PwC-Analyse: Das Umfeld für IPOs und Kapitalerhöhungen bleibt schwierig / Im zweiten Quartal 2022 wagten nur zwei Unternehmen den Sprung an die Frankfurter Börse / Flaute bei Kapitalerhöhungen / PwC-Expertin Nadja Picard geht von einem schwachen IPO-Jahr 2022 aus
Die Inflation und Energiepreise klettern auf Rekordniveau, die weltweiten Lieferketten stottern und die Talfahrt an den Aktienmärkten geht im Zuge der zunehmend spürbaren Zinswende vieler Notenbanken weiter: In diesem Umfeld wagt sich kaum ein Unternehmen an die Börse. Im zweiten Quartal 2022 registrierte die Frankfurter Börse lediglich zwei Initial Public Offerings (IPOs), die zusammen 121 Millionen Euro einspielten. Auch in Sachen Kapitalerhöhungen sind die Investoren mit Blick auf das schwierige Marktumfeld sehr zurückhaltend.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse “Emissionsmarkt Deutschland”, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Deutschland vierteljährlich die Aktienneuemissionen sowie die Kapitalerhöhungen an der Börse Frankfurt erfasst.
Rezessionsängste beherrschen die Kapitalmärkte
“Insbesondere die hohe Inflation, steigende Energiepreise und die Verzögerungen in den Lieferketten in Folge der coronabedingten Shutdowns in China sorgen derzeit für große Unsicherheit im Markt. Die Angst vor einer Rezession wächst, da nicht zuletzt die eingeleitete Zinswende einen Konjunkturaufschwung gefährden könnte. Entsprechend setzt sich der Ausverkauf an den Aktienmärkten fort”, kommentiert Nadja Picard, Partnerin und Capital Markets Europe Leader bei PwC Deutschland. So hat der DAX seit Jahresbeginn rund 17 Prozent eingebüßt; im MDAX sind es sogar 23 Prozent. “In diesem Umfeld ist es nicht verwunderlich, dass Emittenten zögerlich sind und viele IPO-Kandidaten sich dazu entschließen, mit ihrem Börsengang abzuwarten”, so die PwC-Expertin weiter.
Schwaches erstes Halbjahr für Börsengänge
Immerhin zwei Unternehmen – und damit eines mehr als im ersten Quartal – zogen im zweiten Quartal ihre Börsenpläne durch: Die auf Immobilien spezialisierte Mantelgesellschaft SMG European Recovery SPAC SE spielte bei ihrem Börsengang 115 Millionen Euro ein. Die Online-Plattform des Immobilienunternehmens Engel & Völkers, EV Digital Invest AG, erzielte bei ihrem Erst-Listing Erlöse in Höhe von sechs Millionen Euro.
Zum Vergleich: Im zweiten Quartal des Vorjahres hatten insgesamt zehn Börsengänge rund vier Milliarden Euro eingebracht. Und sogar im ersten Pandemiejahr 2020 lagen die IPO-Erlöse im zweiten Quartal bei 214 Millionen Euro.
Kapitalerhöhungen stark rückläufig
Auch in Sachen Kapitalerhöhungen bleiben Unternehmen und Investoren äußerst zurückhaltend: Sowohl die Anzahl als auch das Volumen liegen weit unter dem Niveau der Vorjahre. Sechs Unternehmen besorgten sich im zweiten Quartal auf diesem Weg frisches Kapital an der Börse (Q1 2022: 4 // Q2 2021: 14). Das Gesamtvolumen der Kapitalerhöhungen lag bei 124 Millionen Euro (Q1 2022: 59 Millionen Euro // Q2 2021: 420 Millionen Euro).
Fremdkapitalemissionen brechen ein
Der Mix an Unsicherheitsfaktoren – von der rekordhohen Inflation und der erwarteten Zinserhöhung über die insgesamt niedrigeren Wachstumsaussichten bis hin zum anhaltenden Krieg in der Ukraine – macht sich auch bei den Fremdkapitalemissionen bemerkbar: Im zweiten Quartal des Jahres lag das Emissionsvolumen im Investment Grade lediglich bei 6,2 Milliarden Euro. Das ist der niedrigste Wert seit fünf Jahren. Im ersten Quartal 2022 lag das Volumen noch bei 19,0 Milliarden Euro; in Q2 2021 waren es 14,2 Milliarden Euro.
Ein Trend setzt sich jedoch trotz rückläufiger Volumina fort: Insbesondere bei größeren Investoren werden Instrumente mit Bezug zu ESG-Aspekten, also Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung, immer beliebter.
Der deutsche Markt für High-Yield-Bonds kam im zweiten Quartal 2022 sogar vollständig zum Erliegen. “Insbesondere der Anstieg von Spreads und Zinssätzen hielt Unternehmen davon ab, neue Finanzmittel über den Markt aufzunehmen. Zudem haben viele Emittenten bereits das vorteilhafte Zinsumfeld der vergangenen Jahre genutzt und sich langfristig refinanziert”, erläutert Stephan Wyrobisch, PwC-Experte für IPOs, die Hintergründe.
Ausblick: Zwei oder drei IPOs im Jahresverlauf noch möglich
Mit Blick auf den weiteres Verlauf des IPO-Jahres sind die PwC-Expert:innen zurückhaltend: “Aktuell bereiten sich zwar mehrere IPO-Kandidaten auf einen Börsengang vor, um startklar zu sein, falls sich nach der Sommerpause noch ein Zeitfenster öffnen sollte, in dem Börsengänge wieder erfolgversprechend sind”, resümiert Stephan Wyrobisch.
“Das Umfeld bleibt jedoch kurz- und mittelfristig schwierig und 2022 wird deshalb sicher als schwaches IPO-Jahr in die Geschichte eingehen. Auch wenn zwei oder drei Börsengänge noch drin liegen, richtet sich der Fokus der Börsenaspiranten bereits jetzt auf 2023”, so das Fazit von Nadja Picard.
Über die Analyse:
Im “Emissionsmarkt Deutschland” analysiert PwC vierteljährlich sämtliche Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen an der Börse Frankfurt. Darüber hinaus werden Neuemissionen von Unternehmensanleihen deutscher Emittenten erfasst. Die Angaben der Kapitalerhöhungen basieren auf Informationen von Thomson Reuters, Bloomberg und Capital IQ und beinhalten Transaktionen bis einschließlich 17. Juni 2022.
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