Für die Börsen ist das knappe Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump ein Non-Event. Dabei gilt doch eigentlich: Unsicherheit ist der Feind der Märkte.
Unbeeindruckt davon ist der S&P 500 zuletzt von einem Allzeithoch aufs nächste gestiegen. Entscheidender für die Börsen scheint also etwas anderes zu sein: Die US-Konjunktur brummt, die Berichtssaison ist gut angelaufen. – Ein Kommentar von Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM.
Analysten folgen den üblichen Ritualen: Sie zerlegen die wirtschaftspolitischen Programme von Harris und Trump, um einzuschätzen, wer von beiden wohl hilfreicher für Unternehmen und Märkte wäre. Sie suchen in historischen Daten eine Antwort auf die Frage, ob die Börse unter Demokraten oder Republikanern besser lief. Die Auswertungen führen regelmäßig zu dem Schluss, dass sich keine eindeutige Vorliebe der Märkte für eine der beiden Seiten feststellen lässt. Es ist schlicht zu komplex, die Börsenentwicklung mit der Politik eines Präsidenten kausal zu verknüpfen. Doch der Fokus auf die Wahl ist nachvollziehbar: Der Schlussspurt ist spannend, zwei denkbar unterschiedliche Persönlichkeiten stehen einander gegenüber. Dennoch lenkt das Ganze von einem anderen Schauplatz ab, den wir viel stärker im Blick haben sollten: China.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht zwar im US-Wahlkampf immer wieder mal im Rampenlicht – vor allem, wenn es um die von Trump angedrohten Strafzölle geht. Was aber zu wenig stattfindet, sind tiefgehende Analysen der wirtschaftlichen und strukturellen Entwicklungen innerhalb Chinas. Die US-Aktienmärkte sind Motor der weltweiten Börsen, das dürfte erst mal so bleiben. Aber was sich in China zusammenbraut, könnte auf das Marktgeschehen mittelfristig größeren Einfluss haben als die Frage, wer ins Weiße Haus einzieht.
Chinas Aktienmarkt ist kleiner als der in den USA und nach wie vor zählt das Reich der Mitte zu den Schwellenländern. Im vermeintlichen Welt-Aktienindex MSCI World und in vielen Anleger-Portfolios ist China nicht oder nur gering vertreten. Dennoch sollten wir Chinas Börsen im Auge behalten. Hier werden die Herausforderungen, vor denen das Land steht, in diesen Wochen deutlich. Als die Regierung in Peking im September Hilfen gegen die schwache Konjunktur ankündigte, schnellten die Kurse nach oben. Eine Korrektur folgte. Mit dem Inkrafttreten erster Hilfsprogramme gab es wieder ein kräftiges Plus. Details um die Stimulus-Pakete sind nach wie vor unklar, hier bewegt Unsicherheit die Kurse.
Was dahintersteckt, ist vielschichtig. Über Jahre ist Chinas wachsende Mittelschicht zum relevanten Abnehmer von Luxusgütern geworden. Zuletzt ist der Konsum zurückgegangen, die Menschen halten ihr Geld zusammen. Hersteller von hochwertigen Gütern wie LVMH und Kering spüren das schon. Die Bevölkerung altert und schrumpft, eine Folge der mittlerweile beendeten Ein-Kind-Politik. Für Importeure nach China wird das zum wachsenden Problem. Und innerhalb Chinas kann diese Entwicklung die Produktivität und das heute schon schwache Wachstum weiter dämpfen. Gleichzeitig strebt China nach wirtschaftlicher Expansion und will ganz offensichtlich ein prägender Spieler im globalen Gefüge bleiben. Das zeigt sich etwa am E-Autobauer BYD, der ab 2025 in Ungarn seine Fahrzeuge vom Band laufen lassen will.
Trotz solcher Schritte und der großen Präsenz Chinas in internationalen Wirtschaftsbeziehungen wird immer deutlicher, dass die Jahre des starken Wachstums wahrscheinlich bis auf Weiteres vorbei sind. Wie robust Chinas Wirtschaft ist, bleibt offen. Die strukturellen Probleme im Land lassen sich nicht mit Geld wegspritzen. Ob Maßnahmen wie die gerade beschlossene Erhöhung des Renteneintrittsalters helfen: unklar. Wie sich im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump in den USA die internationalen Handelsbeziehungen verändern: bleibt abzuwarten. Dann werden die Karten im Welthandel neu gemischt – mit möglicherweise starken Auswirkungen auf China.
Unterm Strich: Vielleicht wirkt das Duell Harris – Trump auf den ersten Blick sehr spannend. Doch der Krimi mit der größeren Dramatik und den möglicherweise größeren Auswirkungen auf Wirtschaft und Börsen spielt woanders.
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