Sogar um 125 Basispunkte könnte die EZB die Zinsen in diesem Jahr senken, meint Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei dem US-amerikanischen Vermögensverwalter Neuberger Berman. Warum das so ist, lesen Sie in seinem Kommentar:

Die EZB hat die Tür für eine erste Zinssenkung im Juni geöffnet. Gleichzeitig hält sie jedoch an ihrer restriktiven Zinspolitik fest, etwa der Verlangsamung der Lohnsteigerungen. Infolgedessen dürften sich die deutschen 5-10-jährigen Bundesrenditen zwischen 2,25 und 2,5 Prozent stabilisieren. Ein für die Eurozone noch immer hohes Niveau. Es ist unwahrscheinlich, dass dies zu einer Belebung der Wirtschaft ausreicht, was das Risiko einer Rezession in diesem Jahr erhöht. Es ist zu erwarten, dass die Inflation weiter sinkt, und zwar auf ein niedrigeres Niveau als von den Märkten und der EZB prognostiziert.

Voraussetzungen für Zinssenkungen sind gegeben

Die Abwärtskorrektur ihrer Wirtschaftsprognose war die wichtigste Nachricht der gestrigen EZB-Sitzung. Die langfristige Inflationsprognose hat das 2-Prozent-Ziel erreicht, sodass die EZB mit der Senkung ihrer Leitzinsen beginnen kann. Dennoch erklärte Frau Lagarde, dass weitere Daten notwendig sind. Die Währungshüter sind noch nicht “hinreichend zuversichtlich”, dass die Inflation in Richtung ihres Ziels fällt. Die EZB beäugt insbesondere die Entwicklung der Löhne und Gewinne weiterhin skeptisch. Überraschenderweise spielte Frau Lagarde die Tatsache herunter, dass die EZB-Politik “datenabhängig” ist. Die Bedingungen für eine Zinssenkung scheinen also gegeben und der Markt wird mit niedrigeren Zinssätzen und Kreditspreads reagieren. Mittelfristig bedeutet das, dass die EZB ihren Leitzins in diesem Jahr um mindestens 125 Basispunkte senken wird, was zu einer Versteilerung der Renditekurve führen dürfte.

Übermäßige Marktreaktion vermeiden

In der Fragerunde versuchte Frau Lagarde, die neuen, pessimistischen Wirtschaftsprognosen der EZB wieder zu relativieren, um im Gegenzug eine übermäßige Markterholung zu vermeiden: Sie erklärte, dass die EZB weiterhin mehr Informationen über ihre eigenen Prognosen hinaus haben möchte, wie z. B. Lohnsteigerungen und Gewinnspannen der Unternehmen.

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