2022 hat von den Finanzmarktteilnehmern eine hohe Flexibilität abverlangt.
Die Experten der Union Bancaire Privée (UBP) gehen davon aus, dass sich das 2023 fortsetzt. Die Weltwirtschaft bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen einer Rezession in den Industrie- und einer Erholung in den Schwellenländern. Der gegenwärtige Paradigmenwechsel wird den Anlegern einen Hochseilakt an den Finanzmärkten abverlangen. Die wichtigsten Thesen des Jahresausblicks von UBP hat Norman Villamin, CIO Wealth Management & Head of Asset Allocation von UBP, folgendermaßen zusammengefasst:
„Die anhaltend hohe Inflation, die restriktivere Geldpolitik, die Energiekrise sowie die Zunahme der geopolitischen Risiken, führten zu einem abrupten Ende der Wachstumsphase. Nach einem Plus von 3 % im Jahr 2022 zeichnet sich für 2023 ein globales Wirtschaftswachstum zwischen 2 % und 2,5 % ab. In den Industrieländern besteht die Gefahr einer Rezession, während asiatische Staaten ihre Aufwärtsentwicklung fortsetzen dürften. Zwar dürfte die Inflation Schritt für Schritt, insbesondere in den USA, nachlassen. Im Durchschnitt könnte sie 2023 aber immer noch über dem von den Zentralbanken der Industrieländer definierten Zielwert von 2 % liegen. In den Industrieländern könnten neue wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen den Paradigmenwechsel verzögern und die Geldpolitik beeinträchtigen, ohne das Potenzialwachstum zu erhöhen.
Schwächelnder US-Dollar
Im ersten Quartal 2023 erwarten wir eine Abwertung des US-Dollars gegenüber den meisten Währungen. Gründe dafür sind das Einpreisen des Höhepunkts der Fed Funds Rate, eine rückläufige Inflation, überzogene Bewertungen und eine Ausweitung des US-Leistungsbilanzdefizits. Dieser Wertverlust dürfte etappenweise auftreten und mit einer Baisse gegenüber den als sicher geltenden Währungen beginnen, was im Allgemeinen ein Hinweis für eine Verlangsamung des globalen Wachstums ist.
Wir gehen davon aus, dass die Gold- und Silberpreise aufgrund des schwächelnden US-Dollars 2023 nur wenig anziehen werden.
Aktive Selektion noch wichtiger
Fallende Inflationserwartungen und hohe absolute Kupons lassen bei Anleihen auf moderate Renditechancen hoffen, während eine Beschleunigung in einem bevorstehenden Ausfallzyklus Gelegenheiten im Distressed Credit-Segment eröffnen könnte. Ein proaktiver Ansatz in der Auswahl von Unternehmensanleihen wird daher in diesem von großen Veränderungen in der Eurozone 2023 geprägten Umfeld noch wichtiger für die Wertentwicklung sein als bei einer normalen Konjunkturabschwächung.
Auch bei Aktieninvestments ist die Inflation nicht folgenlos geblieben. Anleger sollten auch 2023 auf verschiedene Anlagestrategien zurückgreifen, die sich in der Vergangenheit bei ähnlich hoher Teuerung bewährt haben: Die Nutzung taktischer Chancen auf dem Inflationshöhepunkt, die Mitnahme von Gewinnen durch erzwungene Ausgaben und die Fokussierung auf Dividenden und Erträgen als wichtigste Renditequelle.
China mit anderen Augen betrachten
Die chinesische Wirtschaft hat sich 2022 spürbar abgekühlt. Die Anleger müssen sich an die veränderten Paradigmen in China anpassen und nicht nur die künftige Konjunkturentwicklung, sondern auch Aspekte der Unternehmensführung und der Geopolitik in ihre Überlegungen miteinbeziehen. Während konjunkturelle Treiber ins Positive drehen, sind der Umbau globaler Lieferketten und die Umgestaltung der geopolitischen Weltordnung für Anleger eher hinderlich. Die Verabschiedung des CHIPS ACT, der auf die Begrenzung von Chinas Ambitionen im High-Tech-Bereich abzielt, ist die erste Salve im sich verschärfenden Wettstreit zwischen den USA und China.
Energie und Infrastruktur als Nutznießer des Energieschocks
Als Folge des Ukraine-Kriegs werden umfangreiche strategische Maßnahmen zur Forcierung der Energiewende vorangetrieben – selbst in den USA, die in Bezug auf erneuerbare Energien bisher wenig motiviert waren. Die Energieversorgung gewinnt also eine besondere strukturelle Bedeutung. Der Klimawandel belastet die Energieversorgung zusätzlich. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, müssten jährlich mindestens 500 Mrd. US-Dollar in kohlenstoffarme und energieeffiziente Infrastruktur fließen. Angesichts der durch die Pandemiehilfen bereits aufgeblähten Staatshaushalte ist eine private Finanzierung der zuvor vom Staat errichteten und betriebenen Infrastruktur zur einzigen Alternative geworden, um die Energiekrise zu bewältigen und Energiesicherheit herzustellen. Dies schafft Chancen für Anleger in den kommenden Jahren. Aber auch Düngemittelhersteller und Anbieter von Saatguttechnologien dürften 2023 Anlagechancen eröffnen. Die Hälfte der landwirtschaftlichen Kosten in den USA hängen direkt von den Energiepreisen ab – angefangen bei den zur Steigerung der Ernteerträge erforderlichen Düngemitteln bis hin zum Kraftstoffbedarf für den Anbau, die Verarbeitung und den Transport der Erzeugnisse.
Proaktives und dynamisches Risikomanagement
Dreht sich der Wind zu positiven inflationsbereinigten Zinsen, wird die Tragfähigkeit der historisch hohen Staatsverschuldung wirtschaftlich betrachtet zunehmend zum Problem. Die Anleger müssen sich angesichts der hohen Inflation und der zu erwartenden anhaltend positiven Realzinsen vor allem Sorgen wegen der riesigen Schulden machen, die im Zuge des Zinsrückgangs der letzten fünfzehn Jahre angehäuft wurden. Zudem könnte der Umbau der globalen Lieferketten vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen zwischen China und den USA einen regelrechten Deglobalisierungsprozess in Gang setzen. In Anbetracht der insgesamt wachsenden Risiken sollten proaktives und dynamisches Risikomanagement 2023 an erster Stelle stehen.”
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