2022 schalteten die Notenbanken bei Vollgas in den Rückwärtsgang, von stimulierend auf restriktiv in einer unglaublich kurzen Zeit.
„Das Handeln war notwendig geworden, weil die Inflation trotz aller Beteuerungen der Notenbanken eben nicht nur vorübergehend ist“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Wir sehen eine strukturelle Inflation, deren Bekämpfung 2023 mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Rezession und möglicherweise zu einer größeren Krise führen wird.“
Krisen entstehen unter der Oberfläche in Phasen billigen Geldes und treten dann zutage, wenn das Geld verknappt wird. „Dies ist derzeit der Fall, weil die nachhaltig hohen Inflationsraten eine drastische, restriktive Geldpolitik erfordern“, sagt Bente. „Die Notenbanken sind dabei jetzt zum ersten Mal seit Beginn des modernen Notenbankzeitalters in einer bösen Zwickmühle.“ Sie müssen sich entscheiden, entweder ihren Kernjob zu erledigen und die Inflation zu bekämpfen. „Oder sie tun weiter das, was sie in den vergangenen Jahrzehnten gut eingeübt haben, nämlich die Märkte und ein chronisch überschuldetes Gesamtsystem retten“, so Bente.
Insofern war 2022 ein historisches Jahr, denn zum ersten Mal seit den späten 1970er-, frühen 1980er-Jahren ist die Inflation massiv zurückgekommen. „Und das eben nicht nur temporär, wie bis Anfang 2022 von den Notenbanken mantramäßig erzählt“, sagt Bente. Vielmehr waren drastische Zinserhöhungen durch die Fed, dann auch von der EZB und im Dezember 2022 sogar erstmals von der Bank of Japan nötig, um in den Kampf gegen die Inflation einzusteigen. „Und dieser Kampf ist noch nicht gewonnen“, sagt Bente. „Insofern war 2022 für die Notenbanken ein Jahr des Realitätsschocks.“ Sie wurden aus dem wohlig warmen Bett der vorherigen Jahrzehnte geworfen, in denen es keinerlei strukturelle Inflation gab und sie nichts zu bekämpfen hatten, außer immer wiederkehrende Bärenmärkte oder andere Krisen mit immer mehr Liquidität zuzuschütten.
Aus diesem gut eingeübten Reaktionsmuster sind die Notenbanken in eine völlig neue Realität geschleudert worden. „Sie müssen jetzt Dinge tun, die sie seit den späten 1970er-/frühen 1980er-Jahren nicht mehr tun mussten: mit aggressiven Zinserhöhungszyklen und Quantitative-Tightening-Programmen gegen strukturelle Inflation anzukämpfen und dabei mitunter sogar über Schmerzpunkte hinauszugehen“, sagt Bente. Ein solcher Schmerzpunkt ist zum Beispiel dann erreicht, wenn am Ende eine Volkswirtschaft in die Rezession rutscht. Mit dieser neuen Realität müssen sich aber nicht nur die Notenbanker anfreunden, auch die Märkte müssen lernen. „Bisher waren die Notenbanken primär der Krisen- und Rezessionslöser und nun sind sie der Rezessionsauslöser und möglicherweise auch ein Krisenauslöser“, so Bente.
Es ist nur schwer vorstellbar, dass eine derart schnelle und drastische Trendwende von einer in der Historie nie gesehenen hyperstimulativen Geldpolitik zu einer der dynamisch-restriktivsten Notenbankpolitiken der Geschichte ohne Folgen bleibt. „Eine Rezession ist wahrscheinlich, eine Krise zumindest möglich, denn wenn eine wirtschaftliche Abschwächung durch steigende Zinsen auf ein derart überschuldetes Gesamtsystem trifft, ist das ein gefährlicher Cocktail“, sagt Bente.
In Rezessionen tritt die Krisensaat, die vorher im Aufschwung gelegt wurde, zutage. Was bis dahin vom billigen Geld überdeckt wurde, wird dann sichtbar. „Das geschieht in welcher Ecke des Finanzsystems auch immer und meist völlig unvorhersehbar“, sagt Bente. „Dass die hohe Inflation von selbst wieder verschwindet, ist von der Realität widerlegt worden. Das war der Realitätsschock des Jahres 2022, der erste Realitätsschock für die Notenbanker.“
Der zweite Realitätsschock wird dann wohl 2023 folgen. Nämlich der, dass eine derart restriktive Geldpolitik aller Wahrscheinlichkeit nach in eine Rezession und möglicherweise in eine wie auch immer geartete Finanzkrise mündet. „Dass es ohne Rezession abläuft, wäre mit Blick auf die historischen empirischen Erkenntnisse und Zusammenhänge doch sehr unwahrscheinlich“, sagt Bente. „Aber genau dieser Glaube ist immer noch recht weit verbreitet – oder zumindest die Hoffnung darauf, in den Märkten und bei den Notenbankern gleichermaßen.“
Und auch ein dritter Realitätsschock wird kommen. Die Notenbanken müssen sich nämlich nach ihrem zweiten Realitätsschock entscheiden, ob sie den Kampf gegen die strukturelle Inflation fortsetzen und dafür an der restriktiven Geldpolitik festhalten. „Oder ob sie die Rettung der Konjunktur und bei einer Krise dann auch des Finanzsystems in den Vordergrund stellen“, so Bente. „Sie sind also in der Zwickmühle: entweder die Inflation zu bekämpfen oder die Märkte zu stützen.“ In genau dieser Zwickmühle befand sich die Bank of England schon in diesem Jahr, als es infolge ihrer restriktiven Geldpolitik zu finanzkrisenhaften Symptomen kam. „Die Bank of England ist hin und her geeiert“, sagt Bente. „Zum Glück war es nur Großbritannien und keine wichtige Volkswirtschaft und es ist tatsächlich Ruhe eingekehrt.“ Wenn es aber den US-Markt und damit die Fed träfe, also den Elefanten im Porzellanladen der Notenbanken, wäre ein glimpflicher Ausgang einer solchen Interessenkollision unwahrscheinlich.
Heute scheint es vielen unwahrscheinlich, dass es zu diesem Zielkonflikt kommen kann und dass dies ein Dilemma ist, aus dem es keinen guten Ausweg gibt. „Die strukturelle Inflation nicht zu bekämpfen, ist langfristig definitiv keine gute Entscheidung, weil es den Geldwert und damit die Grundlage unseres Wirtschaftens zerstören würde“, sagt Bente. „Auf der anderen Seite dürfen die Notenbanken in einem derart überschuldeten System keine Krisensymptome laufen lassen.“ Die Idee der deflationären Bereinigung, also der Selbstheilung des Systems, klingt zwar in der wissenschaftlichen Theorie gut. „Die Kollateralschäden eines Wirtschaftszusammenbruchs und der damit einhergehenden Massenarbeitslosigkeit und der politischen und gesellschaftlichen Destabilisierung unserer Demokratien wäre aber doch so verheerend, dass das keine politisch opportune Lösung sein kann“, so Bente.
Nach der Rückkehr der strukturellen Inflation 2021 folgte 2022 das Comeback der harten restriktiven Geldpolitik als Reaktion auf die Inflation. Zumindest die dritte Phase, die Rezession, die der restriktiven Geldpolitik folgt, erscheint als relativ wahrscheinlich für 2023. Ob dann auch noch on top eine Krise kommt, die diese Rezession begleitet, bleibt bislang noch offen.“
Über die Vates Invest GmbH
Die Vates Invest GmbH, gegründet 2011, ist eine inhabergeführte Asset-Management-Boutique. Die Erfahrung zweier tiefer Aktienbärenmärkte (2001 und 2008) war prägend für die Philosophie von Vates. Das Spezialgebiet sind börsentägliche quantitative Analysen des monetären, konjunkturellen und sentimenttechnischen Umfelds. Seit 2014 verkörpert der Vates Parade Fonds die Portfoliomanagementstrategie von Vates Invest. Kernziel ist es, langfristig positive Rendite zu erzielen und zugleich die Anleger vor großen Verlusten in Bärenmärkten zu schützen. Der Vates Aktien Offensiv Fonds fokussiert sich hingegen auf die besten Stockpicker und deren „Lieblingsaktien“. Das Augenmerk liegt dabei auf Einzelaktien mit einem High-Conviction-Ansatz, um ein größtmögliches Alpha zu erzielen.
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