Offshore-Wind auf Wachstumskurs, aber wirtschaftlicher Druck und technische Innovationen müssen bewältigt werden

Das Potenzial der Offshore-Windenergie als Quelle für sauberen Strom für die Energiewende ist unbestritten. Die Investitionen in den Sektor nehmen weltweit rasch zu, die Leistung der Anlagen steigt, und der technologische Fortschritt ist rasant – von Mehrzweck-Windparks und schwimmenden Anlagen bis hin zu Konnektivität der nächsten Generation und drohnengestützter Wartung. Projektentwickler und ihre Versicherer müssen eine Reihe von Risiken bewältigen, um die Offshore-Windkraft weltweit erfolgreich zu skalieren. Dazu gehören die prototypische Technologie, wirtschaftlicher Druck, extremere Wetterbedingungen, Kabelschäden und Kollisionsgefahren sowie die Berücksichtigung von Umweltfaktoren.

In ihrem neuen Bericht “A turning point for offshore wind” beleuchtet Allianz Commercial als führender Versicherer für erneuerbare Energien und kohlenstoffarme Technologien Wachstumschancen, technische Innovationen, Risikotrends und Schadenmuster für die Offshore-Windindustrie, die sich auf ein globales Wachstum vorbereitet.

„Offshore-Windparks sind hochkomplexe Projekte”, erklärt Anthony Vassallo, Global Head of Natural Resources, Allianz Commercial. „Die Lehren, die wir aus den Schäden der Vergangenheit gezogen haben – in erster Linie Schäden an Kabeln und Turbinen – sind entscheidend für ein nachhaltiges Wachstum der Branche. Auch neu auftretende Risiken müssen untersucht werden, wenn nun neue Offshore-Windkraftanlagen auf der ganzen Welt errichtet werden sollen. Die Turbinen werden immer größer, die Windparks bewegen sich immer weiter hinaus in rauere Meeresgebiete, wo sie extremen Wetterbedingungen ausgesetzt sind, und die technologische Innovation schreitet unablässig voran. Auch Umweltschutz und Biodiversität in Küstenregionen werden immer wichtiger werden, wenn sich die Nachfrage nach Meeresraum wie prognostiziert bis 2050 verfünffachen wird.“

China hat Europa als größten Markt überholt

Mehr als 99 % der weltweit installierten Offshore-Windkraftanlagen befinden sich heute in Europa und in Asien. Allerdings investieren die USA massiv in diesen Sektor, und China hat Europa als weltweit größten Markt überholt – die Hälfte der weltweiten Offshore-Windkraftanlagen im Jahr 2023 wird dort installiert sein. Im Jahr 2022 wurden weltweit 8,8 GW an neuen Offshore-Windkapazitäten in das Netz eingespeist, wobei die weltweit installierte Kapazität 64,3 GW erreichte. Nach Angaben des Global Wind Energy Council werden in den nächsten zehn Jahren in 32 Märkten rund 380 GW an neuer Offshore-Kapazität hinzukommen.

Auch wenn die Wachstumsambitionen groß sind, sind die Projektentwickler laut der Studie mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Steigende Kosten haben zuletzt große Windkraftprojekte zum Stillstand gebracht, und die Branche wird durch Inflation, Kapitalkosten, steigende Zinsen und geopolitische Instabilität beeinträchtigt. Die Kosten für Material und Schiffsmiete sind gestiegen, während die Versorgung mit Materialien und der Zugang zu Auftragnehmern angespannt sind. Engpässe in der Lieferkette, langwierige Genehmigungsverfahren und Verzögerungen beim Netzanschluss üben ebenfalls Druck aus.

„Das Ausmaß des weltweiten Ausbaus der Offshore-Windenergie ist gigantisch. Er erfordert die Ausweitung der Produktionskapazitäten, der Hafenanlagen und der Infrastruktur. Und er muss von allen Beteiligten gemeinsam vorangetrieben werden – von Finanzinstituten, Unternehmen und Regierungen”, sagt Harald Dimpflmaier, Leiter Underwriting Energy & Construction für Allianz Commercial in Deutschland.

Hauptursache Kabelschäden

Sowohl der Energiesektor als auch die Versicherungsbranche verfügen über beträchtliches Fachwissen zu Risikomanagement von Offshore-Windparks. In Deutschland als einem ihrer größten Offshore-Wind-Versicherungsmärkte ist laut Analysen der Allianz rund die Hälfte (53 Prozent) des Schadenvolumens im Bereich Offshore-Wind in den Jahren 2014 bis 2020 auf Kabelschäden zurückzuführen, gefolgt von Turbinenschäden als zweitwichtigster Ursache (20 Prozent). Vom Verlust ganzer Kabel während des Transports bis hin zum Verbiegen von Kabeln während der Installation haben Kabelschäden in der Offshore-Windbranche zu Verlusten in Millionenhöhe geführt. Sie können potenziell ein ganzes Netz von Turbinen außer Betrieb setzen.

„Das Kabelrisiko ist kritisch, und deshalb ist die Servicequalität ein wichtiger Faktor, um mögliche Ausfallzeiten zu begrenzen. Beauftragte Unternehmen müssen zusichern, dass sie über das erforderliche Know-how verfügen, um Störungen zu beheben, und bei der schnellen Beschaffung von Ersatzkomponenten unterstützen können“, erklärt Dimpflmaier. Bei der Risikoprüfung im Underwriting achteten Versicherer laut Dimpflmaier bei Seekabelarbeiten genau auf die Art der verwendeten Kabel, die beteiligten Schiffe oder die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Technische Innovationen: Energieinseln und Mehrzweck-Parks

Der Sektor muss den Einsatz neuer Technologien sorgfältig planen und begleiten. Zu Neuerungen gehören sogenannte „Energieinseln“, die den Strom zwischen Netzen und Nationen teilen, oder „Mehrzweck-Windparks“, die grünen Wasserstoff produzieren oder Batteriespeicher beherbergen. Pilotprojekte wie die Offshore-Logistikdrohnen des deutschen Energieversorgungsunternehmens EnBW erforschen den Einsatz von Drohnen für die Wartung und Reparatur von Turbinen. Während die meisten Offshore-Windkraftanlagen derzeit noch mit Fundamenten am Boden befestigt sind, steht die Entwicklung von hochmodernen schwimmenden Windkraftanlagen in tieferen Gewässern kurz vor der Kommerzialisierung.

Auch das Größenwachstum . In den letzten 20 Jahren haben sie ihre Höhe fast vervierfacht – von etwa 70 m auf 260 Meter – und sind damit fast dreimal so hoch wie die Freiheitsstatue in New York. Die Rotordurchmesser haben sich in den letzten 30 Jahren verfünffacht. Windturbinen mit einer Leistung von 8 oder 9 MW sind üblich, neuere Modelle erreichen 14 bis 18 MW; ein Windparkprojekt in Australien hat vor kurzem sogar Pläne für den Einsatz von 20-MW-Turbinen angekündigt.

„Mit neuen Technologien und immer größeren Turbinen steigen auch die Risiken. Wir beobachten die vielen Innovationen in der Offshore-Windindustrie genau, zu denen prototypische Technologien, Pilotprojekte und die sich entwickelnde Standardisierung gehören. Diese neuen und unerprobten Technologien sind oft noch nicht ausgereift und die Datenlage ist unzureichend. Durch die Zusammenarbeit mit Kunden in der Frühphase von Projekten und den Austausch von Wissen und Erfahrungen gewinnen alle Beteiligten ein besseres Verständnis der damit verbundenen Risiken“, sagt Dr. Wei Zhang, Senior Risk Consultant, Natural Resources, Allianz Commercial.

Mangel an Spezialschiffen und Kollisionsgefahren

Ein weiteres dringendes Problem für die Offshore-Windbranche ist laut der Studie die Verfügbarkeit von Spezialschiffen. Weltweit wird eine größere Flotte benötigt, die über Europa als derzeitigem Hauptstandort hinausgeht und Installations-, Hub- und Hilfsschiffe umfasst. Von Schiffen geht zudem prinzipiell die Gefahr von Kollisionen mit Turbinen und Offshore-Infrastruktur aus, die erhebliche Schäden verursachen können. Es gab bereits eine Reihe von Vorfällen mit zumeist kleineren Schiffen, aber auch einigen größeren Schiffen. Angesichts der Tatsache, dass bis 2030 allein in der Nordsee 2.500 Windturbinen installiert werden sollen, sind die Kollisionsgefahren im Auge zu behalten.

Klimawandel erhöht Wind- und Wettergefahren

Zwar verfügt der Offshore-Sektor in Europa über ein beträchtliches Fachwissen im Umgang mit gefährlichen Meeresumgebungen. Doch im Zuge der weltweiten Expansion wird es neue Entwicklungen in Gebieten geben, die weiter von der Küste entfernt sind und anderen Wetterbedingungen und Naturkatastrophen ausgesetzt sind. „An der Ostküste der Vereinigten Staaten oder in Taiwan zum Beispiel werden Windgeschwindigkeiten und Wellengang viel stärker ins Gewicht fallen. Es bleibt abzuwarten, ob der Klimawandel das Risiko erhöht, da steigende Meeresoberflächentemperaturen die Stärke von Wirbelstürmen verstärken können“, erklärt Zhang.

Trotz ihres unschätzbaren Beitrags zur Netto-Null-Transformation muss die Offshore-Windindustrie laut der Studie auch selbst auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt achten. Dazu gehört etwa der Umgang mit den Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Meeresfauna oder die Beschaffung der benötigten Rohstoffe wie Seltene Erden oder Lithium.

Die Allianz unterstützt einige der spannendsten Offshore-Wind-Projekte, sei es als Investor oder als Versicherer. In ihrem kürzlich vorgestellten Net-Zero Transition Plan hat sich Allianz Commercial verpflichtet, ihre Einnahmen im Bereich erneuerbare Energien und kohlenstoffarme Technologien bis 2030 um 150% zu steigern. Darüber hinaus hat sich die Allianz zu zusätzlichen Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro für Klima- und Cleantech-Lösungen verpflichtet. Als Investor beteiligt sich das Unternehmen an rund 100 Windpark- und Ökostromprojekten wie Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden, He Dreiht (Deutschland) oder NeuConnect (Großbritannien/Deutschland). Allianz Commercial bietet Versicherungslösungen für alle Phasen der Entwicklung, des Baus und des Betriebs von Offshore-Windparks und ist der Versicherer vieler Projekte, darunter Revolution Wind (USA), Dogger Bank Wind Farm (Großbritannien), NeuConnect (Großbritannien/Deutschland) und Jeonnam (Südkorea).

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