Senkt die US-Notenbank ihre Zinsen oder erhöht sie sie sogar?

In Europa hat die EZB bereits eine erste Zinssenkung verkündet. Der Rentenmarkt ist in Aufruhr. Für Anleger könnte es eine gute Gelegenheit sein, sich mit Anleihen aussichtsreich zu positionieren.

Von David Wehner, Head of Liquid Assets, Do Investment AG

Anleiheinvestoren stellen sich aktuell zahlreiche Fragen: Sinken die Zinsen weiter oder nicht? Folgen weitere Zinssenkungen für die Eurozone oder drücken auch die USA ihre Leitzinsen? Sind lange Laufzeiten jetzt cleverer, oder sollte lieber am kurzen Ende investiert werden? Und sind Rentenpapiere aus den USA jetzt chancenreicher als europäische?

Die Situation am Rentenmarkt ist undurchsichtig und herausfordernd. Ein kurzer Rückblick: Seit fünf Monaten schon sind die Rentenkurse wieder auf Talfahrt. Als die US-Notenbank Ende vorigen Jahres Zinssenkungen in Aussicht stellte, preiste die Börse binnen kürzester Zeit insgesamt sieben Zinssenkungsschritte der Federal Reserve für 2024 ein. Auch für die Eurozone wurden daraufhin Zinssenkungen erwartet, die sinkende Inflation und die angezählte Konjunktur sprachen auf beiden Seiten des Atlantiks für solch eine Geldpolitik. Diese Zinssenkungsfantasien bescherten den Anleihekursen zum Jahreswechsel eine kräftige Rally und beflügelten auch den Aktienmarkt. Aber nach und nach ruderte die US-Notenbank zurück, weil sich die Dollar-Inflation hartnäckiger und die Konjunktur robuster zeigen als erwartet. Der Anleihemarkt knickte wieder ein und tendiert seitdem unter starken Schwankungen abwärts.

Mittlerweile ist selbst nur eine US-Leitzinssenkung noch im Jahr 2024 fraglich. Sogar eine vorübergehende Zinserhöhung ist wieder im Bereich des Möglichen, weil die US-Inflation noch zu hoch ist. Zuletzt lagen allerdings die Wachstumszahlen und das Konsumentenvertrauen in den USA unter den Erwartungen und auch die jüngsten Arbeitsmarktdaten ließen die Hoffnung auf Zinssenkungen wieder aufflammen. Die Spekulationen über den weiteren Kurs der US-Notenbank überschlagen sich, die Unsicherheit ist groß.

Diesmal prescht Europa vor

Die Eurozone ist da einen Schritt weiter: Am 6. Juni verkündete die Europäische Zentralbank die Zinswende und senkte ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte. Möglich war das, weil die Inflation in der Eurozone niedriger, die Konjunktur aber fragiler ist als in den USA. Die Ungewissheit über die nächsten Schritte der beiden großen Zentralbanken sind der Hauptgrund dafür, dass die Schwankungen an den Rentenmärkten in den vergangenen Monaten weit überdurchschnittlich waren.

Wie gehen Anleger mit so einer Situation um? Vor allem, da die Zinsstrukturkurve noch immer invers ist? Invers bedeutet, dass Anleihen mit kurzen Laufzeiten höher rentieren als langlaufende, in normalen Zeiten ist es umgekehrt. Eine inverse Zinsstrukturkurve widerspricht daher der eigentlichen Marktlogik und ist nur den unsicheren Inflationserwartungen auf Sicht von zehn und mehr Jahren geschuldet, die langfristige Investments am Rentenmarkt unkalkulierbar machen. Nur für die Eurozone liegen die langfristigen Inflationserwartungen aktuell bei 2,5 Prozent. Und wenn die Notenbanken bei niedriger Inflation die Zinsen senken, kann sich auch die Zinsstrukturkurve schnell normalisieren, so dass das höhere Risiko langlaufender Anleihen auch wieder mit höheren Zinsen entlohnt wird.

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