Marktkommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL
Nach der Veröffentlichung eines zwar leicht verbesserten, insgesamt aber weiterhin sehr schwachen Geschäftsklimaindex lautet das Fazit des ifo-Instituts: „Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle“.
- Dabei beschreibt ein Großteil der Unternehmen die aktuelle Lage als schwierig, während sich die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate leicht verbesserten.
- Ausnahme bleibt der Bausektor mit weiter deutlich nachgebenden Perspektiven.
- Zum letzten Mal stand der Gesamtindex im Herbst 2022 angesichts der Sorge vor einer drohenden Gasmangellage mit möglichen Energierationierungen und deutlich absackenden Geschäftserwartungen auf den aktuellen Niveaus.
- Im Unterschied zur damaligen Situation drückt heute vor allem die aktuelle Lagebeschreibung die Stimmung der Unternehmen. Passend dazu gaben auch die ifo-Exporterwartungen erneut deutlich nach und liegen damit auf dem Niveau vom Frühjahr 2020 inmitten des ersten Corona-Lockdowns.
Diese pessimistische Stimmung findet sich auch im europäischen Kontext wieder. So verbesserten sich zwar die S&P-Global Einkaufsmanagerindizes für Deutschland und die Eurozone zuletzt leicht auf weiterhin schwachem Niveau, allerdings gaben die Werte für Frankreich überraschend deutlich nach. Insgesamt ist die Stimmungslage in der Wirtschaft der Eurozone mittlerweile so pessimistisch, dass die Wahrscheinlichkeit für positive Überraschungen in den kommenden Monaten steigt.
Bei der letzten ifo-Umfrage galten als Kernbelastungsfaktoren:
- Die Unsicherheit über die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland
- fehlende Neuaufträge in der Industrie
- und die stark gestiegenen Zinsen.
Dies sind mögliche Ansatzpunkte. Von politischer Seite gibt es zumindest erste Anzeichen für eine Fokussierung auf eine stärkere Unterstützung der Wirtschaft, zuletzt die Verschiebung der strengeren Vorschriften zur Dämmung von Gebäuden durch Wirtschaftsminister Robert Habeck. Angesichts einer nur leichten Rezessionserwartung sind die USA der derzeitige Stabilisator der Weltwirtschaft und könnten für eine Stabilisierung der Neuaufträge sorgen. Auch In China ist – bei anhaltender wirtschaftlicher Schwäche – die Aussicht auf mehr konjunkturstützende Maßnahmen vonseiten der Regierung und damit eine steigende Exportnachfrage immer wahrscheinlicher. Der größte Hebel liegt aber kurzfristig auf der Zinsseite, nicht bei den Notenbankzinsen, sondern bei den für die Refinanzierung von Schulden besonders relevanten längeren Laufzeiten.
Die in dieser Woche zur Veröffentlichung anstehenden Inflationsdaten für die Eurozone und für Deutschland (erwartet werden jeweils rund 4,5 Prozent) werden deutlich schwächer als im Vormonat ausfallen, da im Vergleichszeitraum vor einem Jahr der Wegfall des Tankrabatts und des 9-Euro-Tickets die Preisniveaus angezogen haben. In den USA werden die für die Fed besonders relevanten PCE-Preisdaten für August bekanntgegeben. Zumindest die Kernrate – ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Nahrungsmittel – dürfte ebenfalls nachgeben. Gut möglich ist zudem, dass sich der jüngste Auftrieb der Rohölnotierungen als kurzfristiges Strohfeuer entpuppt, denn die globalwirtschaftliche Nachfrageschwäche könnte das sinkende Angebot kurzfristig überkompensieren.
Fazit: Ein nachgebender Inflationsdruck könnte die Zinsen mit längeren Laufzeiten somit unerwartet deutlich ins Rutschen bringen und so auch die Perspektiven für die Aktienmärkte mit Blick auf das Jahresende wieder verbessern.
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