Das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.02.2025 (Az. 4 HK 0 5879/24) zum Unilmmo: Wohnen ZBI stellt für den Vertrieb von offenen Immobilienfonds eine Zeitenwende dar.

‘k-mi’ hat bereits seit 1 ½ Jahren bzw. seit Oktober 2023 Vertriebe und Banken davor gewarnt, dass die übliche Risikoklassifizierung von offenen Immobilienfonds mit PRIIPs-Risikoindikatoren von ‘1’ bis ‘3’ aufsichtsrechtlich fragwürdig ist. Gleichzeitig birgt diese, so unsere frühzeitigen Warnungen, ernsthafte Haftungsgefahren, die sich nun realisieren: (‘k-mi’ 42/23: “PRIIPs: Sind offene Immobilienfonds risiko-unehrlich?”, ‘k-mi’ 49/23: “Werden offene Immobilienfonds zunehmend zum heißen Eisen?”). Allerspätestens mit der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth müssen nun alle Alarmsirenen klingeln. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ist es aus unserer Sicht das Mindeste beim Vertrieb von offenen Immobilienfonds, Kunden auf das Urteil der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth hinzuweisen. Juristisch komplexer dürfte für Banken darüber hinaus noch die Frage werden, wie bestehende Kundenbeziehungen in dem betroffenen Produktbereich im Nachhinein haftungsrechtlich ‘geheilt’ werden können.

Worum geht es? Die klagende und obsiegende Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fasst die Entscheidung gegen die zum Union Investment-Konzern gehörende ZBI Fondsmanagement GmbH im Rechtsstreit um den offenen Immobilienfonds Unilmmo: Wohnen ZBI wie folgt zusammen: “Die Bewertung eines Immobilienfonds mit der Risikoklasse ‘2’ oder ‘3’ ist unzulässig, wenn die Preise nicht mindestens monatlich bewertet werden. In einem solchen Fall ist die Risikoklasse ‘6’ anzugeben.” Den zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ‘k-mi’ als erster Branchenteilnehmer thematisiert: Neben unseren Warnungen ab Herbst 2023 hatten wir immer wieder auf die fehlende Plausibilität und aufsichtsrechtliche Fragwürdigkeit hingewiesen, dass geschlossene Fonds in Risikoklasse 6 verbannt werden, weil sie keine mindestens monatlich ermittelten Asset-Preise haben, während offene Immobilienfonds oder ELTIF, die so etwas ebenso wenig haben, sich in den PRIIPs-Risikoklassen 1 oder 2 tummeln: (‘k-mi’ 51/23: “klimaVest: Verdient Öko-ELTIF die bestmögliche Risikoklasse 1?”, ‘k-mi’ 27/24: “Risiken von OIF und AIF: Verkehrte aufsichtsrechtliche Welt!”, ‘k-mi’ 27/24: “Offene Immobilienfonds: No-Risk-Vertrieb im Kreuzfeuer”).

Bereits im Oktober 2023(!) warnte ‘k-mi’: “Da die Immobilien oft nur vierteljährlich bewertet werden, basiert die ‘monatliche’ NAV-Berechnung zum Zweck der Anteilpreisermittlung bei ‘Offenen’ wohl nur auf Schätzungen. Aber ist dies laut dem EU-Regulator überhaupt zulässig? Daran bestehen u. E. begründete Zweifel. Wenn nicht, dann müssten offene Immobilienfonds – ebenso wie generell geschlossene AIF – pauschal in Risikoklasse 6 landen!” (vgl. ‘k-mi’ 42/23). Im Juli 2024 bekräftigten wir unsere Warnungen noch einmal und wiesen darauf hin, dass es “erhebliches Haftungspotential für Banken birgt, da die Einstufung in die PRIIPs-Risikoklasse ‘1’ für offene Immobilienfonds (…) ernsthafte methodische und aufsichtsrechtliche Zweifelsfragen aufwirft” (vgl. ‘k-mi’ 27/24).

Genau an diesem Punkt, den ‘k-mi’ früh angemahnt hat, setzt nun die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth an: Laut Urteil verstößt die ZBI beim Unilmmo: Wohnen ZBI gegen Wettbewerbsrecht in Verbindung mit der einschlägigen delegierten EU-Verordnung, “indem sie für den hier gegenständlichen Immobilienfonds auf dem Basisinformationsblatt die Risikoklasse ‘2’ bzw. inzwischen die Risikoklasse ‘3’ bewirbt (…) Diese Risikobewertung durch die Beklagte entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben.” Zur Begründung führt das Gericht weiter aus: “Die Beklagte kann, weil sie vornehmlich Immobilien hält, ihren Nettoinventarwert vollständig nur durch die Bewertung der gehaltenen Immobilien bestimmen lassen, was indes nur quartalsweise geschieht. Die börsentäglich errechneten Rücknahmepreise sind daher nicht mit einer Berechnung des Nettoinventarwerts gleichzusetzen. Es handelt sich vielmehr um nur extrapolierte Bestimmungen des Nettoinventarwerts je Anteil.” Indem man beim Unilmmo: Wohnen ZBI die börsentägliche Berechnung von Rücknahmepreisen mit der Berechnung des Nettoinventarwerts gleichsetzt, verkehrt man das Verhältnis von Rücknahmepreis und Nettoinventarvermögen: “Wie sich aus den Q&A ergibt, ist aber nicht der Rücknahmepreis für die in der DeIVO genannten ‘Preise’ maßgeblich, sondern der Nettoinventarwert (sprich: der Wert des Publikumsinvestmentvermögens). Diesen bewertet der UIW nicht monatlich (…) Tatsächlich liegt also gar keine börsentägliche Neubewertung vor, wie es die Beklagte meint. Es handelt sich vielmehr nur um eine börsentägliche Neujustierung der letzten Quartalsbewertung. Mit anderen Worten: Die Beklagte schätzt von Börsentag zu Börsentag ihren Nettoinventarwert neu, setzt ihn aber nur quartalsweise tatsächlich fest. Das erfüllt die Anforderungen von Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DeIVO nicht.”

Die Verfehlung dieser letztgenannten Anforderungen der DelVO 2017/653 in Verbindung mit Anhang II Teil 1 Nr. 8 bedeutet: Auch offene Immobilienfonds müssen in die PRIIPs-Risikolasse 6! Einen weiteren Tiefschlag versetzen die Nürnberger Richter der ZBI bzw. Union Investment zudem mit dem Vorwurf eines Zirkelschlusses: “Im Übrigen argumentiert die Beklagte zirkulär. Sie meint zunächst, für die Festsetzung der ‘Preise’ i. S. d. DeIVO seien nicht die Rücknahmepreise, sondern der Nettoinventarwert maßgeblich (…) Ihre Argumentation stützt sie aber gerade auf die börsentägliche Festsetzung der Rücknahmepreise, deren Bestimmung gleichzeitig eine Festsetzung des Nettoinventarwerts sein soll.” Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang noch einmal an die besonderen Aufklärungspflichten einer Bank zu Risiken, wie sie z. B. der BGH schon in seiner vielbeachteten DG-Anlage-Entscheidung (Az. XI ZR 89/07) festgeschrieben hat: “Bei einem Beratungsvertrag ist die Bank zu mehr als nur zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsen- oder Fondsmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko etc.) ergeben. Für den Umfang der Beratung ist hier insbesondere von Bedeutung, ob die beratende Bank das Anlageobjekt in ein von ihr zusammengestelltes Anlageprogramm aufgenommen und sie dieses zur Grundlage ihrer Beratung gemacht hat.” Hier drängt sich die Frage geradezu auf, wie eine solche unabdingbare Risikoaufklärung rechtssicher ablaufen kann, wenn Produkte durch zweifelhafte Kennziffern als faktisch risikolos verkauft werden!

‘k-mi’-Fazit: Die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth zum ‘Unilmmo: Wohnen ZBI’ stellt bereits jetzt eine Zeitenwende beim Vertrieb von offenen Immobilienfonds über den Einzelfall hinaus dar: Der fahrlässige No-Risk-Vertrieb neigt sich seinem Ende zu, allerspätestens, wenn noch die BaFin notgedrungen oder ggf. überraschend ihre Verwaltungspraxis an das Urteil ‘anpasst’. Zwar ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, aber das Gericht hat sich mit dem Sachverhalt alles andere als oberflächlich befasst. Es würde uns schon wundern, wenn eine nächste Instanz den eigentlich klaren Wortlaut der DelVO und der Q&A diametral anders auslegen würde. Sofern offene Immobilienfonds derzeit ohnehin nicht unverkäuflich sind, sind (Neu-)Kunden aus diesem Grund auf die aktuelle Entscheidung hinzuweisen. Die bisherige öffentliche Passivität der BaFin bei diesem Thema, der ‘k-mi’ den Sachverhalt bereits im Oktober 2023 in unserer Eigenschaft als Koordinatorin der BMI/Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner vorgelegt hat, wird wohl keinen Haftungsausschluss für Banken darstellen!

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