Marktkommentar von Andy Acker, Portfolio Manager, Janus Henderson Investors
Bisher hat der Gesundheitssektor in Krisenzeiten tendenziell besser abgeschnitten als der breitere Aktienmarkt. Dieses Muster setzte sich auch 2022 fort: Der S&P 500® Health Care Sector verzeichnete bis Mitte November eine Performance von -3,4 % gegenüber -15,6 % für den S&P 500® Index.[1] Mit einer Inflation, die sich immer noch auf einem extrem hohen Niveau befindet und von den Zentralbanken durch aggressive Zinserhöhungen bekämpft wird, dürften sich Anleger auch 2023 auf defensive Sektoren wie den Gesundheitssektor konzentrieren.
Managed Care und Pharma nutzen ihre Preismacht
Bislang haben vor allem Managed Care, große Biopharmaunternehmen und Pharmagroßhändler den Sektor gestützt. Viele dieser Unternehmen können ihr Gewinnpotenzial abschätzen und ihre Preise anheben, um steigende Kosten auszugleichen. Auch im kommenden Jahr dürften diese Eigenschaften für die Anleger attraktiv sein. In den USA konnten beispielsweise Managed-Care-Anbieter, die am öffentlichen Markt für Krankenversicherungen tätig sind und/oder über Arbeitgeber Verträge anbieten, die Prämien für 2023 anheben. So konnten sie die potenziell höheren Arbeits- und medizinischen Nutzungskosten ausgleichen, da die Menschen nach der Pandemie wieder Routinebehandlungen in Anspruch nehmen.[2] Auch die Nachfrage nach Krankenversicherungen nimmt zu: Die Zahl der Anmeldungen für Medicare Advantage – eine privatwirtschaftliche Alternative zu Medicare, dem staatlichen Krankenversicherungsprogramm für ältere Menschen – stieg 2022 um 8 % und deckt nun 48 % aller Medicare-Begünstigten ab: eine Zahl, die bis 2032 voraussichtlich auf 61 % ansteigen wird.[3]
Die Pharmaunternehmen verzeichnen unterdessen eine stabile Nachfrage und konnten die Preise entsprechend der Inflationsrate oder sogar stärker als diese anheben.[4] Und auch wenn der im August unterzeichnete Inflation Reduction Act den Anstieg der Arzneimittelpreise im Medicare-Programm ab dem nächsten Jahr begrenzt, so entspricht die Obergrenze der Inflationsrate. Unserer Ansicht nach dürfte das Gesetz, das auch andere Bestimmungen zur Preisgestaltung von Arzneimitteln enthält, für die Branche überschaubar sein (Schätzungen zufolge werden die Kosten über einen Zeitraum von zehn Jahren etwa 2 % der Gesamteinnahmen aus dem Arzneimittelsektor betragen). Außerdem wird die Unsicherheit über die Arzneimittelpreisreform beseitigt, die die Biopharma-Branche seit fast sechs Jahren belastet. In der Zwischenzeit profitieren die neu auf den Markt gebrachten injizierbaren Arzneimittel und Biosimilars von den Pharmahändlern, die mit diesen komplexen Behandlungen höhere Gewinnspannen erzielen als mit oralen Markenmedikamenten.
Selbst wenn die großen Volkswirtschaften 2023 in eine Rezession schlittern, könnte der Gesundheitssektor den Anlegern einen sicheren Hafen bieten. Bisher hat der Sektor in den Monaten vor und während wirtschaftlicher Abschwünge eine bessere Performance erzielt; dies könnte auch in Zukunft der Fall sein.
Um die Volatilität zu minimieren, sollten Anleger jedoch selektiv vorgehen, da nicht alle Bereiche des Gesundheitswesens im heutigen inflationären Umfeld so robust sind wie die oben genannten. Einige Krankenhäuser und andere Gesundheitsdienstleister haben im dritten Quartal 2022 ihre Gewinnprognosen aufgrund von Unsicherheitsfaktoren bei den Arbeitskosten gesenkt. Technologieunternehmen aus dem Gesundheitswesen – deren Bewertungen während des Digital-First-Booms der Pandemie in die Höhe schnellten – hatten ebenfalls zu kämpfen, da steigende Zinsen den Wert der Cashflows dieser Unternehmen (die in der Regel erst in ferner Zukunft realisiert werden) senken. Und einige Medizintechnikunternehmen, die einem starken Wettbewerb ausgesetzt sind, konnten die Preiserhöhungen nicht weitergeben.
Biotech-Ausblick wird besser
Trotz Verlangsamung des Wirtschaftswachstums ist der Sektor weiterhin innovativ, und viele Fortschritte sind für die Anleger kaum zu übersehen. Diese Entwicklung trifft insbesondere auf Biotechnologieunternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung zu. Von Anfang 2021 bis zur ersten Jahreshälfte 2022 erlebten diese Aktien ihre bisher schlimmste relative Underperformance. Grund dafür waren Rückschläge bei klinischen Studien, regulatorische Unsicherheiten und Sorgen über eine Reform der Arzneimittelpreise, die mit steigenden Zinsen kollidierten.[5] Der Ausverkauf führte dazu, dass Hunderte von Unternehmen unter dem Wert der Barmittel in ihren Bilanzen notierten. Aufgrund einiger positiver Daten aus klinischen Studien zu großen Krankheitsbereichen wie Krebs, Fettleibigkeit, Impfstoffe gegen Lungenentzündung, Lebererkrankungen und Alzheimer begann sich die Stimmung jedoch ab Juni zu drehen. In vielen Fällen handelte es sich bei diesen Daten um klinische Durchbrüche in Bereichen mit hohem, ungedecktem medizinischem Bedarf, die die Aktien deutlich nach oben trieben und es den Unternehmen ermöglichten, Kapitalerhöhungen erfolgreich abzuschließen.
Während steigende Zinsen weiterhin für Gegenwind in der Biotech-Branche sorgen werden, glauben wir, dass sich die Stimmung gegenüber der Branche verbessert hat und der Markt weiterhin Innovationen belohnen dürfte. In dieser Hinsicht könnten die kommenden Monate ereignisreich werden. Die Food and Drug Administration (FDA), die nach dem Amtsantritt der Biden-Regierung 2021 über ein Jahr keinen ständigen Commissioner hatte, muss nun ihren Rückstand aufholen. Rund ein Dutzend neue Arzneimittelanträge sind bis Ende 2022 anhängig, und weitere 54 sind für 2023 geplant. (Bis Mitte November hatte die FDA nur 29 neue Therapien für 2022 genehmigt, gegenüber mehr als 40 im Vorjahreszeitraum).
Angesichts der zunehmenden Dynamik des Biotech-Marktes erwarten einige eine Fortsetzung der Börsengänge im Jahr 2023, nachdem der Markt 2022 praktisch zum Erliegen gekommen war. Wir bleiben jedoch aufgrund des makroökonomischen Umfelds, das den Markt weiterhin unter Druck setzen könnte, eher vorsichtig. Unseres Erachtens ist es wichtig, sich auf Unternehmen mit einem attraktiven Risiko-Ertrags-Profil zu konzentrieren. Dazu können Unternehmen mit aussichtsreichen Meilensteinen (z. B. einem positiven Ergebnis einer klinischen Studie) oder Firmen mit vielversprechenden neu eingeführten Medikamenten gehören. Diese Unternehmen können wahrscheinlich auf den Sekundärmärkten Kapital aufnehmen oder sie könnten attraktive Übernahmeziele sein. Angesichts der niedrigen Bewertungen haben wir in der zweiten Jahreshälfte 2022 einen Anstieg der Fusionen und Übernahmen beobachtet – ein Trend, der sich im nächsten Jahr fortsetzen und den Anlegern potenzielle Vorteile bieten könnte.
Generell wird der Gesundheitssektor immer noch mit einem Abschlag gegenüber dem S&P 500 gehandelt, obwohl er sich im Jahr 2022 besser behauptet hat als die meisten anderen (siehe Abbildung 3). Um diesen Abschlag zu nutzen, ist es unserer Meinung nach für Anleger weiterhin wichtig, nach Unternehmen mit hoher Gewinntransparenz, starkem freien Cashflow, differenzierten Produkten und/oder vielversprechenden Pipelines zu suchen. Dies könnte nicht nur die Volatilität für die Anleger verringern, sondern ihnen auch die Chance bieten, in langfristiges Wachstum zu möglicherweise überzeugenden Bewertungen zu investieren.
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