Kommentar von Jim Cielinski, Global Head of Fixed Income, und Jason England, Portfolio Manager, Janus Henderson Investors
- Weiterhin hohe Preise veranlassen Fed bis Ende 2023 restriktiv zu bleiben
- Weitere Zinserhöhungen könnten die Gesamtnachfrage in einer Phase belasten, in der die verschärften Kreditbedingungen zusätzlichen Druck auf die US-Wirtschaft ausüben
- Die anhaltend hawkische Haltung der Fed wirkt sich leicht negativ auf risikoreichere Anlagen aus, da sie die Wahrscheinlichkeit eines geldpolitischen Fehlers erhöht – vor allem, wenn es zu Zinserhöhungen kommt, bevor die Auswirkungen der früheren Straffung gänzlich spürbar sind
Als sich in den letzten Monaten abzeichnete, dass sich die Federal Reserve (Fed) dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus näherte, setzte sich am Markt die Ansicht durch, dass die Geldpolitiker nur zwei Möglichkeiten hätten: eine Pause oder einen Kurswechsel. Nach und nach wurde „Pause“ zu einem Code dafür, dass die Fed ihren Endsatz erreicht hat – d. h. keine weiteren Zinserhöhungen –, die Bedingungen aber noch keine Senkung des Tagesgeldsatzes rechtfertigen würden. Mit der heutigen Ankündigung wählte die US-Notenbank jedoch eine dritte Möglichkeit: die des Aussetzens.
Man könnte sich über die Bedeutung einer Pause und eines Aussetzens streiten, aber wir glauben, dass die heutige Ankündigung der Fed, eine Sitzung auszusetzen und stattdessen die Obergrenze des Leitzinses bei 5,25 % zu belassen, darauf hindeutet, dass wir den Höhepunkt dieses Zyklus bei den Leitzinsen noch nicht erreicht haben.
Angesichts der bekannten Schwierigkeit, die Auswirkungen früherer Straffungsmaßnahmen zu beurteilen (man denke nur an die monatliche Verringerung der Fed-Bilanz um 90 Milliarden US-Dollar), gehen wir davon aus, dass sich die Fed mit der heutigen Entscheidung Zeit verschafft hat, um die verzögerte Wirkung von Zinserhöhungen um 500 Basispunkte besser einschätzen zu können. Erschwerend kommen ein robuster US-Arbeitsmarkt und die Frage hinzu, inwieweit die Turbulenzen in den US-Regionalbanken die Kreditbedingungen belasten könnten.
Eine dritte Möglichkeit
Unsere langjährige Ansicht, dass „eine Pause nicht gleichbedeutend mit einem Kurswechsel ist“, hat sich bestätigt, da der an den Futures-Märkten implizierte Verlauf des Leitzinses gestiegen ist und die Anleger nun akzeptieren, dass es 2023 keine Zinssenkung geben wird. Dennoch erregte der implizite Zinssatz in der überarbeiteten Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen der Fed – ihrer weithin beachteten „Dots“-Umfrage – unsere Aufmerksamkeit, da die Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) in diesem Jahr zusätzliche Zinserhöhungen von bis zu 50 Basispunkten sehen. Wir glauben nicht, dass diese Erhöhungen in Stein gemeißelt sind, sondern dass sie der Fed Flexibilität bieten – und vielleicht die Falken, die auf eine Zinserhöhung bei dieser Sitzung gehofft hatten, vorübergehend zum Schweigen bringen.
Neben dem angepassten Dots-Kurs nahm der FOMC weitere Änderungen an seinen Wirtschaftsprojektionen vor. Vor allem senkte er die für Ende 2023 erwartete Arbeitslosenquote von 4,5 % auf 4,1 %. Hinter dieser Änderung steht die Bestätigung eines stabilen Beschäftigungsumfelds in den USA.
Von allen Spätindikatoren, an denen sich viele Anleger beim Versuch einer Vorhersage der künftigen Geldpolitik fälschlicherweise orientieren, ist die Arbeitslosenquote in der Regel der am stärksten verzögerte. Dies erscheint uns in diesem Zyklus besonders relevant. Denn das weiterhin positive nominale Wirtschaftswachstum verstärkt die Tendenz der Unternehmen, Arbeitskräfte zu „horten“ – eine sanfte Landung ist also nicht vom Tisch. Die Arbeitgeber wollen auch keine Kapazitäten abbauen, falls die Wirtschaft positiv überrascht. Ein weiterer Grund ist der viel zitierte Arbeitskräftemangel. Die Mitarbeitergewinnung war in der Zeit nach der Pandemie ein mühsames Unterfangen; warum sollte man das wiederholen?
Die Inflation dreht – doch nicht schnell genug?
Interessant ist auch, dass die Kerninflation für 2023 von 3,6 % auf 3,9 % angehoben wurde, gemessen an der von der Fed bevorzugten Kennzahl. Dieser Wert lag im April bei 4,7 % (und im Mai bei 5,3 % auf Basis des separaten Verbraucherpreisindex). Da sich beide Messgrößen immer noch in der Nähe von 5,0 % befinden, dürfte die Fed kaum eine andere Wahl gehabt haben, als zu signalisieren, dass sie die Inflation, die sich auf die Kaufkraft der Haushalte auswirkt, weiterhin fest im Blick hat.
Auch wenn dies angesichts der Inflationsdaten vielleicht gerechtfertigt ist, wären künftige Zinserhöhungen unserer Meinung nach mit erheblichen Risiken verbunden. Ein Großteil der Inflation hat sich bereits überholt. Die Warenpreise sind dank der nachlassenden Angebotsstörungen und der auslaufenden Konjunkturprogramme der Pandemiezeit gesunken. Die Erzeugerpreise sind gefallen, und auch bei den Dienstleistungen (ohne Unterkünfte), die lange Zeit für einen Preisauftrieb gesorgt haben, ist ein Rückgang zu verzeichnen.
Am aufschlussreichsten ist vielleicht die Tatsache, dass der Wohnungsmarkt selbst, bereinigt um die zeitliche Verzögerung, mit der diese Messgröße erstellt wird, nachgibt, da der Anstieg der neu abgeschlossenen Mietverträge weit von den Spitzenwerten des Zyklus entfernt ist. Angesichts des Abwärtstrends könnten ein oder zwei späte Zinserhöhungen in diesem Jahr zu den sich abzeichnenden disinflationären Kräften beitragen. Dies würde jedoch die Nachfrage zum Erliegen bringen, was unweigerlich die Wirtschaft und den Unternehmenssektor belasten würde.
Kreditbedingungen: Der Joker
Wir begrüßen es, dass die Fed ihre Erklärung mit einer Bemerkung über die Solidität des US-Bankensystems beginnt. Allerdings hat sie unmittelbar danach unsere Besorgnis darüber bekräftigt, dass die Verschärfung der Kreditkonditionen – zum Teil aufgrund der Turbulenzen bei den Regionalbanken im Frühjahr – zu keinem schlechteren Zeitpunkt hätte kommen können.
2022 hätten strengere Kreditbedingungen die Zinserhöhungen bei der Bekämpfung der historischen Inflation unterstützt. Dieses Jahr, in dem sich viele Frühindikatoren der Inflation bereits umkehren, könnte eine Kreditverknappung darüber entscheiden, ob die US-Wirtschaft mit einer sanften Landung oder einem weniger günstigen Ergebnis davonkommt. Unsere Einschätzung wird durch die Umfragen unter Senior Loan Officers untermauert, die auf eine Verschärfung der Kreditbedingungen hindeuten. Die Wirkung höherer Kreditvergabestandards verzögert sich in der Regel um bis zu zwölf Monate, was bedeutet, dass die Auswirkungen der Zurückhaltung der Banker in diesem Frühjahr möglicherweise erst 2024 voll zum Tragen kommen.
Vorbereitung auf ein größeres Spektrum an Marktentwicklungen
Eine Sache hat sich durch die aktuelle Entscheidung nicht geändert: Die Fed nähert sich dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus. Wir hätten eine echte Pause – zur Erinnerung: das ist ein Code für das Erreichen des Endsatzes – und sogar „höher für länger“ als nicht zwingend negativ für risikoreichere Anlagen interpretiert. Denn die Bestätigung eines disinflationären Trends wäre eine Erleichterung für die breitere Wirtschaft. Höhere – aber nicht steigende – Zinssätze würden auch ein Argument für das Halten von Bargeld und Bargeldäquivalenten liefern.
Allerdings können wir den aktuellen hawkishen Ton nur als leicht negativ für risikoreichere Anlagen interpretieren. Unserer Ansicht nach erhöht die Kombination aus zahlreichen rückläufigen Inflationsdatenreihen und der Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen (und nicht zu vergessen die strengeren Kreditbedingungen) die Wahrscheinlichkeit eines geldpolitischen Fehlers, einschließlich einer härteren als erwarteten Landung.
Geringfügig höhere Leitzinsen dürften dazu führen, dass die Renditen kürzerer Laufzeiten in einer Spanne bleiben und die Zinskurve bei längeren Laufzeiten aufgrund des weiterhin gedämpften Wirtschaftswachstums abflacht. Die Anleger müssen sich jedoch des Risikos bewusst sein, dass die Fed bereits zu weit gegangen sein könnte. Die Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums wird sich erst zeigen, wenn die Spätindikatoren die Auswirkungen der Straffungspolitik der letzten 18 Monate vollständig widerspiegeln. Sollte dies der Fall sein, könnte es tatsächlich zu einem Kurswechsel kommen, da die Geldpolitiker die schlimmstmöglichen wirtschaftlichen Folgen abwenden wollen.
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