenn seine Pläne zu Steuersenkungen und Deregulierung die US-Wirtschaft wie auch die Kurse mittelfristig stützen könnten. Und schließlich bestätigen die Geschäftsberichte zum vierten Quartal 2024 das anhaltende Gewinnwachstum im Unternehmenssektor. „US-Aktien halten wir vor allem nach der jüngsten Entwicklung für aussichtsreich“, so Gerlinger. Für europäische Werte sprächen die nach wie vor günstigen Bewertungen und verbesserte Gewinnerwartungen. „Hier ist allerdings inzwischen sehr viel Zuversicht eingepreist: auf Strukturreformen und die aggressive Fiskalpolitik mit höheren Staatsdefiziten sowie Optimismus auf ein Ende des Krieges in der Ukraine“, sagt Gerlinger.

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