Die Hauptversammlungen der DAX-Konzerne haben Hochsaison – und viele Anleger erwarten üppige Dividendenzahlungen.
Dank gestiegener Gewinne erhöhen viele Unternehmen ihre Dividende, so dass sich die Aktionäre über Rekordausschüttungen freuen dürfen. Doch allzu hohe Dividendenrenditen sollten für Anleger auch ein Warnsignal sein.
Aktuelle Markteinschätzung von Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ
Wer in ein Unternehmen investiert, sollte auch an den Gewinnen beteiligt werden. Deshalb schütten viele Unternehmen eine Dividende aus – und zwar immer kurz nach den Hauptversammlungen. Dort müssen die Aktionäre dem Dividendenvorschlag des Vorstands erst zustimmen, damit an den Folgetagen das Geld in den Depots gutgeschrieben wird. Da die meisten Hauptversammlungen in den Monaten April bis Juni stattfinden, ist die Dividendensaison bereits in vollem Gange. Für Anleger ist dies eine gute Gelegenheit, ihr Depot aufzuräumen und um einige Dividendentitel zu ergänzen.
Leider sind Dividenden keine Selbstverständlichkeit. Vor allem schnell wachsende Unternehmen investieren ihre Gewinne lieber in die weitere Markterschließung, als sie an die Aktionäre auszuschütten. Sogar hochprofitable Technologie-Riesen haben sich viele Jahre Zeit gelassen, bevor sie die erste Dividende an ihre Aktionäre zahlten – und einige der großen US-Technologie-Konzerne tun dies trotz ihrer Milliardengewinne bis heute nicht. Bei Letzteren profitieren Anleger nur beim Verkauf der Aktien von möglichen Kursgewinnen. Andere Branchen wie Automobil, Telekommunikation, Öl, Versicherungen oder Pharma sind wesentlich spendabler.
Fakt ist: Dividenden spielen für die Gesamtrendite eines Aktienportfolios eine wichtige Rolle. Deutlich wird das etwa beim heimischen Leitindex. Schließlich ist der DAX ein Performance-Index, in den nicht nur die Kurse der 40 DAX-Aktien einfließen, sondern auch deren Ausschüttungen. Im Index werden diese so behandelt, als würden sie direkt in neue Aktienanteile investiert.
Ohne reinvestierte Dividenden nicht mal halb so gut
Wie bedeutend der Beitrag der Dividenden zur Gesamtperformance ist, zeigt der Vergleich mit dem deutlich weniger bekannten DAX-Kursindex, der die Ausschüttungen nicht berücksichtigt. In den vergangenen drei Jahren brachte der Kursindex Anlegern ein Plus von rund acht Prozent, der Performance-Index dank der reinvestierten Dividenden jedoch 18 Prozent. Im Fünfjahresvergleich erreicht der Kursindex plus 31 Prozent, der Performance-DAX plus 51 Prozent. Und über die gesamte Zeit seit Auflage der DAX-Indizes 1987 kommt der Kursindex auf 614 Prozent Plus, der Performance-Index hingegen auf stattliche 1.710 Prozent Plus.
Unter dem Strich haben Dividenden im DAX einen Anteil von 56 Prozent an der Gesamtperformance. Der große Einfluss hat gleich mehrere Gründe: Zum einen schütten die DAX-Unternehmen regelmäßig einen hohen Anteil ihrer Gewinne an die Investoren aus, im Mittel sind es um die 40 Prozent. Zum anderen zahlen die Börsenkonzerne häufig selbst dann Dividenden an die Aktionäre, wenn es im Unternehmen und an der Börse mal nicht so gut läuft. Die Dividende ist dann das Trostpflaster für Aktionäre, deren Anteile an Wert eingebüßt haben.
Viele börsennotierte Unternehmen bemühen sich zudem, ihre Dividende alljährlich zu erhöhen. So kommt es, dass die Ausschüttungssumme der DAX-Dividenden in vielen Jahren neue Rekordstände erreicht. Beispielsweise lag die Dividendensumme im DAX 2021 noch bei 32 Milliarden Euro, 2022 bei 47 Milliarden Euro und 2023 bei 52 Milliarden Euro. Auch im laufenden Jahr soll es Prognosen zufolge ein neues Rekordhoch geben, Schätzungen erwarten ein Plus zwischen 200 Millionen und 2,4 Milliarden Euro. Bisher haben nur vier DAX-Unternehmen eine Dividendenkürzung angekündigt, 24 haben ihre Ausschüttung pro Aktie angehoben. Für Aktienanleger sind das gute Aussichten.
Hohe Dividenden bzw. Dividendenrenditen können auch ein Warnsignal sein
Doch Vorsicht: Wer Aktien lediglich nach Dividendenhöhe oder Dividendenrendite, also dem Verhältnis der Ausschüttung zum Aktienkurs, auswählt, sollte jedoch genau hinschauen. Die Dividendenrendite steigt nämlich nicht nur bei einer Erhöhung der Dividende, sondern auch durch einen fallenden Kurs. Überdurchschnittliche Dividendenrenditen können somit auch Ausdruck von wirtschaftlichen Problemen im Unternehmen sein. Und nur Unternehmen, die ihre Dividenden aus den Gewinnen bezahlen können, können dies auch nachhaltig tun. Ansonsten zehren sie von der Unternehmenssubstanz, vernachlässigen Investitionen oder nehmen für die Ausschüttung sogar höhere Schulden in Kauf.
Entscheidend für die Qualität einer Dividendenaktie ist vor allem die Zuverlässigkeit, mit der eine Dividende gezahlt wird. Es gibt zahlreiche Aktien, die über Jahrzehnte ihre Dividenden zuverlässig gezahlt und dabei sogar alljährlich erhöht haben. Anleger nennen diese Titel Dividendenaristokraten. Viele dieser Aktien zeichnen sich weniger durch hohe Dividendenrenditen aus, sondern vielmehr durch ihre Kontinuität und ein anlegerfreundliches Management. Anlegern bescheren sie somit nicht nur eine von der Kursentwicklung unabhängige Rendite, sondern geben ihrem Depot zusätzliche Stabilität. Dividendenstarke Aktien sind deshalb – neben weiteren Asset-Klassen wie Anleihen, Rohstoffe oder alternative Investments – eine Bereicherung für jedes Wertpapierportfolio.
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