„Die Fragen, in welchem Umfang und wie schnell die Inflation zurückgedrängt werden kann und wie stark die Zentralbanken die Zinsen dafür noch anheben müssen, werden im kommenden Jahr für die Kapitalmärkte das beherrschende Thema sein“
, sagte Björn Jesch, Global CIO der DWS, beim DWS Marktausblick 2023 am 28. November 2022. „Wir denken, dass die Zentralbanken die Zinsen länger hochhalten werden, als die Märkte dies derzeit erwarten“, so Jesch. Für die US-Notenbank erwartet Jesch, dass sie die Leitzinsen im nächsten Jahr auf 5 bis 5,25 Prozent anheben wird, in der Eurozone dürfte der Leitzins auf 3,0 Prozent steigen. „Eine Zinssenkung sehen wir im kommenden Jahr derzeit nicht“, so Jesch. „Die Inflationsraten dürften 2023 zwar zurückgehen, aber dennoch auf einem hohen Niveau bleiben – 6,0 Prozent in der Eurozone und 4,1 Prozent in den USA.“
Geopolitische Spannungen werden anhalten
Die globalen Spannungen zwischen den USA, China, Russland und Europa werden das politische und wirtschaftliche Geschehen in den nächsten Jahren dominieren. „Die Welt wird eine andere sein als in den letzten fünf bis zehn Jahren“, so Jesch. Die Bevölkerung in den entwickelten Ländern schrumpft, die Bekämpfung des Klimawandels erfordert enorm hohe Investitionen und Europa muss in der Energieversorgung neue Wege gehen.
Der Trend, die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen und die hohe Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu verringern, sei angesichts der Krisen verständlich und auch geboten, verringere aber die Effizienz und führe damit zu höheren Produktionskosten und schwäche letztlich die Angebotsseite der Wirtschaft.
Der größte geopolitische Risikofaktor sei derzeit Russland. Die Wirtschaft der Eurozone leide besonders stark unter den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Allerdings habe sie sich bislang mit einem Wachstum von 3,2 Prozent trotz der Sanktionen erstaunlich gut gehalten.
Nur leichte Rezession, aber auch nur schwacher Aufschwung
Die sich abzeichnende milde Rezession in den USA und in der Eurozone werde sich erheblich von früheren Abschwungphasen unterscheiden. „Dank des demographisch bedingten, auch im Abschwung robusten Arbeitsmarktes werden die Arbeitnehmer ihre Jobs – weitgehend – behalten, die Einkommen der privaten Haushalte werden stabil bleiben und die Konsumenten werden weiter konsumieren“, so Jesch. Allerdings werde die Erholung nach dem Abschwung auch nur sehr verhalten ausfallen. Für die Eurozone prognostiziert Jesch Wachstumsraten von 0,3 Prozent (2023) und 1,2 Prozent (2024), für die USA 0,4 und 1,3 Prozent.
Auf Unternehmensseite dürften die Gewinne unter Druck kommen, allerdings deutlich weniger stark als in vergangenen Rezessionen.
Jeschs Fazit: „Anleihen sind angesichts des höheren Zinsniveaus deutlich attraktiver als in der Vergangenheit, als Renditebringer und als Diversifikationsinstrument.“ Generell seien die Renditeaussichten von Risikoanlagen begrenzt, aber hoch genug, um die Inflation schlagen können.
Schwellenländer günstig bewertet – Indien und Indonesien aussichtsreich
„Sobald in China die Einschränkungen der Null-Covid-Politik deutlich zurückgefahren werden, dürfte das chinesischen Aktien einen deutlichen Schub geben, sagte Sean Taylor, CIO APAC. „Das wird nicht über Nacht geschehen, aber ich denke, dass wir im nächsten Jahr mit einer positiven Entwicklung rechnen können.“ Mittelfristig gebe es nach wie vor einige Risikofaktoren. Beispielsweise die weitere Entwicklung des Wohlstandsniveaus, des Immobiliensektors sowie der geopolitischen Risiken. Generell seien Schwellenländer inzwischen recht günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liege derzeit bei 10,5 und damit deutlich unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre (14,2). Besonders aussichtsreich seien Indien und Indonesien. Beide Länder sollten von der Wiederöffnung der Wirtschaft und den Aussichten auf ein starkes, strukturelles Wachstum profitieren. Positiv ist Taylor auch für Südkorea gestimmt. Der Aktienmarkt dort hatte im September und Oktober deutlich korrigiert und sei jetzt wieder günstig bewertet. Besonders interessant hier: Unternehmen aus dem Halbleiter- und Batterie-Bereich. Generell dürften sich der erwartet etwas schwächere Dollar und die nachlassende Inflation kurzfristig positiv auf die Schwellenländer auswirken. „Mittelfristig muss allerdings die globale Exportschwäche überwunden werden und die chinesische Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen, bevor wir Schwellenländer in unseren Portfolien übergewichten“, so Taylor.
Japan, ein traditionell defensiver Aktienmarkt bleibe weiterhin ein gutes Instrument zur Diversifikation. Die Unternehmen könnten mit gesunden Bilanzen und robusten Gewinnen punkten. Positiv könnte sich für Japan im nächsten Jahr ein Öffnen der chinesischen Wirtschaft auswirken. 45 Prozent der Gewinne des japanischen Aktienmarktes werden im China-Geschäft erwirtschaftet. Allerdings dürfte der japanische Aktienmarkt sich 2023 nicht so dynamisch entwickeln wie andere asiatische Länder, die ein höheres Aufholpotenzial hätten. Dafür sei aber auch das Risiko einer schlechteren Entwicklung in Japan deutlich niedriger als in den asiatischen Schwellenländern.
Neue Attraktivität von Zinsanlagen – Euro-Unternehmensanleihen aussichtsreich
„Wir sehen gerade das Comeback einer Asset-Klasse. „Bei Euro-Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade) gibt es derzeit Renditen von knapp vier Prozent, ein Niveau, das wir zuletzt vor mehr als zehn Jahren gesehen haben,“, sagte Thomas Höfer, Head Investment Grade Credit. Damit lägen die Renditen von soliden Unternehmensanleihen sogar höher als die entsprechenden Dividendenrenditen.“ Die Perspektive für diese Anlageklasse sei – mit Blick auf die nächsten zwölf Monate – äußerst positiv, die Risiken überschaubar. In den Zinsaufschlägen sei die bevorstehende Rezession bereits eingepreist. Die Bilanzen der meisten Unternehmen seien deutlich solider als sie es früher in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs waren. Bonitätsseitig seien derzeit keine übermäßig hohen Risiken in Sicht. Besonders aussichtsreich laut Höfer: Senior-Bankanleihen und hybride Unternehmensanleihen mit Renditen von sechs bis sieben Prozent. Ebenfalls interessant seien die risikoreicheren Euro-Hochzinsanleihen, die derzeit Renditen von 7,3 Prozent aufwiesen. Die Ausfallraten lägen mit 0,7 Prozent historisch gesehen auf einem sehr niedrigen Niveau. Sie dürften zwar steigen, allerdings deutlich weniger stark als in früheren Phasen eines wirtschaftlichen Abschwungs. Dennoch sei eine sorgfältige Auswahl der Titel Pflicht.
Aktien – leichter Vorteil für Europa und Value-Titel
„Den Aktienmärkten steht eine weitere Bewährungsprobe bevor. Nachdem in diesem Jahr der Zinsanstieg die Bewertungen unter Druck gesetzt hat, wird im nächsten Jahr der Entwicklung der Unternehmensgewinne eine entscheidende Rolle zukommen“, sagte Marcus Poppe, Portfolio Manager globale Aktien. Generell seien die Unternehmen für die erwartete leichte Rezession aber deutlich besser aufgestellt als beispielsweise in der Finanzkrise 2008. „Taktisch gesehen sind wir für europäische Aktien recht optimistisch gestimmt.“ Der Bewertungsabschlag gegenüber US-Titeln in Höhe von 31 Prozent ist mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre (14 Prozent). Die Aussichten für Value-Aktien, die in europäischen Indizes ein höheres Gewicht haben als in US-Indizes, seien nach wie vor positiv. „Die Zeiten, in denen Wachstumsaktien zu jedem Preis gekauft werden, sind erst einmal vorbei“, sagte Poppe. Generell gelte für Aktieninvestments im kommenden Jahr: „Die Kurschancen sind moderat, die Kurse dürften stark schwanken. Wir erwarten keinen ausgeprägten Aufschwung auf breiter Front. Die Auswahl der richtigen Branchen und innerhalb dieser der vielversprechendsten Einzeltitel sei entscheidend. Besonders aussichtsreich seien ausgewählte Titel aus der Gesundheitsbranche sowie Unternehmen aus dem Industriesektor, deren Geschäftsmodelle darauf fußten, die Energieeffizienz voranzutreiben.
Trendwende bei Immobilien erwartet – aussichtsreiche Infrastruktur-Investments
Der Zinsanstieg hat sich auch im Immobilienbereich bemerkbar gemacht. „Der Renditevorteil von Immobilieninvestments gegenüber zehnjährigen Staatsanleihen ist dieses Jahr deutlich geschrumpft; die Bewertungen von Immobilien unter Druck gekommen“, sagte Jessica Hardman, Head of European Real Estate Portfolio Management. Dieser Trend dürfte sich im nächsten Jahr aber wieder drehen. Der Renditeabstand zu Anleihen werde steigen und das Segment der Wohnimmobilien für Anleger wieder attraktiver werden. Die Nachfrage in Europa sei in diesem Bereich nach wie vor hoch, das Angebot dagegen begrenzt.
Hardman rückte den Fokus zudem auf Infrastruktur-Investments. Gerade im Umfeld einer ökonomischen Transformation mit einem hohen Bedarf an Infrastruktur-Investitionen seien Investments in diesem Feld aussichtsreich. „Die großen Aufgaben Dekarbonisierung und Digitalisierung in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Energie- und Recyclingwirtschaft eröffnen Anlegern interessante, defensive Anlagemöglichkeiten im Infrastrukturbereich, der darüber hinaus mit vertraglicher Inflationsindexierung und verlässlichen, langfristigen Ertragsströmen punkten kann“, so Hardman.
„Die im Vergleich zu anderen Anlageklassen geringere Volatilität, die geringere Korrelation mit der Wertentwicklung von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren und die verbesserte Preisgestaltung, die kurzfristig zu einem guten Risiko-Rendite-Profil führt, sprechen nach wie vor für die Anlageklasse der alternativen Investments“, fügte sie hinzu.
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