Growth-Aktien oder Value-Aktien? Eine Frage, die sich viele Anleger nicht nur immer wieder, sondern wohl vor allem auch aktuell stellen dürften.
Zumal einige sogenannte Growth-Aktien in jüngster Vergangenheit teils kräftig an Wert zulegen konnten und inzwischen eine recht ambitionierte Bewertung aufweisen. Auf der anderen Seite sind Value-Werte hingegen extrem günstig zu haben.
Aktuelle Markteinschätzung von Georg Geiger, Gründer und Vorstand der Value-Holdings AG
Grundsätzlich haben beide Strategien ihre Daseinsberechtigung und bieten Anlegern attraktive Renditechancen – vorausgesetzt, die Bewertung stimmt. Oder anders formuliert: Ein tolles Unternehmen, mit einem erfahrenen Management ist kein gutes Investment, wenn der dafür bezahlte Preis zu hoch ist. Der Reihe nach:
Bei Growth-Titeln handelt es sich um Aktien, bei deren Potenzialbewertung Anleger nahezu alles dem Aspekt Wachstum unterordnen – überzeugt ein Unternehmen also mit attraktiven Wachstumserwartungen, billigen ihm Growth-Investoren durchaus recht ambitionierte Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) zu. Dabei schrecken Anleger auch vor mitunter aberwitzigen Bewertungen nicht zurück. Ein gutes Beispiel dafür sind die sogenannten „Magnificent Seven“ – also die Aktien von Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla mit KGVs von teils über 70. Zwar ist nicht auszuschließen, dass diese Aktien sogar noch höhere Bewertungsniveaus aufweisen könnten, doch sollten Anleger sich die Frage stellen, ob sie tatsächlich bereit sind, einen so hohen Preis zu bezahlen und sich darüber hinaus fragen, wie lange der Markt bereit ist, solch hohe Bewertungen zu akzeptieren.
Value-Werte: Günstige Gelegenheit
Zumal aktuell auf der anderen Seite Value-Aktien mit historisch günstigen Bewertungen aufwarten. Dabei geht es aber nicht nur um Aktien, die ein geringes KGV aufweisen, vielmehr geht es darum, gut geführte und profitable Unternehmen mit einem Abschlag zum fairen Wert zu identifizieren. Und je größer dieser Abschlag, desto höher die Sicherheitsmarge, die den Anleger vor Fehleinschätzungen schützt.
Schaut man sich die Bewertungsniveaus in Europa an, zeigen sich aktuell vor allem im Nebenwerte-Segment relativ hohe Abschläge. Konkret bedeutet dies: Nebenwerte werden derzeit mit einem Abschlag von rund 20 Prozent auf ihren historischen Durchschnitt gehandelt – und im Vergleich zu den Large Caps sogar mit einem Discount von etwa 45 Prozent. Nur zur Orientierung: Da Nebenwerte zumeist kräftiger wachsen als die höher kapitalisierten Standardwerte, werden sie in der Regel mit Aufschlägen und nicht wie derzeit mit Abschlägen gehandelt. Dass Small Caps heute so bewertet werden, dürfte vor allem mit der hohen Unsicherheit der Investoren zu erklären sein, die sich insbesondere seit Anfang 2022 breit gemacht hat: Galoppierende Inflationsraten, der Ukraine-Krieg und das höhere Zinsniveau sind hier die entscheidenden Faktoren hinter der Bewertungsdiskrepanz.
Value-Aktien als Profiteur der Zinswende
Die Börse erwartet also, dass Nebenwerte einer weniger erfreulichen Zukunft entgegensteuern als die großen Aktiengesellschaften – beispielsweise, weil sie höher verschuldet sind oder deren Wachstumsaussichten sich im Zuge der technologischen Veränderungen wie KI verschlechtert haben. Doch lohnt es sich, hier genauer hinzuschauen. Zum Beispiel trifft das hohe Zinsniveau viele der kleinen Unternehmen weniger stark, als es die aktuellen Börsenkurse suggerieren. Einige Small Caps sind nicht nur schuldenfrei, sie punkten auch mit teils hohen Cash-Positionen. Dazu kommt, dass AGs aus dem Nebenwerte-Segment häufig ein bewährtes Geschäftsmodell haben, das kaum Gefahr läuft, durch neue Entwicklungen nachhaltig erschüttert zu werden.
Kurzum: Die Bewertungen der Nebenwerte wirken in vielen Fällen überzogen niedrig. Stellt sich nur noch die Frage, wann und warum sich Small Caps und Value-Aktien wieder ihren fairen Werten annähern. Ein möglicher Katalysator könnte die von vielen erwartete Zinssenkung der EZB sein. Während in den Vereinigten Staaten noch ein hohes Maß an Unsicherheit besteht, könnte die EZB hingegen schon im Sommer die Zinswende einläuten – und damit einhergehend der Markt eine Neubewertung vornehmen; sprich: die Nebenwerte könnten wieder zu ihrem üblichen Bewertungsaufschlag gegenüber groß kapitalisierten Unternehmen zurückkehren und im Zuge dessen Anlegern attraktive Renditechancen bieten.
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