Von Matthew Benkendorf, Chief Investment Officer, Vontobel Quality Growth

  • Aktienkurse dürften sich wieder stärker an den Unternehmensgewinnen orientieren
  • Entwicklung der Arbeitslosigkeit entscheidend für Verhalten der US-Konsumenten
  • Blue-Chip-Technologietitel attraktiv, Halbleiter leiden unter nachlassendem Wachstum

2022 war ein schwieriges Jahr für Anleger. Das Zusammentreffen zahlreicher Faktoren, von hoher Inflation über den Krieg in der Ukraine bis hin zu volatilen Energiepreisen und extremen Marktschwankungen ließ die Unsicherheit auf den höchsten Stand seit der globalen Finanzkrise von 2008 steigen. Klar ist: Die Zeiten, in denen nahezu alle Aktienanlagen von der globalen Liquiditätswelle profitierten, gehen zu Ende.

Da die US-Notenbank den größten Teil ihrer Zinserhöhungen geliefert hat, dürften sich die Aktienkurse in Zukunft wieder stärker an der Entwicklung der Unternehmensgewinne orientieren, was grundsätzlich eine gesunde Dynamik darstellt. Chancen eröffnen sich gerade bei Titeln, die besonders abgestraft wurden. Die für 2023 erwarteten erheblichen Performanceunterschiede zwischen Sektoren, Branchen und Unternehmen erfordern aber einen besonders disziplinierten Ansatz.

US-Verbraucher bleiben spendabel

Die US-Verbraucher haben die Weltwirtschaft in den letzten Jahren angetrieben, unterstützt durch steuerliche Anreize und eine akkommodierende Geldpolitik. Daher klingen die jüngsten Schlagzeilen zur niedrigen privaten Sparquote und der Rekordverschuldung der US-Konsumenten alarmierend. Der Konsum hat sich in der Tat verlangsamt, doch der Schlüsselfaktor für die Widerstandskraft der US-Verbraucher wird die Arbeitslosenquote sein. Selbst in besonders ausgeprägten Rezessionen betrug der Anstieg der Arbeitslosenquote im Allgemeinen nicht mehr als 2 Prozentpunkte. Wenn die US-Arbeitslosigkeit von den aktuell niedrigen 3,5 % auf 5 % ansteigen sollte, wäre dies im historischen Vergleich immer noch relativ niedrig und würde ein gesundes Szenario darstellen, solange es nicht zu einer weiteren tiefen Krise kommt. Außerdem ist die größte monatliche Ausgabe der US-Verbraucher ihre Hypothek, und viele von ihnen haben sich günstige 30-jährige Festzinsen gesichert. Wenn also die Nominallöhne steigen, sollten die Verbraucher unterm Strich mehr Geld ausgeben können, auch wenn sich ihr Ausgabenschwerpunkt hin zu langlebigeren Produkten und Dienstleistungen verlagern dürfte. Während alle Augen auf den US-Immobilienmarkt gerichtet zu sein scheinen, sind wir der Meinung, dass der Arbeitsmarkt der Schlüssel zur wirtschaftlichen Stabilität in den USA ist.

Ausverkauf der Technologieaktien eröffnet Chancen

Trotz des anhaltenden Drucks auf die Konjunktur im Jahr 2023 hat der Ausverkauf Blue-Chip-Unternehmen attraktiver gemacht. Strikteres Kostenmanagement bei Alphabet und Amazon in Verbindung mit ihrem Wachstumspotenzial dürfte ihre Fähigkeiten noch erhöhen, freien Cashflow zu generieren. Im Gegensatz dazu dürften Halbleiterwerte durch das nachlassende Wachstum in den USA und Europa in Mitleidenschaft gezogen werden. In den Geschäftsbereichen, die an PCs und Smartphones gebunden sind, sind die Bewertungs-Multiplikatoren zwar gesunken, aber auch die Erträge können noch weiter sinken.

Produktivität und Gesundheitsbranche profitieren von COVID-Erholung

Mit der Wiederaufnahme des Reiseverkehrs und der Wiederbelebung in der Gastronomiebranche kehrt auch das Wachstum auf das Vor-COVID-Niveau zurück. Die Produktivität stieg zu Beginn der Pandemie aufgrund der beschleunigten Einführung neuer Technologien, neuer Arbeitsweisen und der Digitalisierung sprunghaft an, sank aber in den letzten Quartalen wieder. Dennoch erwarten wir dort, wo sich die privaten und geschäftlichen Aktivitäten normalisieren, künftig wieder Produktivitätszuwächse. Und wenn sich die Nachfrage wieder auf einem normaleren Niveau einpendelt, wird sich auch die Inflation normalisieren.

Ein Ende der COVID-bedingten Unterbrechungen wird sich auch positiv auf ausgewählte Gesundheitsaktien auswirken. Aufgeschobene Behandlungen und Präventivmaßnahmen dürften wieder stärker in den Vordergrund rücken, ebenso wie die Konzentration auf die medizinische Grundversorgung und die Versorgung einer alternden Bevölkerung. Qualitativ hochwertige Unternehmen im Health-Care-Bereich mit strukturellen Wachstumstreibern dürften sich gut entwickeln.

Gute Aussichten für Qualität

Die Bewertungskorrektur bietet eine vielversprechende Basis für Manager, die auf Qualität und Wachstum setzen. Der Rückzug einiger Anleger aus dem Growth-Bereich führt zu einer realistischeren Stimmung und eröffnet disziplinierten Growth-Anlegern bessere Einstiegsmöglichkeiten. Die irrationale und durch ein Übermaß an Liquidität gekennzeichnete Ära dürfte 2023 endgültig zu Ende gehen.

Die Aktienmärkte werden auch in Zukunft von Innovationen profitieren, da Unternehmen neue Wege entwickeln, um das Leben der Menschen zu verbessern und Wohlstand zu schaffen. Die Suche nach Unternehmen mit nachhaltigem, vorhersehbarem Ertragswachstum zu angemessenen Bewertungen wird immer wichtiger werden. Und ohne die einfache Verfügbarkeit von Liquidität wird die aktive Aktienauswahl wieder stärker in den Fokus rücken.

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