Marktkommentar von Gordon Shannon, Portfoliomanager, TwentyFour Asset Management

  • Wahlsieg der Rassemblement National wäre für den Markt nicht unerwartet
  • Bundesanleihen werden beliebtes Instrument zur Absicherung von Risiken
  • Anleger könnten Kreditwürdigkeit weiterer G7-Länder hinterfragen

Wenn die Nationale Sammlungsbewegung (Rassemblement National, RN) bei den anstehenden Parlamentswahlen in Frankreich eine relative Mehrheit gewinnt, werden wir wahrscheinlich eine Verengung der Spreads französischer Staatsanleihen sehen. Denn auch wenn der Markt den Status quo bevorzugt hätte – der Zug ist abgefahren, und angesichts des Umfragevorsprungs der RN käme dieses Ergebnis nicht unerwartet. Marine Le Pen hat die richtigen Töne hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Macrons Regierung angeschlagen, so dass der Markt nicht gleich eine Finanzkrise einpreisen wird. Damit fällt auch das Risiko weg, dass eine neue Volksfront an die Macht kommen könnte. Dieses Szenario macht den Anlegern am meisten Angst, da sie in dem Fall einen schnellen Anstieg der ungedeckten Staatsausgaben fürchten.

EZB muss zeigen, dass sie im Interesse der gesamten EU handelt

Mittelfristig wird jedoch eine größere Machtfülle der RN oder des Front National die Beziehungen zu Europa schwächen. Es wird für Europa schwieriger werden, auf externe Schocks koordiniert zu reagieren, etwa durch eine gemeinsame Fiskalpolitik. Die Handlungsschwelle für die EZB ist niedriger, da es ihr schwerfallen würde, für innenpolitisch verursachte Fehler gerade zu stehen.

Dies gilt auch für andere Länder in Europa, die populistischere Regierungen wählen. Es muss klar sein, dass die EZB im Interesse der EU als Ganzes handelt und nicht die inländischen Entscheidungen von Einzelstaaten unterstützt.

Zwar könnte man nun Parallelen ziehen, zu der Art und Weise, wie die EU-Peripherie im Jahr 2009 unterstützt wurde. Aber der Unterschied liegt in der Zeitspanne, in der diese Probleme auftraten, in der Komplizenschaft, mit der die Staaten Kerneuropas ihr Entstehen ignoriert haben, und in der Möglichkeit, die globalen Wachstumsbedingungen dafür verantwortlich zu machen – all diese Argumente gelten heute nicht.

Bundesanleihen profitieren von wahrgenommener Wirtschaftsschwäche

Daher sehen wir die Spreads von Staatsanleihen außerhalb Kerneuropas gegenüber Bundesanleihen längerfristig negativ, was jetzt auch die französischen Staatsanleihen OATS (Obligations assimilables du Trésor) einschließt. Sie sind in Stressphasen anfälliger dafür, das Vertrauen der Anleger zu verlieren. In der Zwischenzeit werden Bundesanleihen weiterhin ein beliebtes Instrument zur Absicherung von Risiken sein und daher von jeder Zunahme der Wahrnehmung einer globalen Wirtschaftsschwäche profitieren.

Aufmerksamkeit auf US-Haushaltsdefizit

Diese Wahlen richten den Fokus der Anleger neu aus. Die Anleger sind zunehmend unzufrieden mit einer nicht nachhaltigen Haushaltspolitik und Defiziten. Dies hat auch zu einer Schwäche bei Bankaktien und -anleihen geführt. Der Marktzugang ist für die Banken von existenzieller Bedeutung, und in Zeiten von Marktstress sind die Möglichkeiten zur Beschaffung von frischem Kapital eingeschränkt.

Wenn die Risikoprämien der OATS weiter ansteigen, ist das nicht allein ein einmaliger Fall von Überschuldung. Der Anteil Frankreichs an der EU ist zu groß, als dass dies einfach überspielt werden könnte. Das könnte möglicherweise dazu führen, die Aufmerksamkeit der Märkte wieder auf die US-Haushaltsdefizite zu lenken. Diese bewegen sich seit Jahren auf einem „unhaltbaren“ Niveau, aber solange der Markt mit einem Schuldenstand im Verhältnis zum BIP von über 100 % zufrieden war, war dies kein Problem für die Emission von US-Staatsanleihen. Wenn aber die Anleger künftig die Kreditwürdigkeit eines G7-Landes in Frage stellen, warum nicht auch die anderer Länder?

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