Sind die EU-Vorgaben zur Abfrage der sogenannten Nachhaltigkeitspräferenzen auch für Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO ab dem 02.08.2022 anwendbar? Dies ist die Frage, um die sich die Branchendiskussion der letzten Wochen dreht.

 

Grundsätzlich gilt hier: Nein! Grund: Finanzanlagenvermittler sind nicht unmittelbarer Normadressat der entsprechenden MiFID II-Verordnungen (einschließlich der EU-Offenlegungsverordnung), wie die BaFin noch einmal gegenüber ‘k-mi’ bestätigt hat (vgl. ‘k-mi’ 07/21, 19, 20/22). Kommt es aber zu einer punktuellen indirekten Anwendung auf 34fler durch Verweise in der FinVermV u. a. auf Artikel 54 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565? Der Artikel 54 der EU-MiFID II-VO 2017/565, auf den die FinVermV verweist, wurde jüngst durch die EU geändert und enthält nun Vorgaben für Wertpapierfirmen zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Kundenberatung. Anders als in der Branche zuletzt kolportiert, ist die Frage einer indirekten Anwendung auf § 34f – per sog. ‘dynamischer’ Verweisung – alles andere als klar.

Der DIHK spricht auf Anfrage von uns von “offenen“ Fragen: “Wir sehen uns den Themenkomplex gerade genau an und sind dazu auch bereits mit verschiedenen Stellen intensiv im Austausch, unter anderem mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Dort läuft derzeit auch noch eine Prüfung der Rechtslage. Bis die noch offenen Fragen geklärt sind, können wir keine abschließende Bewertung abgeben.“

Um für Sie für Rechtssicherheit zu sorgen, hat die von ‘k-mi’ koordinierte Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner/BMI eine entsprechende Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium/BMWK gerichtet. Hintergrund: Während das WpHG ‘dynamisch’ auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 “in der jeweils geltenden Fassung“ verweist, liegt in der für § 34f maßgeblichen FinVermV eine andere Form der Verweisung vor, ohne diesen Zusatz. Damit ist eine solche Verweisung u. E. ‘statisch’.

Dies sagen auch nicht nur wir, sondern das Bundesjustizministerium und der Bundesrat: ++ “Eine starre Außenverweisung auf Rechtsvorschriften wird in der Regel durch das Vollzitat kenntlich gemacht (Rn. 169 ff.), ohne dass es eines besonderen Zusatzes bedarf. (…) Bei Rechtsakten der Europäischen Union verdeutlicht auch das Kurzzitat eine starre Verweisung, wenn zuvor das Vollzitat ohne Zusatz verwendet wurde (Rn. 281)“ (BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeiten, RN 240)

++ “Da im deutschen Recht hingegen ein Verweis ohne näheren Hinweis grundsätzlich ein starrer Verweis ist, muss die Umsetzung des dynamischen Verweises hier klargestellt werden“ (BR-Drs. 191/21 in einem analogen Fall). Das bedeutet: Bestätigt das BMWK als Verordnungsgeber, dass die Verweise in der FinVermV statisch sind, gelten die Änderungen in Art. 54 Del.-VO (EU) 2017/565 ab dem 02.08.2022 nicht für § 34f! Die FinVermV müsste erst angepasst bzw. dynamisiert werden, wodurch wertvolle Zeit für eine rechtssichere Umsetzung gewonnen wäre!

Soviel zunächst zur Juristerei. Sobald das Bundeswirtschaftsministerium sich zu der Frage äußert, welche Verweisung vorliegt (statisch oder dynamisch), werden wir natürlich berichten! Aber wäre eine solche fragmentarische Anwendung der Nachhaltigkeitspräferenzen über die jetzige FinVermV ohne gesonderte Umsetzung und z. B. Auslegungshilfen seitens IHKen und der Gewerbeämter überhaupt sinnvoll? Hieran bestehen massive Zweifel! Schon für die Banken und Institute gibt es momentan keine echte Rechtssicherheit in dieser Frage. Die von ‘k-mi’ koordinierte BMI hat jüngst in der entsprechenden ESMA-Konsultation negativen Auswirkungen für die Berater hingewiesen.

Mit dieser Kritik sind wir nicht alleine: Der BVI z. B. formuliert aktuell wie folgt: “Derzeit managt die Branche in Publikumsfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen gemäß Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung insgesamt 563 Milliarden Euro. Das sind 40 Prozent des Gesamtvermögens der Publikumsfonds. Die Einstufung als Artikel 8 sagt aber zunächst nur aus, dass dieser Fonds bestimmte Informationen zu seiner Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlichen muss. Das wird nach den neuen Regeln allein nicht ausreichen, um ihn Kunden mit Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten anbieten zu dürfen. Dafür müssen die Fonds zusätzliche Merkmale aufweisen. Viele Fonds, die derzeit als Artikel-8-Produkt eingestuft sind, werden deshalb ihre Strategien nachschärfen müssen. Beispielsweise durch Zusagen, nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeit, wie etwa den CO2-Ausstoß, abzumildern oder einen Mindestanteil nachhaltiger Investitionen zu erreichen. Diese Informationen werden in der Regel erst ab Januar 2023 in den Verkaufsprospekten und Jahresberichten der Fonds stehen, weil sie Bestandteil der standardisierten ESG-Anhänge sind, die nach der Offenlegungsverordnung erst zu diesem Datum bereitgestellt werden.“

Die konkreten Auswirkungen auf Berater sieht der BVI problematisch: “In der Zwischenzeit müssen die Fondsgesellschaften ihre Informationen zu den Nachhaltigkeitsmerkmalen für den Vertrieb teils auf intern berechnete Werte stützen. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Berater. Um Haftungsrisiken zu vermeiden, sollten sie die Kunden darauf hinweisen, dass das Produkt zwar in seiner Strategie bereits entsprechende Produktmerkmale umsetzt, dass diese Merkmale aber erst später vertraglich zugesagt werden können. Eine klare Kommunikation zwischen Fondsanbietern, Vertrieb und Kunde wird in dieser Übergangszeit entscheidend sein. Zudem wird es anfangs sicherlich noch nicht genügend Produkte geben, um alle denkbaren Präferenzen der Kunden zu berücksichtigen. Zum Beispiel sind Fonds mit hohen Taxonomie-Quoten derzeit nicht realistisch, weil es erst für zwei von sechs Umweltzielen der Taxonomie nachprüfbare technische Kriterien gibt. Und selbst für diese gibt es noch keine verlässlichen Daten. Für Zusagen zum Mindestanteil nachhaltiger Investitionen bestehen ähnliche Probleme. Die Berater werden also die Wünsche der Kunden zur Nachhaltigkeit ihrer Anlagen mit der Marktrealität vereinbaren müssen. Dabei wird Fingerspitzengefühl gefragt sein.“

‘k-mi’-Fazit: Die zuletzt teilweise behauptete Anwendung der Nachhaltigkeitspräfenzen auf § 34f ab dem 02.08.2022 ist keineswegs ein bestätigtes Faktum noch ist sie in dieser ‘automatischen’ Form sinnvoll, wie die von ‘k-mi’ angestoßene Debatte zeigt. Die laufende Prüfung dieser Frage beim Bundeswirtschaftsministerium wird hoffentlich zeitnah Klarheit schaffen. Wie schon zuletzt betont (vgl. ‘k-mi’ 19, 20/22), werden aber 34fler wohl nicht dauerhaft um die Nachhaltigkeitspräferenzen herumkommen. Allerdings sollte die Anwendung nicht automatisch durch willkürliche Verweise geschehen, sondern durch eine Anpassung der FinVermV, die die Kosten und rechtssichere Anwendung im Blick hat!

 

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