Kommentar von Carlos de Sousa, EM-Anleihen-Stratege, Vontobel
Die Politik von Präsident Trump dürfte die Arbeit der Fed schwerer machen. Aber seine Wahl hat auch die Lebensgeister an den Märkten geweckt. Die gestiegene Risikobereitschaft der Anleger ist positiv für Risikoanlagen, einschließlich Schwellenländeranleihen.
Hartwährungsanleihen:
Der Politik-Mix, den Präsident Trump im Wahlkampf angekündigt hat, wird wahrscheinlich leicht inflationär sein und dazu führen, dass die Fed die Zinsen bis 2025 langsamer senken wird. Daraus sollten Anleger aber keine voreiligen Schlüsse in Bezug auf die Schwellenländer (EMs) ziehen.
Die Renditen von US-Staatsanleihen sind in den letzten zwei Monaten deutlich gestiegen. Das hätte eigentlich zu höheren Finanzierungskosten für die Schwellenländer führen müssen. Aber die Spreads der Schwellenländer haben sich eingeengt, was die höheren US-Renditen bei Betrachtung der Schwellenländer insgesamt teilweise kompensiert hat. Das gilt vor allem bei den High-Yield- Emittenten, bei denen die Kreditkosten am wichtigsten sind. Warum ist dies der Fall?
Verringerung der fundamentalen Risiken
Erstens hat die Risikobereitschaft nach der Wahl von Donald Trump zugenommen, was allen Risikoanlagen Auftrieb gegeben hat. An den Finanzmärkten sind alle Preise relativ. Wenn also die Aktienkurse trotz höherer Treasury-Renditen neue Rekordhöhen erreichen, erscheinen die im Vergleich zu ihrem langfristigen Durchschnitt relativ engen Spreads der Schwellenländer vielleicht doch nicht so teuer.
Der zweite Grund ist, dass sich die Fundamentaldaten der Schwellenländer derzeit verbessern. Fast alle Emittenten von Hochzinsanleihen haben wieder Zugang zum Markt gefunden, was bedeutet, dass die Refinanzierungsrisiken und Ausfallquoten deutlich niedriger sind als in den letzten zweieinhalb Jahren und wahrscheinlich bis 2025 weiter sinken werden. Die Verengung der Spreads ist also nicht nur eine Folge des „Animal Spirits“, sondern auch auf eine deutliche Verringerung der fundamentalen Risiken zurückzuführen.
Viele Länder waren in den letzten zwei Jahren aufgrund des Verlusts des Marktzugangs gezwungen, orthodoxe Wirtschaftsreformen durchzuführen. Die bittere Medizin der Sparmaßnahmen und Strukturreformen (für Staaten) und der Unternehmensumstrukturierungen und Effizienzsteigerungen (für Unternehmen) trägt bereits Früchte und wird auch von den Ratingagenturen honoriert. So wurden mehr Emittenten mit einer Heraufstufung ihrer Bonität belohnt als jemals zuvor in den letzten zehn Jahren.
Noch nicht zu spät für Einstieg
Die Gesamtrenditen der Schwellenländer-High-Yields waren sowohl bei Staatsanleihen als auch bei Unternehmensanleihen mit 13,5 % bzw. 11,7 % in den ersten 11 Monaten des Jahres 2024 beeindruckend. Ein erheblicher Teil der Rallye in den letzten zwei Jahren ist dabei auf eine Erholung von den hohen Marktwertverlusten im Jahr 2022 zurückzuführen (-14,6 % bzw. -12,7 % für HY-Staatsanleihen und Unternehmensanleihen). Angesichts der sich verbessernden Fundamentaldaten, der erwachten Lebensgeister und einer US-Notenbank, die langsam aber sicher die Zinsen bis 2025 weiter senken wird, ist es unserer Meinung nach noch nicht zu spät für einen Einstieg, auch wenn sich die spektakulären Renditen der letzten beiden Jahre wahrscheinlich nicht wiederholen werden.
Lokalwährungsanleihen:
Ein starker Dollar, steigende US-Staatsanleiherenditen und politisch schwierige Situationen in Brasilien und Mexiko haben in den ersten 11 Monaten des Jahres 2024 zu leicht negativen Renditen für EM-Lokalwährungsanleihen geführt. Ein fiskalisch expansiver Policy-Mix in den USA scheint damit nicht das förderlichste Umfeld für die Renditen der Schwellenländer in lokaler Währung zu sein. Aber auch hier sollten Anleger keine voreiligen Schlüsse ziehen, wie ein Rückblick auf die erste Amtszeit von Donald Trump verdeutlicht.
Starker US-Dollar nicht garantiert
Nach einem schwachen Jahr 2015 verzeichnete die Anlageklasse 2016 eine Gesamtrendite von 9,9 % (gemäß GBI-EM-Index), obwohl Trumps Wahl zu einer starken Dollar-Rallye führte und EM-Lokalwährungsanleihen einen Teil ihrer früheren Gewinne wieder abgeben mussten. Trotz Trumps Steuersenkungen, einer relativ starken US-Wirtschaft und inflationärer Herausforderungen in Lateinamerika erholten sich Schwellenländeranleihen in lokaler Währung stark und erzielten 2017 eine Rendite von 15,2 %. Die Stärke des US-Dollars im Jahr 2016 setzte sich in Trumps erster Präsidentschaft nicht fort.
Heute deuten Konsensschätzungen zwar darauf hin, dass die expansive Finanzpolitik wieder wirksam sein wird, höhere Handelszölle und eine strengere Einwanderungspolitik aber das Wachstum behindern könnten. Es ist also unklar, ob wir vier Jahre lang einen starken Dollar erleben werden oder ob er bereits eingepreist ist.
Bewertungen überzeugender
Auch die aktuellen Trends einzelner Schwellenländer werden sich möglicherweise nicht fortsetzen. Brasilien (-17,3 % YTD) und Mexiko (-12,4 % YTD) waren seit Jahresbeginn die beiden größten Verlierer in der Anlageklasse. Obwohl wir die Marktsorgen über diese Länder teilen (in Bezug auf die Haushaltsdisziplin in Brasilien sowie in Mexiko die Erwartung erhöhter Volatilität nach der Wahl Trumps), sind wir der Meinung, dass diese beiden Länder die Performance der Anlageklasse im Jahr 2025 nicht weiter beeinträchtigen werden, da ihre Bewertungen viel überzeugender geworden sind.
Positiv zu vermerken ist, dass die meisten Zentralbanken der Schwellenländer die Inflation erfolgreich eingedämmt und nahe an ihren Zielen gehalten haben. Sie befinden sich entweder in einem Lockerungszyklus oder haben die Zinssätze bereits deutlich gesenkt, wobei Brasilien eine Ausnahme bildet. Die Realzinsen sind recht attraktiv, und die Trends niedrigerer Refinanzierungskosten und besserer Fundamentaldaten, die im Abschnitt über die Hartwährungen hervorgehoben wurden, gelten auch für die Lokalwährungen der Schwellenländer.
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