Marktkommentar von von Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt FERI Gruppe

Hohe Energiekosten und Kaufkraftverluste machen sich negativ bemerkbar

Nicht alle Branchen gleichermaßen betroffen

Bausektor leidet besonders unter steigenden Zinsen

Digitale Wirtschaft mit guten Perspektiven

Die deutsche Wirtschaft befindet sich zu Beginn des Jahres 2023 in einer Rezession, die vor allem auf die Kaufkraftverluste infolge der hohen Inflation zurückzuführen ist. In diesem Umfeld müssen sich die meisten Branchen im Jahr 2023 auf sinkende preisbereinigte Umsätze einstellen. Das gilt in besonderem Maße für den Einzelhandel, wo sich die Konsumzurückhaltung der Haushalte bereits in den letzten Monaten des Jahres 2022 spürbar bemerkbar machte. Im Jahresverlauf dürften rückläufige Inflationsraten zwar eine leichte Besserung bringen, unter dem Strich schrumpft der preisbereinigte Umsatz jedoch um 3,5 Prozent.

Industriebranchen unterschiedlich betroffen

Für die Industrie sind die Perspektiven gemischt: Viele Betriebe der chemischen Industrie drosselten bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 deutlich ihre Produktion, weil manche Anlagen infolge der hohen Rohstoff- und Energiekosten unrentabel wurden. Ob die Gaspreisbremse für Unternehmen diesen Niedergang aufhalten oder gar umkehren kann, ist eine der spannenden Fragen für das Jahr 2023. Selbst wenn sich die Lage im Jahresverlauf verbessert, muss für das Gesamtjahr 2023 mit einem Rückgang der Chemieproduktion um mehr als 10 Prozent gegenüber dem schon schwachen Jahr 2022 gerechnet werden.

In der deutschen Automobilindustrie sind die Aussichten für das kommende Jahr nicht so positiv, wie es das erwartete Produktionsplus von mehr als 7 Prozent nahelegen würde: Dieses Plus ist nämlich dem Umstand geschuldet, dass die Hersteller dank einer besser werdenden Versorgung mit Speicherchips ihren hohen Auftragsstand sukzessive abarbeiten können. Perspektivisch müssen sich die Hersteller von Fahrzeugen aber auf schlechtere Zeiten einstellen, denn in der Rezession dürfte die Nachfrage nach Autos spürbar sinken, und auch weltwirtschaftlich muss die stark exportorientierte Branche mit Gegenwind rechnen. Die geringere Förderung von Elektrofahrzeugen ist ein Faktor, der die Erwartungen zusätzlich dämpft.

Schlechte Aussichten für das Baugewerbe

Vor einem Jahr hatten wir an dieser Stelle geschrieben, das deutsche Baugewerbe könne zu den Gewinnern des Regierungswechsels gehören. Inzwischen ist klar: Das Ziel, bis zu 400.000 Wohneinheiten pro Jahr neu zu errichten, wird auch im Jahr 2023 deutlich verfehlt. Steigende Zinsen und hohe Baukosten haben viele private Bauherren dazu gebracht, ihre Bauvorhaben nicht weiter zu verfolgen, und auch öffentliche Auftraggeber zeigen sich zunehmend zurückhaltend. Auch für den Gewerbebau ist in einer Rezession nicht mit positiven Impulsen zu rechnen. Insgesamt wird die Bauproduktion nach dem deutlichen Minus im Jahr 2022 auch 2023 weiter zurückgehen.

Reisebranche und Gastgewerbe: Erholungseffekte laufen aus

Die hohen Umsatzzuwächse von fast 100 Prozent für die Reisebüros und -veranstalter und von mehr als 40 Prozent für das Gastgewerbe im Jahr 2022 müssen vor dem Hintergrund eines pandemiebedingt sehr geringen Ausgangsniveaus eingeordnet werden. In beiden Bereichen liegt der Umsatz damit noch erheblich unter dem Niveau des Jahres 2019. Nachdem die pandemiebedingten Aufholeffekte im Wesentlichen abgeschlossen sind, wird die Entwicklung des privaten Konsums zum wichtigsten Bestimmungsfaktor der weiteren Umsatzentwicklung, und das lässt für beide Bereiche ein Minus des preisbereinigten Umsatzes von etwa 4 Prozent im Jahr 2023 erwarten.

Digitale Wirtschaft relativ robust

Positiv bleibt die Umsatzentwicklung im IT-Sektor und damit verbundenen Branchen: Der Umsatz mit Dienstleistungen der Informationstechnologie liegt ebenso wie der in der Datenverarbeitung und mit Webportalen um mehr als 10 Prozent über dem Niveau des Jahres 2019 und wird im Jahr 2023 weiter steigen, wenn auch mit deutlich geringerer Dynamik als zuletzt. Dass sich Deutschland in Sachen Digitalisierung weiterhin eher auf dem Niveau eines Entwicklungslandes befindet, eröffnet den Unternehmen in diesen Bereichen prinzipiell weiterhin positive Perspektiven. Damit sich diese realisieren können, braucht es allerdings mehr Impulse auch aus dem politischen Bereich. Mehr Engagement von Kommunen und Ländern in der Digitalisierung von Verwaltungsabläufen und Bürgerdienstleistungen wäre hier hilfreich.

Über Axel D. Angermann

Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte. Diese Daten bilden die Grundlage für die strategische Ausrichtung der Vermögensanlagen der FERI. Angermann verantwortet seit 2008 die von FERI erstellten Analysen und Prognosen für die Gesamtwirtschaft sowie einzelne Branchen. 2002 trat er als Branchenanalyst in das Unternehmen ein. Seine berufliche Karriere begann beim Max-Planck-Institut für Ökonomie und beim Verband der chemischen Industrie. Angermann studierte Volkswirtschaftslehre in Berlin und Bayreuth.

Über FERI

Die FERI Gruppe mit Hauptsitz in Bad Homburg wurde 1987 gegründet und hat sich zu einem der führenden Investmenthäuser im deutschsprachigen Raum entwickelt. Für institutionelle Investoren, Familienvermögen und Stiftungen bietet FERI maßgeschneiderte Lösungen in den Geschäftsfeldern:

Investment Management: Institutionelles Asset Management & Private Vermögensverwaltung

Investment Consulting: Beratung von institutionellen Investoren & Family Office Dienstleistungen

Investment Research: Volkswirtschaftliche Prognosen & Asset Allocation-Analysen

Das 2016 gegründete FERI Cognitive Finance Institute agiert innerhalb der FERI Gruppe als strategisches Forschungszentrum und kreative Denkfabrik, mit klarem Fokus auf innovative Analysen und Methodenentwicklung für langfristige Aspekte von Wirtschafts- und Kapitalmarktforschung. Derzeit betreut FERI zusammen mit MLP ein Vermögen von ca. 55 Mrd. Euro, darunter rd. 15 Mrd. Euro Alternative Investments. Die FERI Gruppe unterhält neben dem Hauptsitz in Bad Homburg weitere Standorte in Düsseldorf, Hamburg, München, Luxemburg, Wien und Zürich.

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